Zwei Söhne


by Erzähler <Erzhel@gmx.de>

Zwei Soehne Teil 1 + 2

by Erzaehler mailto:erzhel@gmx. de

Nachdem ich lange nur Leser im MMSA Stories-Archiv war, habe ich mich jetzt doch entschlossen, selbst etwas zu veroeffentlichen. Wer jedoch hier zeilenlang "Patsch, Flatsch, Crack" oder aehnliches erwartet, sollte es sich ersparen diese Geschichte herunterzuladen. Natuerlich enthaelt die Geschichte auch Abschnitte, wo die Zuechtigung von Jungen beschrieben wird, aber im Vordergrund steht die Geschichte selbst.

Auch ich muss hier darauf aufmerksam machen, dass auf Grund der Gesetze, dieses Maerchen nur fuer Erwachsene bestimmt ist. Ich freue mich ueber jede Anregung und positive, aber auch kritische Bemerkungen. Ohne die Zustimmung des Autors darf die Geschichte nicht an anderen Stellen veroeffentlicht werden.

1.Wie Alles begann

Das Kanu raste mit unvorstellbarer Geschwindigkeit den Wasserfall hinunter. Am Ende spritzte die Gischt hoch und regnete auf die drei Insassen hinab. Am Bootssteg stieg Herr Aster als erster hinaus und reichte dann dem 12 ½ jaehrigen Thimmy die Hand. Der gerade 14 Jahre alt gewordene Micha stieg als letzter aus.

Richard Aster nahm ein Taschentuch und wischte sich das Wasser und den "Angstschweiss' vom Gesicht. "Puh, dass habe ich ueberstanden. Das war dann wohl die letzte Aktion, zu der ihr mich heute ueberreden konntet. Wir haben jetzt aber tatsaechlich alles gesehen und muessen jetzt auch nach Hause", sagte er zu seinen zwei Pflegesoehnen.

Die beiden lachten, hakten sich bei ihrem geliebten Vati an die Arme und die drei schlenderten langsam auf den Ausgang des Freizeitparks zu. Thimmy und Micha waren richtig stolz auf ihren Vati. Sie hatten beobachtet, dass die meisten Eltern zwar ihre Kinder alles mitmachen liessen, aber selbst gingen sie dann in eines der zahlreichen Cafes oder Restaurants. Aber ihr Vati war immer bei ihnen geblieben und hatte alles mitgemacht. Manchmal zwar nicht so ganz freiwillig, aber er hatte sich immer wieder ueberreden lassen. Es war ein toller Tag gewesen, wenn es auch, nicht nur fuer Herrn Aster, ganz schoen anstrengend war.

Zwischenzeitlich hatte sie ein Bus zum Bahnhof gebracht, und im Zug hatten sie gerade noch 3 Plaetze in einer Reihe gefunden. Herr Aster liess sich erschoepft in den Sitz fallen und stellte diesen in eine gemuetliche Position ein. Auch seine beiden Jungs waren ganz schoen geschafft, obwohl sie dieses nie zugeben wuerden. Es dauerte nicht sehr lange, da war Herr Aster auch schon eingeschlafen. Seine beiden Jungs, die recht und links neben ihm sassen, schauten sich grinsend an. Da hatten sie ihren Vati aber ganz schoen geschafft. Aber kurze Zeit spaeter waren auch sie eingeschlafen.

Kurze Zeit spaeter kam der Zugbegleiter, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Als er das schlummernde Trio sah, unterdrueckte er schnell seine Frage nach den Fahrkarten. Warum sollte er jetzt denn stoeren, wo die drei offensichtlich gluecklich traeumten, wie er an den Gesichtern ablesen konnte? 'Vielleicht ist ja spaeter einer von euch wach', dachte er und machte mit seiner Kontrolle weiter. Der Zugbegleiter hatte recht:

Thimmy und Micha traeumten nicht nur von dem vergangenem, schoenem Tag. Viele Erinnerungen an ihren geliebten "Ersatz-Vati' tauchten auf, mit dem sie seit einem viertel Jahr allein waren. Zu dem Zeitpunkt war ihre "Ersatzmutti' durch einen Unfall ums Leben gekommen. Sie waren immer noch sehr traurig, wenn sie daran zurueckdachten. Aber ihr Vati hatte sie immer wieder getroestet, aber auch gesagt, sie duerften ruhig traurig sein, wenn sie daran zurueckdenken wuerden, aber sie sollten doch auch an schoene Dinge in der Gegenwart und Zukunft denken.

Sie hatten dann ihren "Drei-Maenner-Haushalt" neu organisiert, was ihnen auch gut gelungen war. Die zwei Traeumer hingen sehr an ihrem Vati, der im wahrsten Sinne des Wortes, immer fuer sie da war, da er seine Arbeit von zu Hause aus machte.

Mit Vati konnten sie wirklich ueber alle ihre grossen und kleinen Probleme reden. Thimmy, zum Beispiel, konnte mit ihm ganz offen ueber seine erwachende _s_e_x_ualitaet reden, und Micha auch schon ueber seinen ersten kleinen Liebeskummer. Vati nahm sich immer sehr viel Zeit, wenn sie mit ihren Sorgen zu ihm kamen, und hatte auch immer einen Rat. Nie sagte er: "Ich habe keine Zeit", oder bezeichnete ihre Fragen als Kinderkram und wischte sie mit einer veraechtlichen Handbewegung weg.

Sie hatten natuerlich auch gemeinsam Regeln fuer ihr Zusammenleben festgelegt. Aber da Vati ihnen die Gebote und Verbote genau erklaerte, verstanden die beiden auch, warum sie Dieses tun mussten, aber etwas Anderes nicht tun durften. Somit hatte es in der gemeinsamen Zeit noch keine groesseren Schwierigkeiten gegeben. Natuerlich waren sie keine Engel und hatten auch schon den ein oder anderen Streich gespielt, oder die ein oder andere Regel nicht eingehalten. Aber wenn Vati dann Strafen verhaengte, sahen sie auch ein, warum er sie bestrafte. Keiner der beiden konnte sich erinnern, jemals das Gefuehl gehabt zu haben, ungerecht bestraft worden zu sein.

Die Strafen waren meist, zusaetzliche Hausarbeit oder Hausarrest. Schlimm war es, wie es jeder von ihnen schon einmal erlebt hatte, wenn Vati sie noch mit verschaerftem Hausarrest bestrafte. Das bedeutete dann, dass sie an diesen Tagen kein Fernsehen durften, und was noch schlimmer war, sie durften dann auch den Computer nicht benutzen, den sie beide zur gemeinsamen Benutzung geschenkt bekommen hatten. Und Vati konnten sie auch nicht hinters Licht fuehren. Genau so, wie er sonst immer fuer sie da war, war er auch dann, leider immer da und ueberwachte die Einhaltung der Strafen sehr genau.

