Zwei Söhne Teil 6


by Erzähler <Erzhel@gmx.de>

Zum besseren Verstehen der Geschichte lesen sie zuerst bitte die vorherigen Folgen.

Auch hier muss ich darauf aufmerksam machen, dass auf Grund der Gesetze, dieses Maerchen nur fuer Erwachsene bestimmt ist. Ich freue mich ueber jede Anregung und positive, aber auch kritische Bemerkungen. Ohne die Zustimmung des Autors darf die Geschichte nicht an anderen Stellen veroeffentlicht werden.

6. Die Entscheidung

Am Dienstag der naechsten Woche kam Herr Aster vom Einkaufen zurueck. Schon als er die Tuer aufschloss vernahm er den Duft von Kaffee. >Das ist ja prima, dass die beiden schon fuer mich Kaffee gekocht haben<, dachte er, und ging in die Kueche, wo Thimmy gerade die Kaffeekanne in der Hand hatte. "Das ist ja ein toller Service, ich komme gerade erst herein und schon werde ich bedient", sagte er.

Thimmy blickte ihn schelmisch an: "Der ist aber gar nicht fuer dich, sondern fuer unseren Besuch. Na ja, ich denke es wird auch fuer dich etwas ueberbleiben", fuegte Thimmy grosszuegig an.

"Besuch?", fragte Herr Aster

Thimmy nickte: "Ja, Frau Witter, geh mal ruhig hin, den Einkauf raeume ich schnell weg."

Frau Witter hatte waehrend dieser 'Probezeit' die Familie Aster als Mitarbeiterin des Jugendamtes betreut. Gerade als Herr Aster das Zimmer betrat, unterhielt sie sich intensiv mit Micha. Die beiden Erwachsenen begruessten sich und Frau Witter lobte die beiden Jungen: "Ist ja nicht schlimm, dass sie noch nicht da waren, ich habe hier ja zwei aeusserst aufmerksame und nette Gastgeber." Sie zeigte zu Thimmy, der jetzt mit dem Kaffee hereinkam und auch sofort eine Tasse fuer seinen Vati mitgebracht hatte: "Und ich werde auch sehr gut versorgt", fuegte sie an.

Sie wandte sich jetzt an die beiden Jungen und sagte: "Wir haben uns ja schon eine Weile unterhalten, dann spreche ich jetzt noch etwas mit eurem Vati. Geht ruhig hinaus zum Spielen. Und, Kopf hoch, dass wird schon alles gut gehen."

Dieses meinte sie im Hinblick auf die bevorstehende Sitzung des Familiengerichts, dass ueber die endgueltige Adoption der Beiden entscheiden musste. Nachdem die zwei Jungen sich verabschiedet hatten sagte Frau Witter: "Ich denke, wir haben gar nicht grossartig etwas zu besprechen. Ich habe mich nochmals davon ueberzeugt, dass die beiden Jungen bei ihnen sehr gut aufgehoben sind. Sie haben mir auch immer wieder versichert, dass sie hier nie wieder fort wollen, von ihrem Vati, den sie so ueber alles lieben. Und sie, Herr Aster, haben es sich doch, so glaube ich, auch nicht anders ueberlegt?"

Herr Aster war entsetzt: "Wie koennen sie so etwas nur denken, ich liebe die zwei so sehr, als wenn es meine leiblichen Kinder waeren."

Frau Witter beschwichtigte: "Ich wollte sie damit nur darauf vorbereiten, was sie am naechsten Montag erwartet. Ich sehe nur eine einzige Schwierigkeit. Das waere, wenn der Richter oder die Richterin trotz aller positiven Berichte der Meinung sind, dass den beiden Jungen eine Mutter fehlt. Aber ich denke, dass die vielen positiven Berichte von mir, staerker wiegen, als die andere theoretische Frage."

Kurze Zeit sprachen die beiden noch miteinander, bevor sich Frau Witter verabschiedete: "Wir sehen uns dann Montagmorgen im Gericht."

Herr Aster ging rueber in sein Arbeitszimmer und versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Es war nicht ganz einfach, denn immer wieder schweiften seine Gedanken: >Was ist, wenn die Jungen wieder ins Heim muessen?<

Auch Thimmy hatte ein spezielles Problem mit der bevorstehenden Entscheidung. Er war 10 Minuten spaeter im Arbeitszimmer von Herrn Aster. Er schaute seinen Vati mit traurigen Augen an und sagte: "Vati, wenn wir tatsaechlich ins Heim zurueck muessen, dann bin ich an meinem dreizehnten Geburtstag nicht mehr hier. Und ich wollte so einen schoenen Geburtstag feiern, den ersten mit dir zusammen."

Sein Vati streichelte ihm beruhigend uebers Haar und sagte: "Wir sollten vielleicht die letzten Tage nicht so viel daran denken, und einfach hoffen, dass alles gut geht."

Timmy sagte: "Aber ich weiss doch nicht, wie ich das mit den Vorbereitungen machen soll."

Sein Vati war erstaunt: "So viele Vorbereitungen hast du zu machen?"

Thimmy nickte: "Wenn ich nicht ins Heim zurueck muss, wollte ich dich auch noch um etwas bitten."

Herr Aster sagte: "Na, ich denke, dann tun wir einfach mal so, als wenn alles glatt gehen wuerde, und du erzaehlst mir, was du auf dem Herzen hast."

Thimmy sagte vorsichtig: "Wenn ich vielleicht auf Geschenke verzichte, Vati, dann wuerde ich gerne meine ganzen Freunde zu einer ganz riesigen Geburtstagsparty einladen, auch die aus dem Martinshaus. Aber das sind so ungefaehr 30 Kinder. Und das soll dann ganz toll werden, so mit vielen Spielen, mit Kuchen, Eisessen und Wuerstchen grillen. Ich weiss, Vati, dass ist ein bisschen teuer, aber wenn ich 38,75 Mark dazugebe, die habe ich naemlich gespart, wird das dann wohl gehen?"

Jetzt machte Herr Aster ein nicht gerade sehr intelligentes Gesicht, sondern schaute ganz schoen dumm aus der Waesche. Das gab's doch nicht, fuer andere Kinder war so etwas keine grosse Frage, und sie forderten von ihren Eltern alles. Und sein Thimmy bot ihm an, auf Geschenke zu verzichten und wollte ihm sein ganzes gespartes Geld geben. Thimmy deutete den Gesichtausdruck und das Zoegern seines Vatis falsch und sagte betruebt: "Ich dachte mir das schon, dass das nicht reicht und zu teuer ist."

