Trennkost (German)


by Hans Jorgens

1 "Guten Abend, Frau Schroeder, guten Abend Herr Schroeder!". Joerg und Marlies Woltmann begruessten ihre Gaeste und geleiteten sie ins Wohnzimmer. Nach dem alle ihre Getraenke bekommen hatten und man einige Hoeflichkeiten ausgetauscht hatte, kam Herr Woltmann direkt auf das Thema zu sprechen, das sie alle bedrueckte.

"Ich freue mich, dass wir hier zusammen gekommen sind. Es soll ja heute um unsere Herren Soehne und ihr Verhalten in der Schule gehen. Ich darf noch einmal kurz den Sachverhalt rekapitulieren: Die Lehrerin von Marco und Kevin hat an Sie und an uns jeweils einen gleichlautenden Brief geschrieben, in dem sie sich ueber bereits seit einiger Zeit immer wieder auftretende Verhaltensauffaelligkeiten der beiden beklagt. Faulheit, Unaufmerksamkeit, lautes Schwatzen im Unterricht und so weiter und so fort, bis hin zu frechen Antworten und, wie es hier heisst, geradezu unverschaemter Flegelhaftigkeit. Frau Senkbusch schreibt weiter, dass sie ratlos sei, wie sie den beiden noch beikommen soll. Also, ich war erschuettert, als ich das las, das muss ich ehrlich gestehen. Ich dachte immer, dass wir unseren Marco bisher zu einem einigermassen brauchbaren Jungen erzogen haetten, und nun so was. Wie ging es Ihnen, als Sie diesen Brandbrief lesen mussten?"

Ein paar Sekunden lang hoerte man nur die leisen Hintergrundklaenge einer Joe-_c_o_c_k_er-CD. Frau Schroeder blickte zu ihrem Mann und uebernahm es dann, die Frage von Herrn Woltmann zu beantworten:

"Also, wir koennen Ihnen da nur beipflichten. Wir waren ziemlich ueberrascht und enttaeuscht von Kevin. Mein Mann hat noch am selben Tag mit Frau Senkbusch telefoniert und den Eindruck gewonnen, dass die Frau sehr nett und absolut vertrauenswuerdig ist. Sie gibt sich augenscheinlich alle Muehe mit den beiden, aber sie ist mit ihrem Latein am Ende. Und bevor sie das Thema sozusagen offiziell macht, hat sie sich in ihrer Not an den Computer gesetzt und die beiden Briefe an uns geschrieben. Also, ich persoenlich finde das gut."

"Ja, ich auch", sagte Frau Woltmann leise und knetete mit ihrer rechten Hand nervoes die Finger der linken.

"Haben Sie ihren Sohn denn schon auf die Sache angesprochen?", fragte Frau Schroeder.

Marlies Woltmann sah kurz zu ihrem Mann hinueber.

Herr Woltmann sagte: "Also, in meiner Wut haette ich ihm am liebsten sofort den Kopf abgerissen..."

"Wissen Sie, mein Mann kann recht aufbrausend sein", ergaenzte seine Frau mit einem entschuldigenden Laecheln.

"Also, wie gesagt, das haette ich am liebsten getan, aber dann machte meine Frau den Vorschlag, Sie zu uns einzuladen und gemeinsam ueber die Situation zu sprechen. Ich habe naemlich, wenn ich ganz offen sein darf, den Eindruck, dass Marco sich erst ab einem bestimmten Zeitpunkt so ...aeh...veraendert hat."

"Und der waere?", fragte Thomas Schroeder eine Spur zu scharf.

Wieder hoerte man nur den Song von Joe _c_o_c_k_er. "Don't you love me anymore? Have you learned to live your life without me?", sang er mit Inbrunst in der rauen Stimme. "Nun ...", begann Herr Woltmann und rang erkennbar um die richtigen Worte, "...wir haben das unbestimmte Gefuehl, dass Marco in den letzten Monaten eine gewisse Entwicklung durchgemacht hat, die aeh ..."

"...die damit zusammenhaengt, dass er seit einigen Monaten sehr eng mit unserem Kevin befreundet ist. Das wollten Sie doch damit sagen, oder?".

Schweigen.

"Nun ja, also ...", begann Frau Woltmann hilflos.

"Wahrscheinlich haben Sie Recht", konstatierte Jutta Schroeder. "Kevin ist uns seit geraumer Zeit ein wenig aus dem Ruder gelaufen."