An dieser Stelle erschrak Thimmy wie ein ertappter "Suender' und wachte auf. Nachdem er sich an die Wirklichkeit gewoehnt hatte, stellte er fest, dass er nicht bei Irgendetwas ertappt worden war, sondern, dass er ganz einfach zur Toilette musste. Da er an der Seite neben dem Mittelgang sass, war ihm das auch moeglich, ohne ueber die anderen beiden heruebersteigen zu muessen. Als er zurueckging, kam ihm von der anderen Seite der Zugbegleiter entgegen, der seine Kontrolle beendet hatte, und jetzt wieder in den hinteren Teil des Zuges wollte.

Thimmy legte den Zeigefinger auf die Lippen und deutete auf die anderen beiden Traeumer. Der Kontrolleur nickte und Thimmy zog vorsichtig die Tickets aus der Jackentasche seines Vatis, die dieser zum Glueck auf einen Haken, zu Thimmys Seite hin, gehaengt hatte. Thimmy reichte dem Zugbegleiter die Tickets.

Dieser entwertete sie, strich Thimmy ueber das rotbraun, gelockte Haar und sagte: "Dann schlaf du auch mal ruhig weiter, denn ihr habt ja noch eine ganz schoen lange Fahrt vor euch. Und keine Angst", fuegte er schmunzelnd hinzu, "ich weiss ja jetzt wie weit ihr fahrt, und wecke euch rechtzeitig."

Thimmy war gar nicht mehr so muede und somit beschaeftigte er sich damit, zu erraten, was sein Bruder und sein Vati wohl traeumten. Er kam nicht mehr dazu sein Ratespiel zu beenden, denn der Zug fuhr in einen Bahnhof ein.

Viele Reisende stiegen ein, aber fuer nur wenige Leute war hier die Reise beendet. Es entstand eine allgemeine Unruhe und Thimmy hatte Angst, dass sein Bruder und sein Vati dadurch geweckt wuerden. Er hoerte hinter sich die Stimme des freundlichen Zugbegleiters und konnte einige Worte aufschnappen: "Messe zu Ende; Platzreservierung; tut mir leid;"

Thimmy drehte sich herum und sah wie der Zugbegleiter mit einem aelteren Ehepaar in der Mitte des Ganges stand. Der aeltere Herr hatte sich schon erschoepft auf einen seiner grossen Koffer gesetzt und die Frau schaute immer wieder durch die Reihen nach einem freien Platz.

Thimmy stand auf, beugte sich ganz vorsichtig ueber seinen Vati und gab seinen Bruder einen leichten Stoss. Im gleichen Moment wo Micha die Augen aufschlug, legte Thimmy seinen Zeigefinger auf seine Lippen und deutete auf Vati. Micha kapierte, und Thimmy fluesterte ihm leise zu:

"Micha, da sind zwei, die haben keinen Sitzplatz." Damit deutete Thimmy auf das aeltere Ehepaar.

Micha hatte schon verstanden, stand auf und stieg vorsichtig, ohne seinen Vati zu wecken, ueber dessen Beine. Sie gingen zu den zwei aelteren Reisenden und Thimmy sagte: "Sie koennen sich gerne davorn hinsetzen, aber unser Vati schlaeft."

Etwas erstaunt drehten sich die beiden herum, und als sie sich, wohl vor Erstaunen, nicht ruehrten, sagte Micha jetzt, indem er auf die Koffer zeigte: "Darf ich ihnen die da oben hineinlegen?" Der Mann nickte nur, brachte aber vor Erstaunen kein Wort heraus.

Dann aber stand der Mann auf und gemeinsam verstauten sie das Gepaeck. Seine Frau war schon vorsichtig zu dem Fensterplatz neben Herrn Aster gegangen und hatte sich erschoepft hingesetzt. Nachdem das Gepaeck untergebracht war, setzte sich auch der Herr auf die andere Seite von Herrn Aster.

Alles war so ruhig gegangen, dass der erschoepfte Vater von Micha und Thimmy nicht aufgewacht war. Genau wie seine Frau, war der aeltere Herr ueber die Hoeflichkeit der beiden Jungen zu verwirrt gewesen, so dass er ganz vergessen hatte, sich zu bedanken. Jetzt waren sie schon verschwunden. "Aber sie muessen ja nochmal wiederkommen", dachte er.

Herr Aster hatte unterdessen eine Traumreise in die Vergangenheit gemacht. Jetzt war er bei dem Zeitpunkt angelangt, wo er Thimmy und Micha kennengelernt hatte.

Vor fast genau 6 Monaten hatte er an einem Nachmittag diesen kurzen Spaziergang durch einen nahegelegenen Park gemacht, der sein Leben veraenderte.

Zuerst hoerte er Geraeusche, die er nicht genau definieren konnte. Als diese dann unterbrochen wurden von Schmerzensschreien lief er in die Richtung der Aufschreie. Dann bog er um eine Ecke und sah zum erstenmal Thimmy und Micha. Der kleinere der Jungen (Thimmy) lag schon am Boden und schrie wieder vor Schmerz auf, als ihm einer von 2 aelteren Burschen, gerade in diesem Moment, in den unteren Bauch trat. Begleitet wurde der Tritt mit den Worten: "Haltet euch demnaechst aus das heraus, was wir machen, ihr schmutzigen Assis."

Der Bursche der dieses gesagt hatte war ca. 17 Jahre alt und wandte sich jetzt seinem Kumpel zu, der ca. 1 Jahr juenger war. Dieser hatte erhebliche Muehe um einen anderen, etwas groesseren Jungen (Micha), wie den am Boden liegenden, niederzuringen. Bevor er aber seinem Kumpel helfen konnte, schrie Herr Aster dazwischen: "Sofort aufhoeoeoeoeren!"

Die beiden aelteren Burschen zuckten zusammen, drehten sich zu Herrn Aster um, und liefen so schnell davon, als sei der Teufel hinter ihnen her. Dieses aber wohl nicht, weil Herr Aster eine so athletische Figur hatte und so furchterregend aussah, sondern wohl eher, weil sie hofften, er wuerde sie nicht erkennen. Herr Aster hatte sie aber deutlich erkannt, und er rannte jetzt zuerst einmal zu dem am Boden liegenden Thimmy. Die beiden Burschen hatten ihn fuerchterlich zusammengeschlagen und er konnte nicht aufstehen. Jetzt kam auch Micha angehumpelt. Er hatte auch einiges einstecken muessen, konnte aber gehen. Er kniete sich zu Thimmy hinunter und weinte: "Oh, Thimmy, was hat der mit dir gemacht?" Mehr bekam er nicht heraus.