Da hatte sich sein Vati von der Überraschung erholt und sagte: "Nein, nein Thimmy, dass ist nicht zu teuer. Pass mal auf; Ganz egal ob wir zusammenbleiben duerfen oder nicht, wir feiern hier deinen Geburtstag so, wie du ihn dir vorstellst und auch mit allen deinen Gaesten die du einladen moechtest. Und dein gespartes Geld, dass behaeltst du schoen. Ich denke ja, dass fuer mich auch so ein bisschen abfaellt. Ein schoenes Eis oder ein Wuerstchen."

Thimmy war erleichtert und sprang vor Freude im Zimmer herum. Dann kam er auf seinen Vati 'zugesegelt' drueckte ihn ganz fest und gab ihm einen dicken Kuss und sagte: "Vati, du bist der allerbeste Vati, den es auf der Welt gibt, und du kannst soviel abbekommen, wie du moechtest."

Herr Aster drueckte seinen Liebling auch noch mal an sich und sagte: "Ich denke aber, bei den Vorbereitungen brauchst du Unterstuetzung. Du solltest mal mit Micha sprechen, der hilft dir ganz bestimmt. Und fuer einige Sachen, bin ich ja auch noch da, vielleicht fuer das Wuerstchen grillen, da kann ich dann zwischendurch auch mal naschen."

Thimmy lachte laut auf und drueckte seinen Vati noch ein Mal ganz fest. Dann dueste er wieder ab und begann sofort mit seinen Planungen. Auch an diesem Abend ging Herr Aster noch einmal in das Zimmer der beiden Jungen. Wie es schon ein Ritual geworden war, sprach er noch kurz mit den zweien ueber den vergangenen Tag, deckte sie schoen zu und gab ihnen einen 'Gute - Nacht - Kuss'. Auch Micha, mit seinen 14 1/2 Jahren, fand es ueberhaupt nicht unangenehm und fuehlte sich auch noch keineswegs zu gross dazu, um dieses Liebesbekenntnis abzulehnen.

Thimmy war bei seinen Planungen auf ein Problem gestossen, dass er jetzt auch noch seinem Vati erzaehlen konnte: "Vati, ich hab da noch eine schwierige Sache, vielleicht weisst du ja einen Rat. Ein neuer Schulfreund von mir, der Ingo, ist erst vor einem Monat hierhin gezogen, und sitzt im Rollstuhl. Der wohnt aber am anderen Ende der Stadt und wird jeden Tag von seiner Mutti zu unserer Schule gebracht, da nur unsere Schule fuer Rollstuhlfahrer ausgebaut ist. Nur, ich weiss, dass die Mutti immer an den Samstagen den ganzen Tag arbeiten muss. Jetzt weiss ich nicht, wie der hier hinkommen soll, denn den ganzen Weg, kann er wohl nicht selbst fahren."

Herr Aster ueberlegte einen Augenblick und sagte dann: "Hast du schon einmal gesehen, wie die Mutti von Ingo ihn gebracht oder geholt hat?"

Thimmy nickte heftig: "Ja natuerlich." "

Dann erzaehl doch mal, wie sie das macht", fragte sein Vati nach.

Thimmy erzaehlte dann: "Ja, sie geht in die Hocke, Ingo legt dann seine Haende um ihren Hals und sie hebt ihn ins Auto. Dann klappt sie den Rollstuhl zusammen und legt den in den Kofferraum."

Sein Vati sagte: "Ja, da haben wir doch schon die Loesung, er hat einen Rollstuhl, den man zusammenklappen kann. Also wird der doch auch in unseren Kofferraum passen. Dann hole ich den Ingo von zu Hause ab und bringe ihn abends auch wieder zurueck."

Thimmy huepfte beinahe aus dem Bett und sagte: "Mensch, Vati an so was habe ich gar nicht gedacht, dass waere wirklich Klasse, wenn du das machst."

Sein Vati streichelte ihn ueber den Kopf und sagte: "Dann kannst du jetzt wahrscheinlich beruhigt schlafen, oder hast du noch ein Problem, dass wir loesen muessen?"

Thimmy schuettelte den Kopf, er bekam seinen Kuss und Herr Aster verliess das Zimmer.

Die restlichen Tage bis zur Entscheidung war Thimmy erst mal etwas abgelenkt. Herr Aster versuchte seine zunehmende Anspannung den beiden nicht zu zeigen. Micha meinte zuerst mit dieser psychischen Belastung alleine fertig zu werden.

Aber am Samstag vor der Entscheidung war es auch mit seiner psychischen Stabilitaet zu Ende. Sein Vati hatte dieses auch bemerkt und passte einen guten Zeitpunkt am Nachmittag ab, wo er mit Micha allein in seinem Zimmer war. "Micha, ich glaube du bist krank," begann Herr Aster. "Die letzten Tage isst du kaum noch etwas, und bist lustlos. Was ist mit dir?" ,fragte er dann seinen Sohn.

Micha traten jetzt sogar Traenen in die Augen: "Ach Vati, es ist wegen Montag, ich muss immer wieder daran denken, wie das sein wird, wenn wir nicht bei dir bleiben duerfen."

Sein Vati nahm ihn in den Arm, strich ueber die schwarzen Haare seines Sohnes und sagte: "Micha, warum hast du denn nicht frueher mit mir gesprochen. Ich war der Meinung, dass du mit der Belastung zurecht kommen wuerdest. Wir beide koennen zwar nichts weiter tun, als abzuwarten, aber wenn man darueber spricht, dann hilft das doch auch schon."

Micha atmete erleichtert auf und sagte: "Weisst du Vati, ich hatte auch gedacht, dass ich damit allein klarkommen wuerde, und ich wollte dich wiederum nicht an den Montag erinnern und damit belasten."