Ihr Mann blickte sie ein wenig erstaunt an.

"Der Junge ist in letzter Zeit auch zuhause leider oft frech und ruepelhaft", fuhr Frau Schroeder fort, "dabei hat er alles, was ein Junge heutzutage so braucht: Stereoanlage, PC, Fahrrad, teure Klamotten, einfach alles."

Herr Schroeder raeusperte sich vernehmlich, sagte aber nichts.

Seine Frau sah zu ihm hin und laechelte duenn. "Alles, ausser einer gewissen Disziplin. Mein Mann und ich sind, was die Erziehung unserer Kinder betrifft, bisher stets etwas unterschiedlicher Meinung gewesen."

"Etwas?", sagte Herr Schroeder. "Das ist wohl leicht untertrieben."

"Und was bedeutet 'bisher'?", fragte Marlies Woltmann.

Die Schroeders blickten sie etwas irritiert an.

"Sie sagten eben, Sie seien bisher unterschiedlicher Meinung gewesen", erlaeuterte Frau Woltmann.

"Ach so. Na ja, also es ist so, dass ich in den letzten Jahren stets der Meinung war, dass man heutzutage Kinder gewaehren lassen sollte. Ich meine damit, dass ich glaubte, man koenne sie zum Beispiel nicht mehr mit mittelalterlichen Strafen wie Hausarrest oder Ähnlichem belegen."

"Mit 'oder Ähnlichem' meinte meine Frau, um es genauer zu sagen, eine Ohrfeige oder, wenn es gar nicht mehr anders geht, einen ordentlichen Hinternvoll. Ich war da immer etwas konservativer eingestellt, aber natuerlich wollte ich die Kinder nicht gegen den Willen meiner Frau haerter rannehmen. Ich denke, das Ergebnis sehen wir jetzt. Kevin ist, um es auf den Punkt zu bringen, ein verwoehnter Rotzbengel mit einem leichten Hang zum Groessenwahn."

"Na, na", sagte Frau Schroeder.

"Es ist aber genau so", erwiderte ihr Mann, "er kennt seine Grenzen nicht mehr, weil wir sie nicht rechtzeitig gezogen haben."

Nachdenklichkeit lag ueber der Szenerie, waehrend Joe _c_o_c_k_er noch immer seine Stimmbaender strapazierte.

"Wenn ich mal so platt fragen darf: wie erziehen Sie denn ihren Marco?", fragte Frau Schroeder schliesslich leise.

Herr Woltmann ergriff das Wort: "Also, wir waren uns immer darueber einig, dass man ein Einzelkind nicht verzaerteln darf. Das haben wir dann auch so umgesetzt. Ich will damit sagen, dass Marco durchaus gelegentlich von mir oder auch von meiner Frau was hintendrauf bekommen hat. Zuletzt musste ich in dieser Hinsicht vor vielleicht einem Jahr taetig werden, als er bei 'H. O.T'. eine CD hatte mitgehen lassen. Da gab's dann kraeftig was mit dem Kochloeffel."

"Aber es ist doch gesetzlich verboten, Kinder zu schlagen", warf Frau Schroeder ein.

"Damals noch nicht, aber das ist mir sowieso ziemlich wurscht. Ich sehe ueberhaupt nicht ein, dass ueber Generationen bewaehrte Erziehungsmethoden von einem Tag auf den anderen ploetzlich illegal sein sollen, nur weil eine Frau Justizministerin das so wollte, die vielleicht schon in ein paar Monaten vergessen sein wird."

Thomas Schroeder warf seiner Frau einen Blick zu, als wolle er sagen: Na, siehste, genau meine Meinung!

Nach einer weiteren kurzen Pause stellte er schliesslich die entscheidende Frage: "Und was machen wir nun mit den Bengeln?"

2 Marco und Kevin sassen oben in Marcos Zimmer vor dem Fernseher und sahen sich zum wiederholten Mal "Tom und Huck" an, eine von vielen Verfilmungen des alten "Tom Sawyer"-Themas, diesmal von 1995. Zuvor hatten sie ziemlich oberflaechlich ihre Hausaufgaben erledigt.

"Ich hab' Bock auf Abendessen", sagte Marco, "aber ich glaube, meine Eltern haben irgendwie Besuch."

"Wie kommst du denn darauf?", fragte Kevin.