Herr Aster schaltete sofort; Handy hatte er nicht dabei; und eine Telefonzelle war weiter weg als sein Haus: Also hob er Thimmy vorsichtig auf und sagte zu Micha:"Kannst du noch ein paar Meter laufen?" Dieser nickte nur.

"Wenn wir da vorne durch die Gaerten gehen, sind wir sofort bei mir zu Hause. Die Nachbarn sehen es zwar nicht so gerne, wenn man die Abkuerzung nimmt, aber dieses hier ist ein Notfall", ergaenzte Herr Aster.

Micha hatte sich schon wieder unter Kontrolle und sagte: "Koennen wir die dort mitnehmen, dadurch ist naemlich alles gekommen." Er zeigte mit seiner Hand auf ein, an einen Baum gebundenes, Kaetzchen. Herr Aster verstand zwar nicht, aber nickte.

Schon weit, bevor sie den Hintereingang von Herrn Asters Haus erreicht hatten, rief dieser laut: "Linda, Linda komm schnell!" Herrn Asters Frau kam ihnen entgegengelaufen und erkannte sofort, was zu machen war. Bevor sie eine Halbtagsstelle bei einem Arzt angenommen hatte, war sie jahrelang leitende Schwester in einer Unfallstation eines Krankenhauses gewesen.

Sie stellte auch gar keine Fragen, sondern uebernahm sofort das Kommando: "Bring ihn am besten in die Kueche, da haben wir das beste Licht und hole schon die Sachen zusammen, die wir brauchen."

Sie wandte sich an Micha, der sich zwar bemuehte zu gehen und vor Schmerzen die Zaehne aufeinander biss, und sagte: "Und du stuetzt dich am besten bei mir auf, damit du dein kapputtes Bein nicht so belasten muss." Herr Aster lief dann mit Thimmy ins Haus und Linda kam mit dem humpelnden Micha hinterher.

Sie kamen gerade zu der Zeit an, als Herr Aster das Verbandszeug bereitgelegt hatte. Routiniert behandelte Linda die Wunden der beiden Kinder. Sie war ueberrascht ueber die Tapferkeit von beiden, als sie die Wunden desinfizierte. Sie hatte schon erwachsene Patienten versorgt, die dabei laut aufgeschrieen hatten. Nach einer halben Stunde lag Thimmy im Wohnzimmer der Asters auf der Couch, und Linda gab ihm einen Tee, der auch schmerzstillend war.

Sie sagte dann: "Ihr muesst aber noch von einem Arzt untersucht werden, damit wir sicher sind, dass es nicht noch unsichtbare Verletzungen gibt."

Micha sagte darauf: "Morgen ist ja Freitag, da kann das unser Doc ja erledigen."

Linda horchte auf und fragte: "Ist das Doktor Rember?"

Micha nickte. "Dann seit ihr zwei aus dem Martinshaus?"

Micha sah Linda etwas verstoert an und fragte: "Aber wieso wissen sie das denn?"

Linda erklaerte: "Ich bin Helferin bei Doktor Rember, und da er Freitagsmorgens immer eine Visite dort macht, ist doch wohl alles klar".

Micha nickte grimmig und sagte: "Ja, wir sind aus dem bloeden Heim, und wenn so was ist, wie heute, sind wir auch immer die Anstifter und haben immer schuld." Er schlug mit der Faust auf den Sessel und sagte: "Ja wir, wir die Assis, bekommen doch sowieso immer die Schuld."

Herr Aster kam gerade mit einer Limo fuer Micha, der keinen Tee mochte, und einem Bier fuer sich und Linda herein. Er fasste Micha auf die Schulter und sagte: "Nun beruhige dich mal. Am besten ist, du erzaehlst uns ganz genau was vorgefallen ist."

Micha spuerte, wie ihm ein seltsames Gefuehl ueberkam. Diese warme, beruhigende Hand auf seiner Schulter und der sanfte Ton, mit dem Herr Aster gesprochen hatte. Das hatte er noch nie gespuert. In den Heimen war es immer so kalt und rau. Sie hatten zwar genuegend Kleidung, einen Platz zum Schlafen und genuegend zu Essen, aber dieses... , war ganz anders. Und der Mann verurteilte sie nicht sofort, nur weil sie aus dem Heim kamen?

Erstaunt und stockend erzaehlte er dann: "Thimmy," er zeigte auf seinen Bruder, der schon eingeschlafen war, "und ich...; Ich heisse uebrigens Michael, aber alle nennen mich Micha; Jedenfalls, wir beide haben im Park gespielt und da haben wir ein fuerchterliches Miauen... Mensch, die Katze, wo ist sie?"

Linda beruhigte ihn: "Sie ist in der Kueche und hat schon ihre erste Portion Milch bekommen. Ich mache dir folgenden Vorschlag: Du gehst in die Kueche und ueberzeugst dich davon, dass es dem Kaetzchen gut geht. Und wir beide, Richard, tragen Thimmy ins Bett, dann brauchen wir uns gleich nicht so leise verhalten."

Micha sah Frau Aster erstaunt an: "Ins Bett, aber wir... ."

Frau Aster winkte ab: "Ich weiss, ihr muesstet ins Heim zurueck. Aber Thimmy schlaeft jetzt so schoen, und da kann ich es aus medizinischen Gruenden nicht vertreten, dass er geweckt wird", sagte sie verschmitzt, und ergaenzte schmunzelnd: "Und ein "Liegendtransport' ins Heim wird zu teuer. Also, wenn du auch einverstanden bist, bleibt ihr beide erst mal bis morgen hier. Du musst ja auch hierbleiben, damit Thimmy nicht so allein ist."

Linda war inzwischen aufgestanden und streichelte Micha ueber die pechschwarzen Haare. Wieder durchflutete Micha dieses sonderbare, aber schoene Gefuehl, dass er bisher noch nicht kannte. "Aber...," setzte er noch mal an.

Frau Aster unterbrach ihn: "Wenn du auch die Nacht hier bleiben moechtest, regeln wir schon den Rest. Mein Mann kennt Herrn Kuhland, euren Heimleiter sehr gut. Er ruft ihn an und erklaert die Angelegenheit. Es liegt bei dir, ob ihr die Nacht hier bleiben moechtet."