Sein Vati sagte: "Aber Micha, ich denke doch auch immer daran und ich versuche, dass ihr das nicht so merkt. Ich mache dir folgenden Vorschlag. Morgen schlafen wir erst mal schoen aus und fruehstuecken dann gemuetlich. Zum Mittagessen gehen wir zum 'Italiener', dort koennt ihr euch eine grosse Pizza reinhauen. Anschliessend machen wir einen Spaziergang ueber die Kirmes. Dann haben wir den Tag auch ueberbrueckt, und kommen auf andere Gedanken."

"Ja Vati, dass ist toll, dass werde ich sofort Thimmy erzaehlen." , sagte Micha.

Der Sonntag wurde auch tatsaechlich ein prima Tag. Erst am Abend kam die Erinnerung an den entscheidenden Tag zurueck. Herr Aster, der wie gewohnt seinen beiden Jungen 'Gute Nacht' sagen wollte, stoppte kurz, bevor er an die Tuer der Jungen klopfte.

Das er anklopfte, war fuer ihn ganz normal, denn auch die Jungen brauchten eine Intimsphaere.

Die zwei waren wohl etwas spaeter dran wie gewoehnlich, und er hoerte noch, wie beide gemeinsam sagten: "Bitte lieber Gott mache es doch, dass wir bei unserem lieben Vati bleiben koennen, und nicht ins Heim zurueck muessen. Und beschuetze bitte unseren Vati und auch unsere Mutti, die ja ganz nah bei dir ist, Amen."

Herr Aster wartete noch eine Weile, bevor er dann klopfte. Er sprach den beiden noch einmal Mut zu, kuesste sie und verliess das Zimmer.

Dann war es soweit und sie standen vor der Richterin des Vormundschaftsgerichtes. Sie erklaerte zuerst den Grund der Verhandlung und verlas den Adoptionsantrag, den Notar Dr. Lember im Auftrag von Herrn Aster gestellt hatte. Sie erklaerte dann, dass sie zuerst mit jedem allein sprechen wolle. Thimmy sollte dableiben und die anderen sollten den Raum verlassen.

Fuenfzehn endlose Minuten befragte sie Thimmy ueber das Leben bei Herrn Aster. Dann stellte sie die entscheidende Frage: "Thimoteus Grost", so war sein eigentlicher Name, "ist es tatsaechlich dein freier Wille, dass du der Sohn von Herrn Richard Aster werden moechtest. Wenn du noch irgend etwas einzuwenden hast, so musst du das jetzt tun."

Thimmy holte tief Luft, sah die Richterin fest in die Augen und sagte laut und deutlich: "Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden und ich will der Sohn von Herrn Aster werden." Dann blickte er die Richterin mit seinem steineerweichenden Blick an und fuegte hinzu: "Bitte liebe Frau Richterin, lassen sie uns bei unserem lieben Vati bleiben."

Der ganze Vorgang wiederholte sich bei Micha, der natuerlich die abschliessende Frage ebenso wie Thimmy beantwortete. Als naechstes kam Herr Aster an die Reihe der zuerst einmal alle Angaben, die der Richterin vorlagen, ueber Beruf und Einkommen bestaetigen konnte. Die Richterin lenkte zwar die Befragung auf die Schwierigkeit der fehlenden Mutter, also auch auf die fehlende Hausfrau, aber Herr Aster konnte alle ihre Fragen mehr als zufriedenstellend beantworten. Natuerlich bejahte er die abschliessende Frage, ob er tatsaechlich bereit waere die beiden Jungen zu adoptieren.

Dann durften auch Thimmy und Micha wieder hereinkommen und sie verfolgten die Befragung von Frau Witter. Sie stellte den 'Drei - Maenner - Haushalt' als hervorragend organisiert da. Sie wies auch darauf hin, dass Dr. Rember, der die zwei ja noch aus dem Martinshaus kannte, ihr versicherte hatte, dass die beiden Jungen im Vergleich zu einem halben Jahr vorher, in einem noch besserem Gesundheitszustand waren. Auch an der Schule gaebe es keine Probleme, die Leistungen der zwei haetten sich sogar verbessert.

Frau Witter liess sich auch nicht durch Fragen nach der fehlenden Mutter aus der Ruhe bringen und sagte: "Frau Richterin, berufsbedingt lerne ich sehr viele Familien und deren Leben kennen. Was die hauswirtschaftliche Seite betrifft, kann ich nur sagen, dass im Hause Aster nicht zu erkennen ist, dass eine Hausfrau fehlt. Und dieses obwohl ich, wie sie meinen Berichten entnehmen koennen, immer unangemeldet meine Besuche gemacht habe. Ich komme in viele Wohnungen, wo man meinen koennte, es waere keine Hausfrau da, obwohl dort aber doch eine ist."

Das war natuerlich ein Lob, dass die drei 'Asters' bis hinter die Ohren erroeten liess. Frau Witter fuehrte dann weiter aus: "Was die muetterliche Zuwendung und Liebe betrifft, so bin ich ueberzeugt, dass Herr Aster den beiden Jungen mehr als das Doppelte an Aufmerksamkeit und Liebe gibt."

Dann war diese Befragung auch abgeschlossen und es musste jetzt die Entscheidung folgen. Aber die Richterin sagte: "Sie wissen ja, dass in einem solchen Verfahren jeder angehoert werden muss, der meint, etwas zur Entscheidung beitragen zu koennen." Sie schaute hinueber zum Gerichtsdiener und dieser nickte nur. Sie sagte dann: "In ihrem Fall hat sich noch ein Herr gemeldet, der dazu gehoert werden moechte."

Herr Aster, Micha und Thimmy sahen sich verstoert an, sollte jetzt noch etwas geschehen, was alle positiven Eindruecke wegwischen wuerde? Keiner von ihnen hatte eine Ahnung. Zu ihrem grossen Erstaunen trat jetzt ein Mann in den Raum, der ihnen bekannt vor kam.

Sie benoetigten einige Sekunden um ihn einordnen zu koennen. Da sagte auch schon die Richterin: "Sie sind Herr Berger, Staatsanwalt a. D.?" Der Angesprochene bestaetigte die Angaben und erklaerte, dass er zu diesem Verfahren gerne etwas sagen wolle. Immer noch waren die drei 'Asters' sehr erstaunt, was wollte er denn hier sagen.