"Bist du taub, oder was?" Vorhin hat's doch geklingelt, und ich hab' Stimmen gehoert", antwortete Marco.

"Du hast Stimmen gehoert? Dann geh' zum Arzt!", empfahl Kevin grinsend.

"Arschloch", rief Marco und begann, mit seinem Freund zu rangeln. Lachend vollfuehrten sie einen Ringkampf auf der Couch. Als sie sich wieder beruhigt hatten, sagte Kevin: "Geh' doch einfach mal 'runter und frag', wann's was zum Beissen gibt."

"Noeoe. Keine Lust, irgendwelche bloeden Nachbarn zu begruessen."

"Dann eben nicht."

Sie sassen wieder nebeneinander, der eine im HSV-, der andere im Borussia-Dortmund-Trikot, und verfolgten den Spielfilm.

"Sag' mal", nahm Kevin das Gespraech wieder auf, "was haben deine Eltern eigentlich zu dem Brief von Frau Petze Senkbusch gesagt?"

"Mein Vater war stinkig und meinte, er wuerde sich noch was einfallen lassen. Und bei dir?"

"Meiner wollte gestern abend noch mit Frau Senkbusch telefonieren. Das hab' ich aber nicht mitgekriegt, weil ich zur Strafe um acht ins Bett musste wie ein kleines Baby. So ein Scheiss. Sag' mal, was wird sich dein lieber Daddy denn einfallen lassen?"

"Bestimmt Fernsehverbot oder so was. Und deiner hat mit der Senkbusch gesprochen? _s_h_i_t_. Hoffentlich hat sie ihm keine Maerchen aus tausendundeiner Nacht erzaehlt."

"Mal sehen, was fuer 'ne Laune er hat, wenn ich nach Hause komme."

"_f_u_c_k_ing _s_h_i_t_! Ich glaube, wir muessen uns in der Schule mal wieder 'n bisschen zusammenreissen."

"Das kriegen wir doch hin. Mindestens 'ne Woche!!"

Sie lachten sich kringelig.

3 "Also, ich fuer meinen Teil habe nicht vor, meinem Sohn ein solches Verhalten durchgehen zu lassen", sagte Joerg Woltmann bestimmt. "So kann's nicht weiter gehen. Ich denke, ich werde ihn mir einmal ordentlich vorknoepfen."

"Das heisst?", fragte seine Frau.

"Das heisst, dass ich ihm nach laengerer Zeit mal wieder kraeftig den Hintern versohlen werde. Offensichtlich hat Marco schon vergessen, wie sich so was anfuehlt."

"Das hat unser Kevin schon lange vergessen. Der hat vielleicht mit Acht zum letzten Mal ein paar hintendrauf gekriegt. Danach durfte ich den kleinen Prinzen ja nicht mehr anruehren", sagte Thomas Schroeder mit einem Blick zu seiner Frau.

"Du tust ja gerade so, als koennte ich Dir verbieten, Kevin zu schlagen", ereiferte sie sich prompt.

"Na ja, so aehnlich war es aber. Und das Ergebnis sehen wir jetzt."

"Thomas, ich bitte dich!". Frau Schroeder war nun ernsthaft gekraenkt. "In der heutigen Zeit kann man Probleme nicht mehr mit Schlaegen loesen. Wir muessen ..."

"Amen!", stoehnte Herr Schroeder. "Die Litanei kenne ich schon in- und auswendig. Bei mir hat ein anstaendiger Arschvoll immer geholfen. Warum sollte das heute auf einmal nicht mehr funktionieren? Lass dich doch von dieser Scheiss-Political-Correctness-Kampagne nicht so vereinnahmen!"

"Thomas, jetzt gehst du aber zu weit! Wir sollten das wirklich zuhause weiter diskutieren."

"Nein, das sollten wir nicht, mein Schatz! Ich hab' die Schnauze voll von all dem pseudo-paedagogischen Quark, der ueberall bis zum Erbrechen verbreitet wird. Mir reicht's. Ich werde unserem Herrn Sohn heute eine richtige, schoene, altmodische Tracht Pruegel verabreichen, und dann werden wir ja sehen, ob du mit deinem kleinen Liebling zum Psychiater rennen musst oder ob er auf einmal wieder so spurt, wie es sich fuer einen Zwoelfjaehrigen verdammt noch mal gehoert."

"Er ist fast dreizehn", warf Frau Schroeder ein.