Micha konnte sein Glueck gar nicht fassen. Eine Nacht mal nicht im Heim schlafen muessen, wie oft hatte er davon getraeumt. Und wenn es auch nur eine Nacht war, in einer richtigen Familie. Zudem noch wo die beiden so nett waren und dieses seltsame Gefuehl erzeugten, wenn sie ihn beruehrten. Er wollte schon vor Freude losjubeln, dachte aber im letzten Augenblick an seinen schlafenden Bruder.

Deshalb sagte er leise: "Wenn wir wirklich,... tatsaechlich hier... , hier bleiben duerfen, bleiben wir gerne. Ich denke, dass kann ich auch fuer Thimmy sagen. Aber geht das...?"

Herr Aster unterbrach ihn jetzt: "Lass mal deine "Aber' unsere Sorge sein, wir regeln schon alles."

Micha strahlte ueber das ganze Gesicht und sagte nur noch: "Danke, vielen Dank."

Frau Aster nutzte die Unterbrechung um ein paar Schnittchen zu machen. Zwanzig Minuten spaeter sassen die restlichen drei wieder im Wohnzimmer, diesmal sass Micha neben Herrn Aster auf der Couch. Dieser hatte neben dem Bett im Gaestezimmer, wo Thimmy war, ein Telefon mit Babyphonfunktion gestellt. Wenn Thimmy also aufwachen wuerde, waere es im Wohnzimmer zu hoeren.

Er war etwas erbost ins Wohnzimmer zurueckgekehrt. Sogar der Heimleiter Kuhland hatte Vorurteile gehabt und beschuldigte sofort seine Heimkinder. Herr Aster hatte ihm ein paar sehr deutliche Worte gesagt, worauf Herr Kuhland beschaemt eingestand, dass er wohl doch mit seinen Anschuldigungen zu vorlaut war. Gegen die von Herrn Aster vorgeschlagene Regelung, wegen der Übernachtung, hatte er dann auch keine Einwaende gehabt.

Nachdem auch Micha die, liebevoll, sogar noch schnell dekorierten, Schnittchen mit Appetit gegessen hatte setzte er seinen Bericht fort: "Also, wir haben das Miauen gehoert und sind naeher in diese Richtung gegangen. Wir sahen dann die beiden, mit denen wir uns gepruegelt haben. Sie hatten irgendwelchen Schnaps, den sie immer wieder tranken und wir hoerten, wie einer sagte: "Was meinst du wie schnell die gleich laeuft?' Dann sahen wir das Kaetzchen, dass so fuerchterlich miaute.

Sie hatten ihm Zeitungspapier um den Schwanz gebunden, und der groessere sagte: "Gib mal den Spiritus rueber'. Wir wussten noch nicht genau was das alles sollte. Dann goss der Grosse wohl diesen Spiritus ueber die Zeitung am Schwanz von dem Kaetzchen und sagte: "So, jetzt brauchen wir nur noch die Rakete anzuzuenden'! Dann hat er das Papier angezuendet. Wir sind dann dazwischen gegangen, bevor der eine das Kaetzchen losbinden konnte. Ich habe ihn zur Seite gestossen und mit meiner Jacke, die ich im Laufen schon ausgezogen hatte, habe ich die Flammen erstickt. Na, und den Rest haben sie ja gesehen."

Damit nickte Micha zu Herrn Aster und Traenen rannen ueber sein Gesicht. "Und wenn sie nicht gekommen waeren, haetten sie das Kaetzchen bestimmt noch mal angesteckt, und wir haetten nichts mehr machen koennen".

Herr Aster legte seinen Arm um den Jungen und waehrend er ihn an sich drueckte, sagte er, wobei er jede Silbe extra stark betonte: "Und waeren du und dein Bruder Thimmy nicht so mutig dazwischen gegangen, waere es doch auch geschehen. Ihr beide habt das Ganze verhindert. Aber ich verspreche euch, dass diese Lumpen dafuer bestraft werden!" fuegte Herr Aster noch grimmig hinzu.

Linda war von dem, was sie gehoert hatte, so betroffen, dass sie kein Wort sagen konnte.

Micha erzaehlte dann noch von den trostlosen Jahren in Kinderheimen. Er war 1 ½ Jahre, als Thimmy geboren wurde, der vor einer Woche 12 Jahre alt geworden war. Kurze Zeit spaeter hatten seine Eltern ihn und seinen Bruder einfach vor einem Krankenhaus abgelegt. Seine Eltern wurden nie aufgespuert, und natuerlich hatte er an sie auch keinerlei Erinnerung mehr.

Herr Aster merkte, dass auch Micha muede wurde und sagte: "Ich glaube, es waere ganz gut, wenn du jetzt auch ins Bett gehst." Micha nickte muede und Herr Aster hatte auch schnell ein "Notbett' ins Gaestezimmer neben Thimmy gestellt.

"Auf kleine Besucher waren wir nicht eingestellt", fluesterte er schmunzelnd zu Micha, der aus dem Bad zurueckkam "aber eine Nacht, wirst du auch in deiner Unterwaesche schlafen koennen."

Micha nickte und legte sich ins Bett. Herr Aster deckte ihn zu, kuesste ihn auf die Stirn und wie selbstverstaendlich sagte er: "Schlaf gut, mein Junge."

2. Das neue Zuhause

Die aeltere Dame, die neben Herrn Aster sass, betrachtete die Mimik des Traeumers und dachte: >Das muss ein gluecklicher Mensch sein.< Und so war es auch. Herr Aster war in seinem Vergangenheitstraum so vertieft, dass er nicht mitbekam, wie der Zug auch mal scharf abbremsen musste oder in Kurven die Raeder ein Quietschen erzeugten. Auch die Unruhe, die entstand, als am naechsten Bahnhof noch mehr Reisende einstiegen und verzweifelt freie Plaetze suchten, brachte ihn nicht zum Aufwachen.

Er ging in seinem Traum ins Wohnzimmer zurueck:

Linda empfing ihn mit den Worten: "Koennen so etwas, was Micha eben erzaehlte, eigentlich Menschen tun?"

Herr Aster schuettelte den Kopf: "Fuer mich sind es Lumpen, und ich sorge dafuer, dass sie immer an diesen Tag zurueckdenken werden." Er erklaerte seiner Frau, dass er erst mal noch keine Anzeige machen wolle, sondern zuerst mit dem Vater der beiden Tierquaeler sprechen wolle.