Dann begann Herr Berger auch schon, und berichtete ausfuehrlich von der Zugfahrt vor gut zwei Wochen. Er brachte hier noch mal sein Erstaunen darueber zum Ausdruck, dass es noch so zuvorkommende und liebe Kinder gab. Mit solch einem Handeln der beiden Jungen haetten seine Frau und er nie gerechnet. Ausfuehrlich berichtete er auch, dass die beiden Jungen waehrend der weiteren Fahrt in dem ueberfuelltem Zug, Reisenden beim Ein - und Aussteigen und bei der Unterbringung des Gepaecks behilflich waren. Genau wie er es als Staatsanwalt gewohnt war, hielt er ein regelrechtes Plaedoyer fuer die neue Familie.

Zum Schluss sagte er: "Fuer mich als neutralen Beobachter war es offensichtlich, dass es sich hier um einen gluecklichen Vater und um 2 glueckliche Soehne handelte. Diese Familie darf in keinem Fall wieder zerrissen werden."

Die Richterin bedankte sich fuer die Stellungnahme und erklaerte, dass sich das Gericht zur Beratung zurueckziehen wuerde. Auf dem Flur wurde zuerst mal Herr Berger begruesst und dieser erklaerte: "Meine Frau und ich waren so begeistert von euch Beiden, dass ich mir den Namen notiert habe, wir hatten uns ja vorgestellt, Herr Aster. Und fuer mich war es dann keine Schwierigkeit herauszufinden wo und wann diese Verhandlung stattfindet. Ich dachte mir, dass es der neuen Familie keinesfalls schaden kann, wenn ich etwas dazu sage."

In diesem Augenblick ertoente auch schon der Gong, als Zeichen dafuer, dass alle wieder eintreten durften. Herr Aster stand jetzt mit seinen zwei Soehnen vor der Richterin und sie hielten sich an den Haenden.

Nach dem Verlesen der Aktenzeichen und aehnlichen Dingen, kam dann der entscheidende Satz: "Herr Aster, ihr vorliegender Antrag zur Adoption der beiden Jungen Thimoteus und Michael Grost wird angenommen. Sie sind ab sofort der rechtmaessige Vater der beiden Genannten. Ich wuensche der neuen Familie viel Glueck."

Alle drei haetten am liebsten laut losgejubelt, aber Herr Aster hatte seinen beiden Soehnen erklaert, dass das Gericht ein sehr wuerdevoller Ort sei, und sie sich den Jubel aufsparen sollten. Die Richterin erklaerte dann die Sitzung fuer beendet. Auf dem Flur brach dann der Jubel los, und die Mitglieder der neuen Familie lagen sich in Armen und weinten vor Glueck. Nach vielen Minuten loesten sie die Umarmung und nahmen freudestrahlend die Glueckwuensche von Herrn Notar Dr. Lember, Herrn Berger und Frau Witter entgegen.

Frau Witter sagte: "Dann sind sie mich ja, als ihre 'Kontrolleurin' endlich los."

Herr Aster entgegnete, wobei er seine Soehne ansah: "Ich glaube ich kann auch fuer euch beide sprechen, und ihnen sagen Frau Witter: Wir haben sie in unserem Haus immer gerne gesehen, und ihre Taetigkeit auch keineswegs als eine Kontrolle empfunden. Sie sind aber auch weiterhin in unserem Haus immer willkommen."

Noch eine ganze Zeit unterhielten sich alle Anwesenden. Dann waren die drei aber allein und sie nahmen sich noch mal uebergluecklich in die Arme. Dann sollte gefeiert werden. Sie gingen zuerst in ein griechisches Restaurant, wo sich die beiden Jungen eine grosse Portion Gyros mit Pommes kommen liessen. Herr Aster goennte sich zur Feier des Tages ein grosses Steak mit Pommes und Salat. Er trank sogar heute ein gutes Glas Wein zum Essen. Auf dem Nachhauseweg erinnerte Herr Aster schon mal an das 'normale Leben', dass ja morgen wieder beginnen wuerde.

Thimmy stoehnte auf: "Warum koennen wir in der Schule, nicht auch, wie ihr im Beruf, unseren Urlaub nehmen, wann wir ihn wollen. Ich koennte die naechsten 4 Tage sehr gut Urlaub von der Schule gebrauchen. Ich habe noch fuer Samstag so viele Vorbereitungen zu machen."

Auf die Nachfrage seines Vatis zaehlte Thimmy noch einige Dinge auf und fragte dann: "Koennen wir eigentlich unsere Stereoanlage irgendwie nach draussen schaffen, wir brauchen doch auch Musik?"

Sein Vati sagte: "Ich glaube, die wird aber ein bischen schwach sein und es ist sehr umstaendlich. Zuerst alles im Wohnzimmer demontieren und dann draussen wieder aufstellen, und dann das Ganze auch wieder zurueck."

"Ja, was sollen wir aber machen, Vati?", fragte Thimmy.

Sein Vati wusste Rat: "Wenn mich nicht alles taeuscht, verleit Herr Spell fuer solche Anlaesse entsprechende Anlagen, und weist auch jemanden ein, der das ganze bedient. Die Anlage wird nur hingestellt, Strom dran, fertig. Und die Anlage duerfte dann auch wohl etwas besser und staerker sein, als unsere kleine Hausanlage. Micha du interessierst dich doch fuer solche Dinge. Du koenntest dich dann doch von Herrn Spell einweisen lassen, und so als richtiger Discjockey fuer die Musik sorgen. Wie waere das?"

Micha sagte begeistert: "Das waere sogar super", dann sagte er aber beschaemt und leiser: "Aber ob Herr Spell das macht, wo wir doch bei ihm gestohlen haben?"

Sein Vater sah ihn extra mit dummen Gesicht an: "Wovon redest du, mein Sohn?"

Micha hatte jetzt noch mal bestaetigt bekommen, dass diese Angelegenheit endgueltig vom Tisch war. Und Herr Spell hatte ja auch gesagt, dass sie wieder in sein Geschaeft kommen konnten. Also sagte er: "Ja gut, wenn du Thimmy, auch einverstanden bist, dann kuemmere ich mich darum und uebernehme am Samstag die Musik."