"Ob nun zwoelf oder dreizehn ist doch voellig piepenhagen. Er ist ueberreif fuer eine saftige Abreibung, und die kriegt er auch. Und zwar jetzt gleich! Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende."

4 Kevin raekelte sich auf der Couch und blickte auf seine Uhr. "Schon fast halb sieben", sagte er, "in 'ner Viertelstunde muss ich los."

"Kannst du nicht zum Abendbrot hier bleiben?", fagte Marco enttaeuscht. "Wie wollen doch noch den Film zu Ende sehen, und nachher gibt's 'Big Brother'. Waer doch geil, wenn wir das zusammen gucken koennten."

"Ach, ich weiss nicht, ich trau' mich nicht, anzurufen und zu fragen."

"Wieso?"

"Na, wegen dem Brief von Frau Senkbusch. Vielleicht ist es heute besser, wenn ich zum Abendessen puenktlich zuhause bin. Der liebe, brave Sohn, kapiert?"

Marco grinste. "Ganz schoen raffiniert. Aber ob's dir helfen wird, wenn der Papi richtig boese ist?"

Sein Freund winkte ab: "So richtig boese kann der liebe Papi gar nicht werden. Das verhindert dann schon meine Mutter. Die mag es gar nicht, wenn mein Vater uns anschreit oder so. Sie findet, dass man mit uns vernuenftig reden muss. Wie mit Erwachsenen sozusagen."

"Beneidenswert", seufzte Marco.

"Finde ich gar nicht. Ich waer froh, wenn meine Eltern mich mal so richtig auszaehlen wuerden, und danach waer' die Sache dann auch erledigt. Meistens schleichen sie aber tagelang bedrueckt durch die Wohnung, wenn irgendwas ist, und ich hab' dann ein tierisch schlechtes Gewissen. Das macht keinen Spass, glaub's mir, Alter!"

"Hm."

"Wie ist es denn bei euch?", fragte Kevin. "Ist dein Vater streng?"

"Na ja, was heisst streng. Aber ich hab' schon Schiss vor ihm, wenn ich was ausgefressen habe."

"Wieso? Haut er dich?"

Marco merkte, wie er rot wurde. "Ist jedenfalls schon lange her. Aber wer weiss, wenn ich mal richtig Scheisse bauen wuerde ..."

"Wie lange?"

Marco ueberlegte. "Na ja, damals, als ich die CD geklaut hatte."

Kevin knuffte seinen Freund in die Seite. "Da hat er dir welche geknallt? Du hast mir doch damals erzaehlt, da waer' nix gewesen. Nur 'ne Woche Fernsehverbot oder so was."

Unruhig rutschte Marco auf seinem Platz herum. Er ueberlegte krampfhaft, ob er Kevin die volle Wahrheit sagen sollte. Nein, lieber doch nicht, die war ihm einfach zu peinlich.

5 Nach Thomas Schroeders Ankuendigung sassen die anderen erst einmal wie vom Donner geruehrt da.

"Entschuldigung, aber was meinen Sie mit 'jetzt gleich' ?", fragte Frau Woltmann schliesslich.

Herr Schroeder wirkte fest entschlossen: Sich an Joerg Woltmann wendend, sagte er: "Ich schlage vor, wir zitieren die beiden Rotzloeffel jetzt gleich nach unten und verpassen ihnen hier im Wohnzimmer ihre faellige Abreibung."

Waehrend die beiden Frauen eher schockiert wirkten, schaltete Herr Woltmann schnell: "Das klingt gut, Herr Schroeder. Dann haben wir es hinter uns und die Jungs auch."

"Und als zusaetzliche Strafe rege ich an, die beiden voneinander zu trennen", fuehrte Herr Schroeder weiter aus, "und zwar nach dem Motto: 'Ausserhalb der Schule fuer vier Wochen kein weiterer Kontakt'. Keine gemeinsame Freizeit, keine gemeinsamen Hausaufgaben, gar nichts, niente. Das wird ihnen mindestens genau so weh tun wie der Arschvoll."

"Aber Thomas, ist so eine Doppelbestrafung nicht zu hart?", schaltete sich Jutta Schroeder ein.

"Nein, ist es nicht", beharrte ihr Mann auf seinem Vorschlag. "Das werden sie sich naemlich wirklich merken. Noch haben wir die Chance, lenkend auf sie einzuwirken. Bald ist es dafuer zu spaet."