Seine Frau sah in etwas verstaendnislos an, und somit fuegte Herr Aster hinzu: "Ich habe sie doch erkannt, sie wohnen unten in der Albertstrasse. Ich denke, die beiden hoffen, dass ich sie nicht erkannt habe, und sind auch deshalb so schnell abgehauen. Ich kenne sie zwar nur vom sehen, aber den Vater kenne ich aus unserer Doppelkopfrunde in der "Traenke'. Ich weiss zwar nicht, wie er seine Bengels erzieht, aber ich will zuerst mal mit ihm sprechen. Und du weisst doch, morgen ist wieder mein "Maennerabend".

Das weitere Gespraech plaenkelte so dahin, bis es ganz verstummte. Frau Aster tat dann so, als lese sie einen Roman und Herr Aster blaetterte zum hundertsten Mal die Tageszeitung durch. Aber beide waren mit ihren Gedanken ganz wo anders. Nur keiner traute sich ueber seine Gedanken zu sprechen, bis Herr Aster sich einen Ruck gab und vorsichtig sagte: "Von Frau Witter haben wir lange nichts gehoert!?"

Linda war richtig froh darueber, dass Richard das Thema anschnitt. Seit einem Jahr standen sie mit Frau Witter vom Jugendamt in Verbindung. Linda konnte keine Kinder bekommen, die sich so sehr wuenschten, und so bemuehten sie sich ein Baby zu adoptieren.

Linda sagte auch noch ganz zurueckhaltend: "Sie wird bestimmt noch kein Baby haben, dass zur Adoption freigegeben ist. Sie hat uns ja auch erklaert, dass es sehr schwierig ist, da viele, die in unserer Lage sind, ein Baby adoptieren wollen." Linda startete jetzt einen vorsichtigen Versuch und fuegte an: "Ältere Kinder gaebe es genug, hat sie ja gesagt, wie wir ja auch heute welche kennengelernt haben."

Das war das Stichwort und Richard sagte: "Koenntest du dir eigentlich vorstellen, statt eines Babys auch ein aelteres Kind zu adoptieren?"

Linda war richtig befreit und sagte sofort, wobei sie Richard anlachte: "Du meinst so wie Thimmy und Micha! Daran denke ich nicht nur seit heute, aber da wir bisher nur immer ueber ein Baby sprachen, habe ich nichts gesagt, da ich dachte du waerst so sehr an einem Baby interessiert."

Richard rueckte naeher an Linda heran und umarmte sie: "Ach, Mensch, und ich beschaeftige mich auch schon so lange mit dem Gedanken, und habe nichts gesagt, weil ich dachte du..." Der Rest des Satzes ging in einem langen Kuss unter. Es wurde eine lange Nacht fuer die beiden. Sie ueberprueften noch einmal ihre Gefuehle fuer ihr Vorhaben und dann stand fest: Sie wollten Thimmy und Micha ein neues Zuhause geben. Natuerlich nur, wenn die beiden es auch wollten.

Frau Witter hatte ihnen mal die Moeglichkeit erlaeutert, zuerst einmal ein Kind nur fuer eine Probezeit von einem halben Jahr aufzunehmen. Dann konnten sie und das Kind endgueltig entscheiden, und sie koennten dann das Kind adoptieren. Genau so wollten sie es machen und alles daran setzen, morgen schon mit der "Probezeit' beginnen zu koennen.

Am anderen Morgen stellte Frau Aster fest, dass die beiden Jungen noch fest schliefen. Somit hatten sie, nach einem schnellen Fruehstueck, die Gelegenheit ihre Vorbereitungen zu treffen. Es bedurfte zwar einiger Überredungskuenste, aber bevor die Jungen aufwachten, war alles geregelt. Sie sollten zuerst einmal mit den beiden Jungen sprechen. Wenn diese dann auch zustimmten, wuerde Frau Witter am spaeten Vormittag kommen um die formellen Dinge zu erledigen.

Kurze Zeit spaeter wachten auch die Jungen auf. Frau Aster beruhigte sie erst mal und erklaerte ihnen, dass sie heute nicht zur Schule muessten, da sie noch einen Ruhetag brauchten. Es waere auch schon alles mit Herrn Kuhland und der Schule besprochen. Wenn sie angezogen waeren, wartete unten das Fruehstueck.

Da atmeten die Jungen auf und als sie sich anziehen wollten, stellten sie fest, dass ihre Sachen sogar, ausser Michas Jacke, vom groben Schmutz gereinigt waren. Das hatte Linda auch noch in der Nacht erledigt. Gerade die Sachen von Thimmy waren gestern sehr schmutzig geworden, da er auch auf dem Boden gelegen hatte.

Thimmy: "Mensch, Micha, sieh mal, die haben sogar unsere Sachen sauber gemacht."

Micha war etwas bedrueckt und sagte: "Ja, habe ich auch schon festgestellt, aber so ist das auch nur wenn man einen Vati und eine Mutti hat. Gleich muessen wir aber wieder in das Heim."

Thimmy sagte aengstlich: "Da wird uns Herr Kuhland ganz schoen zusammenstauchen, der glaubt uns die Geschichte doch sowieso nicht."

Micha nahm, wie so oft, seinen Bruder in den Arm und sagte aufmunternd: "Ach, Thimmy, so schlimm wird es wohl nicht werden, wir haben nun mal keine Eltern und muessen deshalb in dem Heim leben". Er lachte schelmisch und sagte weiter: "Wenn wir jetzt ganz langsam machen und auch gleich ganz langsam fruehstuecken, dann koennen wir ja noch ein bisschen hier bleiben". Mit diesem etwas schoenerem Gedanken gingen sie dann beide in die Kueche.

Aber das, mit dem "Langsammachen' klappte nicht. Besonders Thimmy hatte grossen Appetit, was ja auch verstaendlich war. Aber auch Micha konnte sich nicht zurueckhalten, denn es sah alles so lecker aus und war liebevoll zubereitet. Frau Aster beobachtete die beiden und war froh, dass der Appetit stimmte. Sie wuerde die beiden kuenftig so richtig verwoehnen. Sie konnte es kaum abwarten, bis sie den Jungen den Vorschlag machten, zuerst einmal zur Probe hier zubleiben.

Aber erst sollten sie sich mal staerken. Nachdem die Jungen zu Ende gegessen hatten, schuettete sie beiden noch eine Tasse Kakao ein, und sich und Richard noch eine Tasse Kaffee. Die beiden Jungen schauten sie und Richard mit betruebten Augen an. Jetzt war der Zeitpunkt bald gekommen, dass sie wieder ins Heim zurueck mussten. Herr Aster raeusperte sich, bevor er den beiden die entscheidende Frage stellte und sah den beiden Jungen fest in die Augen.