Zu Hause angekommen, tobten sich die drei erst mal auf dem Rasen aus, wobei Herr Aster seine Kuenste als Torwart zeigen musste. Spaeter duschten sie und gingen noch in ein Eiscafee, wo sich jeder einen riesigen Eisbecher verdrueckte. Das Abendessen fiel dann auch entsprechend mager aus. Nicht nur durch die koerperlichen Aktivitaeten am Nachmittag, sondern auch durch den psychischen Stress, waren die Jungen ganz schoen muede und gingen schon eine halbe Stunde frueher ins Bett. Herr Aster wurde heute beim 'Gute - Nacht - Kuss' besonders lange gedrueckt.

Sie lagen alle drei in Thimmys Bett und schmusten miteinander und Thimmy sagte uebergluecklich das, was auch die anderen beiden dachten: "Jetzt bist du endlich unser richtiger Vati, und uns kann auch keiner mehr auseinander bringen."

Thimmy hatte fuer das grosse Fest sogar noch eine kleine Überraschung ausgedacht. Dieses las Herr Aster auf der schriftlichen Einladung, die er von seinem Sohn bekommen hatte. Die Einladungen hatte Thimmy ohne Hilfe am Computer erstellt, und sie waren hervorragend, fand Herr Aster. Thimmy hatte ihm erklaert, dass er 2 verschiedene Einladungen gemacht hatte. Eine Sorte fuer die Freunde aus dem Martinshaus, die er zu einem grossen Fest anlaesslich seines Geburtstags einlud. Die zweite Serie an die Freunde, die er sonst kannte. Hier hatte er dazu geschrieben: 'Ich moechte keine Geschenke, aber bringt Spielzeug mit, dass ihr zu viel habt und das in der Ecke liegt. Meine Freunde aus dem Martinshaus werden sich bestimmt darueber freuen.'

Eine tolle Idee fand Herr Aster. Micha musste sich zwar doch noch selbst Mut zu sprechen, aber er hatte dann doch den Schritt 'gewagt', und war zu Herrn Spell gegangen. Kein Wort erwaehnte dieser ueber den Diebstahl. Und somit war dann auch alles wegen der Musikanlage abgeklaert .

Thimmy konnte an seinem Geburtstag vor Aufregung nicht mehr schlafen, und 'geisterte' schon um halb sieben durch das Haus. Zum Glueck war das Wetter gut, dass war einer der Punkte, den Thimmy nicht kalkulieren konnte.

Thimmy bereitete schon das Fruehstueck vor und als sein Vati um sieben Uhr in die Kueche kam, fragte dieser erstaunt: "Oh, habe ich heute Geburtstag? Das ist ja mal was ganz neues, dass das Geburtstagskind das Fruehstueck macht. So, mein 'Kleiner Grosser', komm her und lass dich druecken. Herzlichen Glueckwunsch zu deinem dreizehnten Geburtstag!"

Er drueckte Thimmy ganz fest an sich und gab ihm einen Kuss. Dann ging er in sein Arbeitszimmer und Thimmy hoerte etwas klingeln. Das war doch nicht das Telefon oder die Tuerglocke. Thimmy sah in den Korridor, wo sein Vater ein Mountenbike vor sich herschob und sagte: "Das, Thimmy, ist dein Geburtstagsgeschenk!"

Thimmy glaubte zu traeumen und stand zuerst mit offenem Mund da. Er hatte sich schon lange so ein Rad gewuenscht, aber seinen Wunsch gar nicht geaeussert. Es war doch so entsetzlich teuer. Aber sein Vati hatte wohl mitbekommen, wie er einmal sehnsuechtig, genau dieses Rad in einem Schaufenster anschaute, als sie durch die Stadt gingen.

Er flog jetzt auf seinen Vati zu und fiel ihm um den Hals. Sein Vati haette beinahe sogar das Rad fallengelassen, konnte es dann aber doch noch abstellen. Lange drueckte ihn Thimmy und sagte immer wieder. "Danke Vati, danke Vati, danke Vati."

Dann liess er seinen ueber alles geliebten Vati los und er fragte ganz vorsichtig: "War das denn nicht zu teuer?"

Sein Vati lachte und sagte: "Fuer dich Thimmy, ist mir nichts zu teuer."

Thimmy kam sofort wieder eine Idee. "Mensch, dann brauch ich mein anderes Rad nicht mehr, da wird sich bestimmt einer meiner Freunde aus dem Martinshaus freuen. Und vielleicht koennen sich auch mehrere das Rad teilen?", war sein naechster Gedanke.

Herr Aster freute sich, dass Thimmy immer an seine Freunde im Heim dachte. Es war ein ganz besonders gute Eigenschaft von Thimmy. Er musste jetzt aber erst mal Thimmy ueberreden, zuerst zu fruehstuecken, bevor er die erste Probefahrt unternahm. Den Discjockey des heutigen Tages wollten sie noch schlafen lassen. Sie hatten gerade das Fruehstueck beendet, als Musik aus dem Zimmer der Jungen zu hoeren war. Diese Musik wurde immer lauter. Thimmy war aufgesprungen und rief: "Mensch das ist doch die Neue von..."

Weiter kam er nicht, denn jetzt stand schon Micha in der Tuer mit einem tragbarem CD-Player, aus dem die Musik kam, die Thimmy so begeisterte. Micha stellte das Geraet ab, nahm seinen Bruder in den Arm und sagte: "Thimmy, herzlichen Glueckwunsch zum Geburtstag", dann oeffnete er den CD-Player und nahm die CD heraus. Diese gab er Thimmy und sagte: "Das ist mein Geburtstagsgeschenk fuer dich."

Thimmy betrachtete die CD unglaeubig und sagte: "Aber Mensch, die gibt's doch noch gar nicht."

Micha sagte stolz: "Ja nicht hier, aber in den USA ist sie einige Tage eher auf den Markt gekommen. Ich wusste doch, dass du die Gruppe so gerne hoerst und brennend darauf wartest, dass es die neue Scheibe zu kaufen gibt. Als ich jetzt also bei Herrn Spell war, habe ich auch danach gefragt. Und als ich ihm dann sagte, dass sie heute fuer dich als Geschenk sein sollte, hat er alle Hebel in Bewegung gesetzt und gestern Abend war sie da."

Jetzt sauste Timmy noch mal auf seinen groesseren Bruder los und die beiden umarmten sich lange. Thimmy sagte: "Mensch, Micha das ist echt toll, danke, danke, danke."