"Na dann in Gottes Namen", gab sich Frau Schroeder geschlagen. "Du laesst dich ja offenbar nicht davon abbringen."

"Wir koennten ja so lange in die Kueche gehen und ein gemeinsames Abendessen vorbereiten", schlug Marlies Woltmann vor, "dann muessten Sie das Ganze nicht mit ansehen."

"Das ist eine gute Idee", sagte Frau Schroeder seufzend.

Joerg Woltmann erhob sich von seinem Platz. "Dann werde ich mir mal einen Kochloeffel holen", sagte er und wandte sich an Thomas Schroeder: "Wollen Sie auch einen?".

"Nein, danke", antwortete Herr Schroeder, "meine Handwerkerhand ist kraeftig genug, um einen bleibenden Eindruck auf Kevins vier Buchstaben zu hinterlassen."

6 "Viertel vor sieben. Ich werde jetzt nach Hause gehen", verkuendete Kevin und stand auf.

"Och, Scheisse", maulte sein Freund, "nun ruf doch zuhause an und frag', ob du hier bleiben darfst."

"Noeoe, lieber nicht. Morgen vielleicht. Erst mal sehen, was sie aus der Sache mit Frau Senkbusch machen."

"Okay, okay", sagte Marco beschwichtigend und schaltete den Videorecorder aus, "ich bring' dich noch zur Tuer."

Kevin zog seine Sportschuhe an, dann verliessen die beiden Freunde das Zimmer und gingen die Treppe hinunter.

"Marco, Kevin, kommt doch bitte mal ins Wohnzimmer", ertoente die Stimme von Marcos Vater.

"Was'n jetzt los?", murmelte Kevin verwundert.

Als sie durch die angelehnte Wohnzimmertuer gegangen waren, erstarrten die beiden Jungen synchron zu Salzsaeulen. Da standen sie in ihren Trikots und kurzen Sporthosen und verstanden gar nichts mehr.

"M..Mama, Papa, was macht ihr denn hier?", fragte Kevin voellig konsterniert.

Bisher hatten sich die Eltern der beiden nur von Schulveranstaltungen her gekannt, waren aber noch nie in der jeweils anderen Wohnung gewesen.

Marlies Woltmann und Jutta Schroeder standen auf. "Wir ziehen uns dann in die Kueche zurueck", sagte Frau Woltmann. Die beiden Frauen gingen mit ernsten Gesichtsausdruecken an ihren Soehnen vorbei und verschwanden.

"Setzt euch da hin", wies Herr Woltmann die Jungen an.

Thomas Schroeder ergriff das Wort: "Wir haben hier heute zusammen gesessen, um ueber die unangenehmen Briefe eurer bedauernswerten Lehrerin zu reden. Und wir sind zu einem Beschluss gekommen. Ihr werdet euch vier Wochen lang nur in der Schule sehen. Darueberhinaus laeuft nichts."

Herr Schroeder machte eine Pause, um das Gesagte wirken zu lassen. Die beiden Jungen sassen stumm da und blickten auf den leicht gesprenkelten Teppichboden.

"Weiterhin werdet ihr euch zukuenftig in der Klasse und vor allen Dingen Frau Senkbusch gegenueber wie zwei wohlerzogene, brave Jungs verhalten. Ist das klar?"

Zweimal angedeutetes Nicken.

"Ob das klar ist, habe ich gefragt!"

Zweimal leises "Ja."

"Ausserdem werdet ihr in naechster Zeit in der Schule so fleissig und aufmerksam sein, dass sich eure Noten in bestimmten Faechern schlagartig verbessern. Ist das klar?"

Zweimal etwas deutlicheres "Ja."

"Viertens werden wir uns in naechster Zeit eure Hausaufgaben ansehen und sie kontrollieren. Und wehe euch, ihr verschweigt uns bestimmte Aufgaben, die ihr aufbekommen habt. Ist das klar?"

Kevin wollte etwas sagen.

"Ich will keinen Kommentar hoeren, Kevin", sagte sein Vater.

"Aber ..."

"Kein 'Aber'. Ich bin noch nicht fertig. Fuenftens werdet ihr euch kuenftig zuhause wie die Engel auffuehren. Das heisst, keine frechen Bemerkungen zu uns oder euren Muettern, kein gereiztes Rummaulen, wenn ihr mal ein paar Handgriffe im Haushalt tun oder abends ins Bett gehen sollt. Fernsehen und PC sind okay, wenn ihr es nicht uebertreibt, aber das kann sich jederzeit radikal aendern. Ist das klar?"