Er redete auch nicht lange drum herum, sondern fragte einfach: "Was wuerdet ihr beide denn davon halten, wenn ihr erst mal fuer ein halbes Jahr zur Probe bei uns bleiben koenntet? Wenn ihr, und wir beide, dann wollen, koennt ihr immer bei uns bleiben."

Die Jungen sahen die beiden Erwachsenen an, als seien sie von einem anderen Stern. Beide konnten die Frage gar nicht verarbeiten. Auf so etwas war ihr Gehirn ueberhaupt nicht vorbereitet. Von einer richtigen Familie hatten sie bisher nur getraeumt und es war fuer sie etwas, was nie zutreffen wuerde. Sie hatten doch keine Eltern, waren Waisen und mussten doch demnach in einem Heim leben.

Die einzige Reaktion war, dass ihre Unterkiefer herunterklappten und sie Herrn und Frau Aster mit offenem Mund entgeistert anschauten. Frau Aster sagte lachend: "Ich glaube ihr beide seit noch am schlafen...?"

"Nein, nein", antworteten beide wie aus einem Mund und Micha fuegte an: "Aber... ", dann wusste er doch nicht mehr was er sagen wollte.

Thimmy stammelte nur: "Hierbleiben..., nicht ins Heim zurueck..., und vielleicht fuer immer?"

"Wir waeren dann eine richtige Familie?", fragte Micha.

Frau Aster holte tief Luft und erklaerte den beiden alles noch einmal ganz genau. Sie setzte voraus, dass die beiden schon in der Schule aufgeklaert worden waren. Sie erklaerte darum auch, dass sie keine Kinder bekommen konnte, aber sie und Richard, Kinder sehr gerne hatten.

Zum Schluss sagte sie: "Ihr beide seit jetzt sicherlich sehr ueberrascht, und so eine Sache muesst auch ihr genau ueberlegen. Deshalb wuerde ich sagen, ihr beide nehmt euren restlichen Kakao und setzt euch beide ins Wohnzimmer, wo ihr ungestoert miteinander sprechen koennt. Wenn ihr euch dann entschieden habt oder noch Fragen habt, kommt ihr hier wieder hin."

Spaeter konnten beide gar nicht mal genau sagen, wie sie in das Wohnzimmer der Asters gekommen waren. Erst als Herr Aster die Wohnzimmertuer von Aussen schloss, kamen die beiden zur Besinnung. Micha griff seinen Bruder an beide Arme und schuettelte ihn: "Thimmy, Thimmy, weisst du was das bedeutet, wir sind dann eine richtige Familie."

Sie schauten sich beide kurz an und lagen sich einen Augenblick spaeter weinend in den Armen. Sie begriffen erst nach und nach, dass sich durch den heutigen Tag ihr ganzes Leben aendern konnte. Viele Minuten lagen sie so und liessen ihre Glueckstraenen einfach laufen. Thimmy fragte etwas aengstlich: "Du willst doch auch hierbleiben?"

"Natuerlich, Thimmy, du weisst doch wie oft ich mir das schon gewuenscht habe. Also willst du auch hierbleiben. Dann sollten wir unseren Elt..., das sind doch dann unsere Eltern? Also sollten wir denen jetzt Bescheid sagen." Thimmy nickte nur.

Micha schaemte sich ein bisschen dafuer, dass er geweint hatte und er zog ein Taschentuch aus der Tasche und wischte sich die Traenen ab. Natuerlich wollte Thimmy jetzt auch nicht wie eine Heulsuse dastehen und versuchte auch die restlichen Traenenspuren abzuwischen. Sie fassten sich beide an die Haende, vermutlich um noch deutlicher zu zeigen, dass sie gemeinsam eine Entscheidung getroffen hatten, und verliessen das Wohnzimmer.

Auf dem Flur sagte Thimmy: "Du musst Das aber sagen, ich kann das nicht."

Micha fuehlte sich natuerlich erwachsener als sein kleiner Bruder und erklaerte etwas grossspurig: "Natuerlich Thimmy, ich mache das schon." Als sie dann aber, Hand in Hand, in der offenen Kuechentuer standen, versagte die Stimme von Micha. Was war das bloss, so ein Kloss im Hals. Er schluckte um den Hals frei zu bekommen, aber beim Versuch etwas zu sagen, brachte er nur ein Kraechzen zustande.

Thimmy kam ihm jetzt zur Hilfe und er sagte feierlich: "Ja, ja wir wollen gerne bei ihnen bleiben." Dann lief er auf Herrn Aster zu, der ihm am naechsten stand, und er umklammerte ihn so fest, als habe er Angst, dass er ihn wieder verlassen wuerde. Micha stand noch etwas unbeholfen in der Tuer. Er war doch schon aelter als Thimmy und er wollte seine Gefuehle nicht so zeigen. Aber als Frau Aster auf ihn zu kam und ihn in den Arm nahm, war es auch mit seiner Zurueckhaltung vorbei. Er liess jetzt auch, genau wie Thimmy, seine Traenen laufen. Es war doch ganz egal, er war einfach uebergluecklich. Bald drueckten sich alle vier Anwesenden ganz, ganz fest aneinander. Sie hatten alle den gleichen Gedanken: >Nie wieder einander loslassenEs wurde noch ein hektischer Tag fuer die Familie Aster. Zuerst wurde Frau Witter informiert, die auch sofort kam. Um den Jungen den Ernst ihrer Entscheidung aufzuzeigen, sprach sie mit ihnen zuerst allein. Sie machte ihnen auch klar, dass es zuerst ein halbes Jahr zur Probe sei, und das dann sowohl sie beide, als auch Herr und Frau Aster endgueltig entscheiden sollten, und auch ein Gericht zustimmen muesse. Sie konnte aber auch gar nichts finden, was gegen die neue Familie sprach und so wurden dann die Formalitaeten erledigt.

Die neue Familie fuhr dann ins Martinshaus, um die wenigen persoenlichen Dinge der Jungen zu holen. Diese troesteten ihre Freunde und erklaerten, dass sie ja weiter miteinander spielen konnten, da ihr neues Zuhause doch ganz in der Naehe war. Bei der Verabschiedung von Herrn Kuhland drueckten sich die beiden ganz eng an ihre neuen Eltern, als ob sie Angst hatten, dass der Heimleiter sie dabehalten wolle.

Herr Aster richtete es so ein, dass seine Frau mit den Jungen das Buero vor ihm verliessen. Er wollte Herrn Kuhland wenigstens noch erklaeren, dass nicht immer seine Heimjungen schuld seien, wenn es mal zu Konflikten kam. Herr Kuhland wurde vor Scham rot bis an seine Haarwurzeln und konnte nur noch stottern, als Herr Aster mit seiner Lektion geendet hatte.