Micha sagte: "Dann werde ich die heute mal besonders oft spielen, o. K. Thimmy?"

Das war ja ein ganz toller Beginn des Tages. Micha fruehstueckte jetzt noch schnell, denn bald wuerde auch schon Herr Spell mit der Musikanlage kommen. Thimmy machte seine erste Probefahrt und Herr Aster begann schon mit den ersten Vorbereitungen. Eine Stunde spaeter herrschte im Garten hektisches Treiben. Thimmy half seinem Vati dabei den Garten mit Faehnchen und Luftballons zu dekorieren. Micha hatte schon ein Stromkabel nach draussen gelegt, als Herr Spell mit dem kleinen Anhaenger eintraf.

Er hatte eine Rolle Papier in der Hand, ging zuerst zu Thimmy und sagte: "Herzlichen Glueckwunsch zu deinem dreizehnten Geburtstag. Hier habe ich ein kleines Geschenk fuer dich." Damit gab er Thimmy die Rolle, die dieser jetzt entrollte und heute schon zum dritten Male ueberrascht wurde. "Oh", mehr bekam er erst nicht heraus.

Herr Spell sagte dazu: "Ich garantiere dir dafuer, dass die Unterschriften nicht aufgedruckt sind, sondern jeder hat original unterschrieben."

Thimmy kam aus dem Staunen nicht heraus und jetzt kam auch sein Vati hinzu, um zu schauen, was Thimmy so sprachlos machte. Thimmy starrte immer noch auf ein grosses Poster, auf dem die Gruppe abgebildet war, die Herr Aster schon auf der CD gesehen hatte. Thimmy hatte schon etwas waesserige Augen als er Herrn Spell ansah und zuerst nur, "Wie haben..., wie sind sie...,"

Herr Spell strich ihm ueber den Kopf und sagte: "Als ich fuer deinen Bruder die CD besorgt habe, musste ich so ein bisschen meine Beziehungen spielen lassen. Und da ich schon mal dabei war, dachte ich mir, dass du dich hierueber auch freuen wuerdest."

Jetzt legte Thimmy das Poster ganz vorsichtig an die Seite und umarmte Herrn Spell: "Danke Herr Spell, dass ist so ein tolles Geschenk, da werden mich viele drum beneiden. Vielen, vielen Dank Herr Spell."

Das Poster brachte Thimmy jetzt erst in sein Zimmer. Hier draussen konnte er so etwas Wertvolles nicht liegen lassen. Als Thimmy wiederkam hatten die anderen die Anlage schon aus dem Anhaenger gerollt. Micha liess sich gerade von Herrn Spell die Musikanlage zeigen und die beiden schienen sich sehr gut zu verstehen. Micha wurde rot im Gesicht als Herr Spell sagte: "Also, ich habe bisher noch niemanden gehabt, der so schnell gelernt hat, damit umzugehen, echt toll, Micha."

Herr Spell ging dann zu Herrn Aster rueber, der ihm zugewinkt hatte. Herr Aster sagte jetzt ganz offiziell: "Sie haben sich ja solch eine Muehe fuer uns gemacht, jetzt lade ich sie zu einem Bier ein."

Die beiden gingen jetzt in die Kueche und dort sagte Herr Spell: "Du hast schon wirklich zwei ganz tolle Soehne, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie sich ueber Geschenke noch richtig freuen koennen. Nicht so, wie bei vielen anderen Kindern, die alles als so selbstverstaendlich betrachten und die Werte gar nicht mehr richtig einschaetzen koennen."

So ein kleines bischen streckte jetzt der stolze Vater seine Brust vor. Nach diesem Bier musste Herr Spell auch wieder zurueck und Herr Aster wieder an die 'Arbeit'. Aber so gerne wie heute hatte er noch nie 'gearbeitet'. Micha trainierte schon etwas mit der Musikanlage und Thimmy war immer noch bemueht alles schoen zu dekorieren. Er hatte einen rotgluehenden Kopf vor lauter Aufregung.

Herr Aster stand jetzt auf einer Leiter am Rand des Gartens. Er gab vorbeigehenden Nachbarn, die nachfragten, gerne Auskunft und erklaerte: "Mein Thimmy feierte heute seinen dreizehnten Geburtstag und wir machen ein grosses Fest."

Nachdem sich das wohl herumgesprochen hatte, kamen auch immer mehr Nachbarn um Thimmy zu gratulieren. Jeder hatte noch schnell ein kleines Geschenk besorgt, denn Thimmy, und auch Micha, waren als hoefliche, zuvorkommende Jungen bekannt. Dabei war diese Hoeflichkeit und Hilfsbereitschaft fuer die beiden nichts besonderes, sondern selbstverstaendlich.

Saeter vormittags wurde Thimmy mit einem Mal ans Bein gestossen. Als seine Hand an die Stelle ging, spuerte er etwas feuchtes, drehte sich um und sah, er hatte eine Hundeschnauze beruehrt. Und den Hund kannte er sogar sehr gut. "Rex, wo kommst du denn her, du bist doch wohl nicht weggelaufen?"

Thimmy streichelte erst ein mal den Schaeferhund. Dann sah er sich um und sah auch die Besitzerin in den Garten kommen. Frau Schrade benutzte noch einen Stock zum Gehen und hatte in der anderen Hand etwas grosses Rundes, dass mit einem Kuechentuch bedeckt war. Sie war jetzt bei Thimmy angekommen, stellte das Mitgebrachte auf einen Tisch und gab Thimmy die Hand: "Guten Morgen Thimmy, herzlichen Glueckwunsch zum Geburtstag. Ich habe es heute morgen erst erfahren und habe dann sofort begonnen ein Geschenk fuer dich zu machen."

Sie zog jetzt das Kuechentuch von dem Mitgebrachten und ein schoener Kuchen strahlte Thimmy an. Diesem Kuchen sah man direkt an, mit wie viel guten Zutaten und wie viel Liebe der gebacken war. Thimmy strahlte und bedankte sich bei Frau Schrade. Diese wuenschte noch einen schoenen Tag und ging wieder, wobei sie Rex ein paar mal rufen musste, damit er mitkam.