Den Gesichtern der Jungen war abzulesen, wie es in ihren Koepfen arbeitete.

"Ob das klar ist, habe ich gefragt!"

Zweimal klaegliches "Ja."

Nun uebernahm Joerg Woltmann wieder das Ruder. "Und damit ihr auch merkt, dass wir das alles mehr als ernst meinen, werdet ihr hier und jetzt beide einen anstaendigen Hinternvoll bekommen. Steht auf!"

Zunaechst nur verbluefft, doch schliesslich entsetzt starrten die Jungen ihre Vaeter an.

"Das ist kein Spass. Aufstehen!", befahl Herr Woltmann erneut und griff nach dem Kochloeffel, den er auf der unteren Ablage des Couchtisches bereitgelegt hatte.

"Nein, bitte nicht, Papa!!", schrie Marco, als er das wohlbekannte Zuechtigungsinstrument sah, sprang von seinem Sessel auf und versuchte rennend, die Tuer zu erreichen. Herr Woltmann war ein passionierter Jogger und hatte keinerlei Probleme, seinem Filius den Weg abzuschneiden und ihn an seinem HSV-Trikot zurueckzuhalten. Mit voller Wucht liess er den Kochloeffel ein paar Mal auf Marcos blosse Oberschenkel sausen.

"Auuuuaaaaa!!", bruellte der schlanke Junge und versuchte, sich loszureissen, doch sein Vater war viel kraeftiger als er. An einem Ohr schleifte er seinen verzweifelt widerstrebenden Sohn bis zu dem Sessel, auf dem Marco eben noch gesessen hatte, und schubste das heulende Kerlchen baeuchlings ueber die Rueckenlehne.

Mittlerweile hatte sich Herr Schroeder bereits um Kevin gekuemmert. Der Installatuermeister schnappte sich seinen immer noch wie in Trance auf seinem Sessel verharrenden Sohn, nahm ihn einfach unter unter die linke Achsel und begann mit der rechten Hand, das kurzbehoste Hinterteil des bisher kaum reagierenden Jungen mit heftigen Schlaegen einzudecken. Kevin heulte auf und begann nun endlich zu zappeln, doch das nuetzte ihm ueberhaupt nichts. Sein Vater war viel staerker als er.

Joerg Woltmann hatte Marco inzwischen in der richtigen Position ueber der Sessellehne und riss dem Jungen mit einer Bewegung die Turnhose mitsamt dem kurzen, weissen Slip vom Hintern bis hinunter zu den Waden.

"Nein, Papa, bitte, bitte, nicht!!", bruellte Marco wie von Sinnen, doch Herr Woltmann liess sich nicht beirren. Er schob das weisse Sporthemd des Jungen ueber die untere Rueckenpartie bis fast zu den Schultern und liess dann den kraeftigen Schaft des Kochloeffels schnell und scheinbar wahllos auf die unbehaarten, schmalen Hinterbacken niederzischen. Das laute Klatschen von Holz auf nackter Haut vermengte sich mit dem Heulen und Bruellen des Zwoelfjaehrigen. "Dir wird' ich helfen, mein Freundchen!", verkuendete sein Vater energisch.

Herr Schroeder nahm sich die Aktion von Herrn Woltmann zum Vorbild und zog Kevin nun ebenfalls die Hosen herunter. Dies fuehrte zu einer nochmaligen Zunahme der sinnlosen Lufttritte des sich verzweifelt windenden Jungen.

In den naechsten paar Minuten war das Wohnzimmer von einer trommelfellerschuetternden Mischung aus Schlaegen, Keuchen, Schreien, Bruellen, Heulen, Bitten und Flehen erfuellt, waehrend im Hintergrund gelegentlich immer noch Joe _c_o_c_k_ers Gesang zu vernehmen war. Marco und erst recht Kevin bekamen an diesem Mittwochabend gegen sieben Uhr den bisher schlimmsten Hinternvoll ihres Lebens.