Auch die aerztliche Untersuchung wurde geregelt. Als Frau Aster am Nachmittag in die Praxis fuhr, nahm sie ihre beiden Jungen mit. Sie erklaerte ihrem Chef auch sofort, dass sie nur noch so lange bei ihm taetig sein wuerde, bis er eine neue Kraft gefunden haette. Denn sie haette ja jetzt eine groessere Familie zu versorgen und da wuerde es zu viel werden, wenn sie nachmittags noch arbeiten wuerde.

Bisher nicht erkannte Verletzungen wurden zum Glueck bei den Jungen nicht gefunden, und fuer die Nachbehandlung der anderen, waren die zwei bei Frau Aster ja in den besten Haenden. Fuer die vielen anderen Dinge, die erledigt werden mussten, wollte sich die Familie etwas mehr Zeit nehmen. In den naechsten Tagen wollte man unter anderem eine komplette Zimmereinrichtung kaufen.

Alles Notwendige war jedenfalls am Abend erledigt, als Frau Aster nach Hause kam. Ihr Mann war in seinem Arbeitszimmer und arbeitete alle Dinge auf, die bisher liegengeblieben waren. Die beiden Jungs fand sie im Garten, wo diese mit dem Kaetzchen spielten. Frau Aster hatte auch schon eingekauft und begann das Abendessen vorzubereiten.

Nach dem Abendessen klaerte man noch gemeinsam eine kleine Schwierigkeit. Die Jungen wussten nicht wie sie ihre "Probe-Ersatz-Eltern' nennen sollten. Herr und Frau Aster hatten zuerst Bedenken, wenn die Jungen sie Mutti und Vati nannten. Sie meinten, es wuerde eine zu starke Bindung entstehen, was hinderlich sein koennte, wenn die Jungen oder sie innerhalb der "Probezeit' die Verbindung loesen wollten, oder am Ende das Gericht aus irgendwelchen Gruenden nicht zustimmte.

Daran dachte zwar zur Zeit noch niemand von den vieren, aber man wusste ja nicht, wie sich alles entwickelte. Auf Draengen der Jungen gaben aber die zwei Erwachsenen nach, und wurden somit Mutti und Vati genannt.

Etwas wurde das Glueck der Jungen getruebt, als Herr Aster sie an die Schule erinnerte. Als Herr Aster die etwas traurigeren Minen der beiden sah, sagte er lachend: "Na, auch wenn ihr jetzt in einer Familie lebt, muesst ihr doch trotzdem zur Schule gehen. Und ihr braucht die Schule noch nicht einmal wechseln. So trefft ihr also Montag wieder eure alten Schulkameraden. Jetzt kommt ja erst Mal das Wochenende. Und wenn mal in der Schule etwas nicht klappt oder ihr beide irgendwelche Schwierigkeiten habt, koennt ihr jederzeit mit uns darueber sprechen. Das gilt natuerlich fuer alle Dinge, nicht nur fuer Sachen, die mit der Schule zusammenhaengen. Ihr braucht auch keine Angst zu haben, wenn ihr mal eine Klassenarbeit verhaut oder so was."

"Wir werden dann darueber sprechen und sehen dann weiter. Also, wenn ihr auch, nach eurer Meinung, noch so etwas Schlimmes gemacht habt, koennt ihr mit uns darueber sprechen. Es ist immer besser, wenn ihr mit uns darueber sprecht, als wenn wir erst von anderer Seite etwas erfahren. Und ehrlich wollen wir doch immer zueinander sein. Auf mich und Mutti koennt ihr euch jedenfalls verlassen, dass wir euch nicht anluegen. Ich denke, ich kann mich da auch auf euch verlassen."

Die beiden Jungen nickten stumm und umarmten ihren neuen Vati. Thimmy sagte dann: "Ich werde dich jedenfalls nie anluegen." Dann nickte er zu seinem Bruder und fragte: "Und du doch wohl auch nicht?"

Micha sagte sofort: "Nein, Vati, ich werde dich auch nie anluegen." Micha wollte sich doch noch ein kleines Hintertuerchen offen lassen und fragte verschmitzt: "Wenn man etwas verschweigt, ist das doch kein Luegen, oder."

Herr Aster lachte: "Wenn man nicht ausdruecklich danach gefragt wird, ist das schon richtig. Ehrlichkeit bedeutet nicht, dass man ungefragt alle seine kleinen Geheimnisse verraten soll." Herr Aster nahm beide Haende und wuschelte seinen zwei neuen Soehnen durch die Haare. Dann blickte er zur Uhr und fragte: "Wann war denn im Heim immer Schlafenszeit."

"Um halb neun mussten wir alle im Bett sein und bis auf die Notbeleuchtung wurde das Licht ausgeschaltete", sagte Micha.

Herr Aster meinte: "Ich denke, dass ist auch die richtige Zeit fuer euch, so dass ihr morgens ausgeschlafen seid. Also werden wir das am besten hier auch so beibehalten."

Micha fragte: "Ich werde doch in einigen Monaten 14 Jahre alt, kann ich nicht schon ein bisschen laenger aufbleiben?"

Herr Aster seufzte: "Es ist ueberall das Gleiche, die Kinder wollen einfach nicht ins Bett. Micha, du hast recht, dass du schon etwas aelter bist, wie Thimmy. Aber schau mal, ihr schlaft beide in einem Zimmer. Da waere es doch nicht schoen, wenn Thimmy eine halbe Stunde frueher ins Bett muss. Da ist er gerade eingeschlafen und dann machst du ihn wieder wach, wenn du ins Bett gehst. Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr geht beide um viertel vor neun ins Bett, und wenn ihr den anderen Tag, so wie heute, nicht zur Schule muesst, verlaengern wir die Zeit auf halb zehn. Seid ihr einverstanden?"

Die beiden Jungen schauten sich etwas verdutzt an. Sie wurden sogar gefragt, ob sie mit einer Regel einverstanden waren, dass war ihnen ja noch nie vorgekommen. Der Vorschlag war auch prima und so stimmten sie eifrig zu. Herr Aster war zufrieden, der erste Kompromiss war geschlossen.

Er hatte noch etwas Zeit und deshalb sagte er: "Wir werden in naechster Zeit noch ueber viele Dinge sprechen muessen, denn auch in einer kleinen Familie kommen wir nicht ohne Regeln aus. Aber wir lassen uns Zeit und werden alles so besprechen, wie wir es eben auch gemacht haben, einverstanden?"