Am Gartentor traf sie auf Herrn Aster und sagte nach der Begruessung: "Ich habe Thimmy auch erst mal ein Geschenk gebracht, denn ihr Thimmy ist ein besonders netter Junge. Ich haette gar nicht gewusst, was ich die ganzen Wochen ohne ihn haette machen sollen." Sie zeigte auf ihren Fuss. "Gebrochen war er, und ich konnte nicht laufen. Und Thimmy hat fuer mich immer eingekauft und hat Rex ausgefuehrt. Ohne ihn haette ich ganz schoen dumm dagestanden. Sie koennen richtig stolz auf Thimmy sein. So, jetzt muss ich aber weiter, ganz so schnell geht's ja doch noch nicht. Schoenen Tag noch, Herr Aster."

Herr Aster streckte wieder seine Brust etwas vor, aber er hatte ja auch allen Grund dazu. Er dachte zurueck und konnte sich gar nicht mal erinnern, dass Thimmy davon erzaehlt hatte, dass er wochenlang der Frau Schrade geholfen hatte. Das wollte er jetzt aber wissen. Er ging zu Thimmy und sagte: "Frau Schrade hat mir gerade erzaehlt, dass du ihr wochenlang so prima geholfen hast. Wie hast du das denn eigentlich alles gemacht, wenn du hier auch noch Hausdienst hattest. Und du hast das auch gar nicht erzaehlt?"

Thimmy sagte ganz selbstverstaendlich: "Warum soll ich das denn gross erzaehlen? Nun, die Frau Schrade konnte doch nicht laufen, und da musste ihr doch wenigstens jemand die Einkaeufe machen und mit Rex rausgehen. Und wie ich das geschafft habe? Vati, das ist alles eine Sache der Organisation."

Und schon war Thimmy wieder in seinem Element und fragte: "Vati, du denkst daran, dass du so in einer halben Stunde losfaehrst um Ingo abzuholen?"

Herr Aster stand stramm und nahm eine Hand an die nicht vorhandene Muetze: "Jawohl Sir, wird prompt erledigt."

Die beiden lachten und kuschelten sich aneinander. Die grosse Kindergeburtstagsparty wurde fuer alle ein ganz tolles Erlebnis. Die Kinder tollten herum und schlemmerten Kuchen und Eis. Natuerlich nicht nur den Kuchen von Frau Schrade, sondern auch noch eine Menge Kuchen, den Herr Aster aber von einer Baeckerei kommen gelassen hatte. So viel Kuchen backen haetten sie dann doch wohl nicht geschafft.

Die Kinder aus dem Martinshaus waren erst noch etwas schuechtern. Sie konnten gar nicht richtig begreifen, dass sie hier nach Lust und Laune schlemmen durften. Aber nach einigem Zoegern kamen auch sie immer wieder zu Herrn Aster, der hauptsaechlich die Kinder bediente, und holten sich Nachschub. Jetzt wo der Hunger so einigermassen gestillt schien, standen Herr Aster und Thimmy bei Micha an der Musikanlage. Dieser erklaerte den beiden stolz die ganzen Funktionen der Knoepfe und Schalter. Gerade als Thimmy und sein Vati wieder weggehen wollten, kam Frau Krall, eine Nachbarin, angelaufen.

Vor Zorn rot im Gesicht, keifte sie los: "Das geht jetzt aber zu weit, der Laerm durch die vielen Kinder und dann auch noch diese laute Musik. Mach die sofort leiser", sagte sie zu Micha. Dessen Hand ging schon erschrocken zum Lautstaerkeregler, als sein Vati seine Hand festhielt.

Er drehte sich zu Frau Krall und sagte: "Ich erziehe meine Soehne zur Hoeflichkeit und das bedeutet, dass man erst einmal "Guten Tag" sagt. Guten Tag Frau Krall, was koennen wir fuer sie tun?"

Frau Krall war etwas aus ihrem Konzept geraten, sagte dann aber doch: "Guten Tag," bevor sie wieder keifte: "Also, Herr Aster, der Laerm ist einfach zu viel fuer meine Nerven, stellen sie sofort die Musik leiser. Sie wollen doch wohl nicht, dass ich die Polizei hole." Sie ging jetzt etwas naeher an Herrn Aster heran und sagte leiser: "Und der da", damit zeigte sie auf Ingo in seinem Rollstuhl, "der macht ihnen den ganzen Rasen kaputt, ich verstehe da was von. Ich habe ja nichts gegen solche, aber den ganzen Tag den Anblick?"

Jetzt platzte Herrn Aster aber der Kragen. Er blickte Frau Krall so zornig an, wie ihn seine Soehne noch nicht gesehen hatten. Als Herr Aster jetzt loslegte, zogen Thimmy und Micha erschrocken die Koepfe ein. "Erstens: Die Musik bleibt so laut wie sie ist. Sie koennen auch gerne die Polizei holen. Aber bereiten sie sich darauf vor, dass jedes Mal, wenn sie in Ihrem Garten zu laut sind, auch kuenftig die Polizei vor ihrer Tuer steht. Denn wenn sie fast an jedem Wochenende, Besaeufnisse in ihrem Garten veranstalten und bis zum anderen Morgen herumgroelen, dass ist eine unzumutbare Laermbelaestigung. Oft sind meine beiden Jungen am anderen Morgen nicht ausgeschlafen, weil sie durch ihren Laerm immer wieder geweckt wurden."

Frau Krall war puterrot im Gesicht geworden und schnappte nach Luft. Sie fand aber keine Worte um in der kleinen Pause, die Herr Aster machte, etwas zu sagen. Dann kam der zweite Teil der Lektion fuer Frau Krall. Herr Aster sagte, indem er jetzt mit einem Finger auf Ingo zeigte: "Zweitens, Frau Krall: 'Der' da, ist Ingo, ein guter Freund meines Sohnes, mit dem Thimmy hier spielen kann, wann und wie lange er moechte. Ich denke sie haben nichts gegen 'Solche', aber wohl nur dann nicht, wenn sie sie nicht sehen. Die sollen wohl schoen weit weg irgendwo leben, schoen unter sich, damit sie, durch den Anblick nicht gestoert werden. Ich kann ihnen nur raten, wegzuziehen, wenn sie den Anblick nicht ertragen koennen. Ich jedenfalls bewundere den kleinen Burschen, der mit seinem Schicksal besser zurecht kommt, wie manch ein Erwachsener. Vor einem Jahr hat er noch genauso rumspringen koennen wie die anderen Kinder, bevor ihn ein besoffener Autofahrer ueberfahren hat."