"Auuuuaaaaa!" KLATSCH! KLATSCH! KLATSCH! "Aaaauuuuuaaaaa, Papa, bittebittebitte!!!" KLATSCH! KLATSCH! KLATSCH! "Neiiiin, auuuuuaaaaaa, aauuuaaaa, bitte nicht, auuuuuu!!!" KLATSCH! KLATSCH! KLATSCH! "Das tut so weh, auuuuuuuuuuaaaaaaa, nein, bittebittebitte, Papa, Papa, aaaauuuuuuaaaaaa, auuuuuuuaaaaaa!!!!!!" KLATSCH! KLATSCH! KLATSCH!

Die wuetenden Vaeter machten keine halben Sachen. Nach ziemlich kurzer Zeit waren die Pobacken der beiden Missetaeter bereits knallrot eingefaerbt, und auch die Oberschenkel bekamen ihren Anteil an den Hieben ab. Doch es ging immer weiter. Diese Lektion sollten die Jungen niemals vergessen.

Irgendwann endlich lockerte Herr Schroeder seinen festen Klammergriff und liess Kevin einfach fallen. Der flennende Bengel wand sich auf dem Teppichboden hin und her, waehrend er sein gepruegeltes Hinterteil mit beiden Haenden umfasst hielt. Rotz lief aus der Nase, und Traenen schossen aus den rotgeweinten Augen. Weitere zehn bis fuenfzehn Hiebe mit dem Kochloeffel spaeter liess auch Herr Woltmann von seinem Sohn ab und setzte sich schweissueberstroemt in das Ledersofa. Marco hing noch minutenlang ueber der Sessellehne und heulte zum Steinerweichen.

Thomas Schroeder setzte sich neben Joerg Woltmann und sagte schwer atmend: "So, jetzt fuehle ich mich besser!"

7 "Ich glaube, es ist vorbei!". Jutta Schroeder war sichtlich erleichtert. "Das klang ja furchtbar. Fast waere ich ins Wohnzimmer gerannt und haette meinen Kevin gerettet."

"Ach, wissen Sie, so ein richtiger Junge haelt einiges aus", sagte Frau Woltmann laechelnd. "Ein richtiges Maedchen uebrigens auch, das weiss ich aus schmerzvoller Erfahrung!"

"Haben Sie als Kind oft Schlaege bekommen?", fragte Frau Schroeder teilnahmsvoll.

"O ja, das kann man so sagen. Wir lebten in einem kleinen Dorf. Mein Vater war Schmied und hatte eine sehr kraeftige Handschrift. Bei drei lebhaften Jungs und zwei ziemlich frechen Maedchen war das wohl auch noetig. Ich hab' so manche Tracht mit dem Lederguertel bezogen, wie alle anderen auch. Die letzte noch mit Sechzehn."

"Nein, wirklich? Wofuer denn das, um Himmels Willen?"

"Ganz einfach: Nach der Disco sollte ich um Mitternacht zuhause sein, ich kam aber erst um halb zwei, leicht angesaeuselt. Da kannte mein Vater kein Pardon. Jeans und Schluepfer kamen runter, und dann gab's 'Langen Hafer', wie man bei uns sagte."

"Schrecklich. Ich hab' nur ein- oder zweimal was von meiner Mutter hintendrauf bekommen. Tat kaum weh, habe ich mir aber trotzdem gemerkt."

"Tja, in den Siebzigern war bei uns noch alles viel selbstverstaendlicher. Ich kann mich an keinen Jungen und kaum ein Maedchen aus dem Dorf erinnern, das zuhause nicht den Hintern voll bekam." "Aber heute ist das eben anders, und ich finde es gut so. Auch wenn ich, unter uns gesagt zugeben muss, dass bei Kevin wohl wirklich mal eine etwas haertere Gangart notwendig war. Ich hoffe nur, dass er auch daraus lernt."

"Verlassen Sie sich drauf, Frau Schroeder. Ich kenne mich da aus der Erziehung von Marco sehr gut aus. Ein Hinternvoll wirkt immer Wunder. Allerdings nur dann, wenn man dieses Mittel nicht zur staendigen Einrichtung macht. Bei uns war's frueher tatsaechlich ein bisschen zu oft. Wir waren nachher schon richtig abgehaertet."

"Und nun wollen wir die beiden Jungs auch noch fuer eine ganze Zeit voneinander trennen. Ich finde das zu hart, aber mein Mann hat sich diesmal durchgesetzt."

"Sie wissen doch", sagte Marlies Woltmann laechelnd und zeigte auf den Salat, den sie gerade zubereitet hatte, "Trennkost kann manchmal sehr gesund sein!"


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