Seine zwei Soehne stimmten zu, und mit einem nochmaligen Blick zur Uhr sagte Herr Aster: "Ich muss jetzt aber gehen, denn wie jeden Freitag habe ich meinen "Maennerabend', wie Mutti das nennt. Also, gute Nacht ihr zwei." Er stand auf, gab jedem seiner Jungen noch einen Kuss auf die Stirn, und ging zur Tuer. Dort drehte er sich noch mal um und sagte verschmitzt: "Wenn ihr wissen wollt, was ein "Maennerabend' ist, wird euch Mutti das gerne erklaeren, ich muss aber jetzt los."

In der Kueche verabschiedete er sich auch von seiner Frau mit einem Kuss und sagte: "Ich gehe heute Abend etwas eher. Ich will vorher noch mit Roland sprechen, den Vater dieser zwei Lumpen, die das Kaetzchen anzuenden wollten und unsere Kinder zusammengeschlagen haben. Der kommt immer direkt von der Arbeit in die "Traenke' und isst dort etwas. Aber ich denke, dass er jetzt gegessen hat, denn ich will ihm ja nicht den Appetit verderben."

Seine Frau lachte ihn an und drohte mit dem Zeigefinger, indem sie sagte: "Treib es aber nicht zu doll, sonst wird der "Maennerabend' gestrichen. Und viel Vergnuegen." Das ganze war natuerlich nicht Ernst gemeint, dass wusste auch Richard, nahm seine Jacke und ging. Richard war nicht nur wegen der bevorstehenden Unterhaltung etwas eher aus dem Haus gegangen. Er wollte unterwegs seine Gedanken sortieren. >Es ist gar nicht so einfach, innerhalb von 2 Tagen zweifacher Vater zu werden<, dachte er, >aber doch ein ganz tolles Gefuehl<. Er haette vor Freude am liebsten auf der Strasse getanzt, aber was sollten denn die Nachbarn von ihm denken. Trotzdem vollfuehrte er einen Teil des Weges einen Stepptanz. Dann richtete er seine Gedanken auf das kommende Gespraech:

Das wird fuer Roland bestimmt ein Schock sein. Wie wuerde ich eigentlich an seiner Stelle reagieren, ich bin doch jetzt auch Vater? Na, ich werde erst Mal die Sache auf mich zukommen lassen.<

Als Richard die Gaststaette betrat, sass Roland schon an der Theke. Das Timing von Richard war hervorragend, denn Roland hatte gerade seine Mahlzeit beendet. Die Maenner begruessten sich und Richard sagte: "Ich bin extra etwas eher gekommen, ich muss mit dir etwas besprechen. Aber lass uns da an den Tisch gehen, dass muss nicht jeder hoeren." Roland war zwar erstaunt ueber die Geheimniskraemerei aber setzte sich auch zu Richard an den Tisch.

Nachdem sie jeder ihr Bier bekommen hatten begann Richard zoegernd das Gespraech. Er hatte Roland vorher gebeten ruhig zu bleiben. Aber als er ihm berichtet hatte, was er mit eigenen Augen gesehen, und was Micha ihm erzaehlt hatte, wurde sein Gegenueber vor Zorn rot im Gesicht. Er knallte die Faust auf den Tisch, der gluecklicherweise sehr stabil war. Die Glaeser konnten aber ihre Stellung nicht halten, denn Roland war ein bulliger, 1,90 Meter grosser, durchtrainierter Mann. Das Bier war zwar schnell weggewischt aber Roland bebte noch vor Zorn. Richard machte dem Gastwirt ein Zeichen, dass bedeutete, dass sie zwei Schnaepse haben wollten.

Als diese auf dem Tisch standen sagte Richard: "Nun trink mal erst, prost, aah, ich kann ja verstehen, dass du den beiden jetzt am liebsten die Koepfe abreissen wuerdest, aber versuche cool zu bleiben."

"Ja, du hast recht," war das erste, was Roland sagte. Er hatte die ganze Zeit angespannt zugehoert, und an dem was Richard sagte, zweifelte er auch keinen Moment. >Richard hat recht, mit Wut im Bauch werde ich vielleicht alles falsch machen. Also, ruhig bleiben.< dachte er. Roland schlug sich mit der Hand vor die Stirn:

"Und ich Idiot schenke denen auch noch jedem ein Mofa zum Geburtstag. Weisst du Richard, die beiden hatten Mittwoch und Donnerstag Geburtstag. Haben wir gut hingekriegt, so brauchen wir jedes Jahr nur einmal feiern.", meinte er jetzt schon wieder lachend. "Frank ist am Mittwoch 16 und Guenther gestern 17 Jahre alt geworden. Dann sollte das gestern wohl so ein besonderes "Geburtstagsvergnuegen' sein; Ein Tier anzuenden, ich kann es nicht glauben."

Roland vergrub sein Gesicht in seine riesigen Haende und Richard sah, dass er sich verstohlen eine Traene abwischte. Dann aber sagte Roland mit harter Stimme: "Richard ich danke dir zuerst einmal dafuer, dass du nicht die Polizei verstaendigt hast. Ich glaube ich koennte nicht damit leben, zwei vorbestrafte Soehne zu haben. Ich verspreche dir aber, die beiden werden ihr Leben lang an diesen Geburtstag zurueckdenken. Aber jetzt mal erst was anderes. Die Kinder, die sie zusammengeschlagen haben, sind aus dem Martinshaus, oder? Ich muss wenigstens zu ihnen gehen und sehen wie es ihnen geht."

Jetzt erzaehlte Richard ihm auch den Rest der Geschichte und endete: "Somit sind wir jetzt beide Vaeter von 2 Soehnen, na ja, ich noch zur Probe." Allmaehlich kamen auch die anderen Spieler der Doppelkopfrunde.

Die beiden "Zweifachvaeter' waren froh, dass gerade heute Abend ein Mitspieler kam, der nicht regelmaessig kam. Somit sagte Roland: "Ihr koennt ja zu viert spielen, Richard und ich haben einiges zu besprechen."

Am Schluss des langen Abends sagte Roland: "Ich glaube, ich habe wohl im letzten halben Jahr die Zuegel zu sehr schleifen lassen, bei meinen beiden. Ich dachte sie waeren schon reifer und wuerden ohne meine "tatkraeftige' Mithilfe klarkommen. Aber das scheint wohl nicht der Fall zu sein. Richard, ich melde mich morgen bei dir. Ich habe da so eine Idee," fuegte er schmunzelnd an, und rieb sich die Haende.

Fortsetzung folgt


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