Herr Aster war vor Zorn rot geworden und fuegte noch an: "Ach, und das ist sehr nett von ihnen, dass sie sich um meinen Rasen Sorgen machen. Aber ich brauche ihren Rat nicht. Fuer mich ist dieses kein Zierrasen, den niemand betreten darf, sondern eine Spielwiese fuer meine Kinder. So, Frau Krall, und jetzt verlassen sie sofort mein Grundstueck."

Herr Aster hatte schon ernsthafte Bedenken und hoffte, dass die Frau bloss keinen Herzinfarkt erlitt. Sie fuchtelte herum und japste nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann drehte sie sich um, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, stapfte sie wuetend davon. Thimmy hatte die Zeit mit offenem Mund dagestanden und konnte nur sagen: "Poah".

Micha sagte: "Mensch, Vati, so kenn ich dich ja gar nicht."

Sein Vati sagte schmunzelnd: "Dann legt ihr zwei es besser nicht darauf an, mich so kennen zu lernen."

Herr Aster wurde schon wieder an der grossen Eistruhe gebraucht. Micha und Thimmy schauten sich mit grossen Augen an, und jeder war richtig stolz auf seinen Vati. Sonst hielten doch die Erwachsenen immer zusammen, aber ihr Vati hatte ganz toll zu ihnen gehalten und sich fuer sie eingesetzt. Einfach Klasse, wie er der "Kralle", der Spitzname von Frau Krall, die Meinung gesagt hatte.

Fuer Thimmy kam noch ein Gratulant. Herr Fink, auch ein Nachbar, gratulierte ihm und gab ihm ein Geschenk. Als Thimmy das Geschenk oeffnete, sagte Herr Fink erlaeuternd: "Das ist auch dafuer, dass du mir damals mal geholfen hast, meinen Kofferraum auszuraeumen. Als ich mich bei dir bedanken wollte, warst du schon wieder verschwunden. Ich hoffe, dass ich eben noch den richtigen Namen und die richtige Nummer in Erinnerung hatte, von dem du mir erzaehlt hast."

Damit deutete er auf den Namen, der auf dem Trikot aufgedruckt war, dass Thimmy gerade auspackte. Thimmy jubelte auf, und das war schon der Beweis, dass Herr Fink den richtigen Namen im Kopf hatte. Thimmy bedankte sich bei Herrn Fink und zog das Trikot stolz ueber sein T-Shirt. Hinten war die Nummer und der Name des Fussballspielers zu lesen, den Thimmy so besonders gut fand.

Herr Fink ging herueber zu Herrn Aster und fragte leise, denn er wollte den Kindern ja kein schlechtes Beispiel geben: "Richard, was war denn mit der "Kralle" los? Die kam hier ja wuetend herausgerast und fluchte vor sich hin."

Herr Aster erzaehlte ihm von der Lektion, die er der "Kralle" erteilt hatte. Herr Fink nickte: "Das war richtig, was die manchmal fuer einen Laerm bei ihren Partys machen, dass geht bald wirklich zu weit. Na, und das einige Menschen die Behinderten immer noch wie Aussaetzige behandeln, ist schon traurig. Ja, Richard mach's mal noch gut, ich habe noch was zu tun."

Aber auch dieser schoene Tag ging einmal zu Ende. Thimmy trommelte noch seine Freunde aus dem Martinshaus zusammen und zeigte ihnen dann das ganze Spielzeug, was seine anderen Freunde mitgebracht hatten. Auch er hatte noch einiges zulegen koennen, von Dingen, die er heute doppelt bekommen hatte. Auch Micha hatte einiges von seinem Spielzeug herausgesucht, und somit lag ein riesiger Berg mit Spielzeug unter der Veranda. Thimmys Freunde staunten nicht schlecht, als er ihnen erklaerte, dass sie das alles mitnehmen durften. So bescheiden wie diese Kinder waren, gab es auch keinen Streit darueber, wer was bekam. Die meisten Spielsachen, konnten sowieso alle benutzen und sie sollten zu den anderen wenigen Spielsachen, die im Haus waren.

Herr Kuhland, der sich freundlicherweise bereit erklaert hatte, 'seine' Jungs mit einem Bully abzuholen, war ueber die Idee von Thimmy und die Grosszuegigkeit der anderen Kinder auch sehr erstaunt. Herr Aster sagte jetzt zu seinen Soehnen: "Raeumt nur das weg, was nicht nass werden darf, fuer den Fall, dass es heute Nacht regnet. Den Rest koennt ihr morgen machen. Ich bringe jetzt Ingo nach Hause."

Ingo legte seine Arme um den Hals von Herrn Aster, damit dieser ihn aus dem Rollstuhl ins Auto setzen konnte. Er umarmte Herrn Aster aber fester, wie es eigentlich notwendig war, und Ingo sagte: "Danke Herr Aster, dass sie das eben gesagt haben, und dass ich weiter zu ihnen kommen und mit Thimmy spielen darf." Dann gab er Herrn Aster einen Kuss.

Herr Aster konnte zuerst gar nichts sagen. Erst als er sich neben Ingo in das Auto setzte, fragte er: "Du hast das gehoert?"

Ingo nickte und lachte schelmisch: "Meine Ohren sind doch nicht kaputt, ich habe auch gehoert was die Frau gesagt hat. Aber an so was bin ich schon gewoehnt. Noch mal, danke Herr Aster."

Herr Aster dachte: >Was hat der kleine Kerl bloss fuer eine Staerke?< Kurz bevor er ihn ins Haus seiner Eltern schob, kuesste er ihn auf die Stirn und sagte: "Schlaf gut, Ingo, und bleib weiter so tapfer."

Als Herr Aster zurueck kam, war kaum noch etwas davon zu sehen, dass hier noch vor kurzer Zeit ueber 30 Kinder getobt hatten. Thimmy und Micha hatten schon mit vereinten Kraeften die Spuren beseitigt. Jetzt waren beide auch ganz schoen muede und gingen direkt in ihr Zimmer. Auch Herr Aster spuerte frueh, wie die Muedigkeit in ihm hoch kroch und ging auch frueh schlafen.


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