Eine 5 in Erdkunde, Teil 2 (German)


by Hans Jorgens

Jan-Peter schlurfte auf den Strafsessel zu und nahm die ihm nur all zu bekannte Haltung ueber der Ruecklehne ein. Der Vater schob das Hemd des Jungen so weit nach oben, dass die Pobacken des Jungen voellig frei lagen und ein perfektes Ziel fuer die angekuendigten Rohrstockhiebe boten. Eine Gaensehaut lief ueber die glatte Haut des Dreizehnjaehrigen, als er das leise, typische Geraeusch vernahm, mit dem der Vater den Rohrstock von der Tischplatte hob.

Wie viele Schlaege wuerde es diesmal geben? Vater und Sohn dachten im selben Augenblick ueber diese Frage nach. Das Ticken der Wanduhr schien immer lauter zu werden. Der Vater hatte seine Position eingenommen. Er liess den biegsamen Stock ein paar Mal durch die Luft zischen. Jan-Peter spuerte jenes unangenehme Gefuehl im Magen, das sich stets kurz vor Beginn einer Tracht Pruegel einstellte. "Bitte, lass' es schnell vorbei sein", flehte er lautlos zu hoeheren Maechten, die es doch irgendwo geben musste.

"Mitzaehlen!", forderte der Vater, wie immer. Dann herrschte wieder Stille.

SsssssssssssssstZACK!

Eine Sekunde nichts, dann ein gluehendes Band quer ueber beide Backen.

"Auuuuuu!! Eins."

"Dir werd' ich helfen, mein Freundchen!"

Endlose Sekunden Stille.

SssssssssssssssstZACK!

Der zweite Hieb war knapp ueber dem ersten gelandet.

"Auuuuhuhuhuuuuuuu!! Zwei."

Hochofengluehen. Gedanken an Aufspringen und Weglaufen. Aber das wuerde ihn teuer zu stehen kommen.

"Wenn du nicht ordentlich lernen willst, dann kriegst du eben Senge!"

SsssssssssssssstZACK!!

Der war weiter unten gelandet.

"Aaaaauuuuuhuhuhuhuuuu!!! Drei!"

Verdammte Faulheit, verdammter Vater, verdammter Rohrstock. Die Traenen liefen ueber sein geroetetes Gesicht. Schluchzen.

"Bitte, Papa!"

"Bitte, was?"

"Bitte hoer' auf! Bitte nicht mehr den Stock!!"

"Ich werd' dir was mit bitte, Freundchen!"

SssssssssssssssssssssstZACK!

Er hatte eine andere Strieme getroffen.

"Aua, aua, auuuuhaaa!!! V...vier!"

Seine Hand schoss nach hinten. Nur den gemeinen Schmerz wegreiben.

"Hand weg, aber ploetzlich!!"

Der Vater dachte an frueher zurueck. Waren seine Brueder und er damals haerter gewesen, tapferer? Die Pruegel, die er von seinem Alten bezogen hatte, schienen eine Ewigkeit her zu sein, und doch erinnerte er sich genau an seine eigenen Gefuehle, wenn er den Stock zu spueren bekommen hatte. Zwoelf oder achtzehn auf den nackten Hintern hatte es gegeben, vierundzwanzig auf die Stoffhose oder gar sechsunddreissig auf die kurze Lederne. Einmal hatte er instinktiv seine Haende schuetzend auf sein Hinterteil gelegt und prompt einen scharfen Hieb quer ueber beide Handflaechen bekommen. Dieser gemeine Schmerz! Und die Strieme hatte ihm wochenlang zu schaffen gemacht. Aber er hatte es ueberlebt, wie jeder richtige Junge. Waren die Bengels des Jahres 1958 denn so viel weicher als die in den dreissiger Jahren? Ganze vier hatte sein Sohn bisher bezogen und jammerte schon wie um sein Leben.

SsssssssssssssssssssssssstZACK!!

Jan-Peter schrie auf. Das war der gemeinste bisher.

"F...f...fuenf!!"

SsssssssssssssssssssssstZACK!!!

"AAAAAUHUUUUUUU!!! SECHS!!"

Der Hintern ein Flammenmeer. Ein halbes Dutzend - mehr hatte er noch nie bekommen. Wilde Hoffnung, heilloses Schluchzen.

Der Vater betrachtete sein Erziehungswerk. Die roten Spuren auf dem gezuechtigten Knabengesaess erregten ihn ueber die Massen. Er konnte nichts dagegen tun. O Gott, was war nur mit ihm los? Wenn er einen seiner Soehne auf diese Weise bestraft hatte, war der Verkehr mit seiner Frau abends doppelt so schoen. Er brauchte sich nur das Bild eines verstriemten Hinterteils vor Augen zu fuehren, um stahlhart seinen Mann zu stehen. Manchmal hasste er sein eigenes Spiegelbild. Niemand auf der Welt schien aehnliche Empfindungen zu haben wie er. Weg mit solchen Gedanken, nur weg damit!

"Auf! Ab in dein Zimmer und sofort ins Bett. Zwei Wochen Stubenarrest. Euch Bengels werde ich die Faulheit noch austreiben. Und wenn ich euch jeden Tag den Hintern gruen und blau hauen muss."

Als der Junge seine Schlafanzughose ueber das schmerzende Hinterteil zog, dachte er mit Schaudern daran, dass am naechsten Tag Sportunterricht auf dem Stundenplan stand. Wenn er nicht aufpasste, wuerden alle seine Striemen sehen. Verdammte Faulheit, verdammter Rohrstock! Immer noch leise schluchzend, legte er sich baeuchlings auf das Bett. Draussen in der Fruehabendsonne spielten die Nachbarskinder Fussball. Es war 18 Uhr.


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