Vaters Gartenlaube German


by Hans Jorgens

Wir lebten im Hause meiner Oma muetterlicherseits, einer hoch intelligenten, sanften Frau. Sie und mein Vater waren selten einer Meinung, und besonders hoch her ging es stets bei Diskussionen zum Thema Pruegelstrafe. Waehrend Grossmutter eine absolute Gegnerin der koerperlichen Zuechtigung war, beharrte mein Vater darauf, dass eine kraeftige Abreibung noch keinem Jungen geschadet haette. Er selbst war bis zu seinem 18. Lebensjahr fuer jedes noch so kleine Vergehen mit einer Reitpeitsche geschlagen worden, und zwar gelegentlich so heftig, dass er blutige Striemen auf dem Gesaess hatte und Tage lang nicht ohne Schmerzen sitzen konnte. Sein Vater hatte ihm stets die Haende und die Fuesse zusammen gebunden, damit er sich nicht gegen die Abstrafung wehren konnte. Lange Zeit hatte er ihm diese Form der Zuechtigung nicht verzeihen koennen, doch spaeter war er zu der Meinung gelangt, dass ihn jene grausame Behandlung letztlich zu einem ehrlichen und harten Menschen geformt hatte, der sich 'im Leben durchsetzen' konnte.

Da mein Vater sich nicht traute, seinen eigenen Sohn in Gegenwart meiner Oma zu versohlen, hatte er sich fuer diesen Zweck einen anderen Ort ausgesucht, und zwar die Laube seines Kleingartens, der in der Naehe unseres Hauses lag. Wenn ich nun etwas angestellt hatte oder 'frech' gewesen war, dann hiess es bei ihm stets: "Heute Abend brauche ich dich im Garten!". Meine Oma schoepfte keinen Verdacht, denn was konnte sie sich schon dabei denken, wenn ihr Enkel seinem Vater bei der Gartenarbeit helfen sollte? Ich aber begann bereits bei dieser Ankuendigung innerlich zu zittern, wusste ich doch sehr genau, was im Garten wirklich auf mich zukommen wuerde. Meine Mutter, die natuerlich eingeweiht war, sah mich stets mit einem mitleidsvollen Blick an und gab einen tiefen Seufzer von sich. Im uebrigen waere mein Vater nie auf die Idee gekommen, mich tatsaechlich fuer Gartenarbeiten einzuspannen, denn er wusste, wie ungeschickt ich war und wie talentlos fuer jegliche praktischen Taetigkeiten.

Wenn das Abendessen vorbei war, genuegte ein Blick meines Vaters, und ich ging in den Keller, um unsere Fahrraeder bereit zu stellen. Nach wenigen Minuten schweigender Fahrt hatten wir die Gartenkolonie erreicht und gingen in die hoelzerne Laube, deren groesster Raum wie ein sehr einfaches Wohnzimmer eingerichtet war. Vater schloss die Tuer von innen ab. Die Fenster blieben von aussen verriegelt, so dass kein ungebetener Gast Zeuge des Geschehens werden konnte. Bei kuenstlichem Licht wirkte der Raum fast gemuetlich, doch mir wird er trotzdem stets als 'Schreckenskammer' in Erinnerung bleiben.

Mit den Jahren war mir jede Handlung, die nun folgte, in Fleisch und Blut ueber gegangen. Mein Vater brauchte nichts zu sagen, alles geschah gleichsam automatisch. Aus einem winzigen Nebenraum, der als Abstellkammer diente, holte ich den biegsamen Rohrstock hervor und gab ihn Vater in die Hand. Dann stellte ich mich vor den alten Tisch, auf dem eine Kerze und ein flacher Obstkorb standen, und oeffnete mit bebenden Fingern meinen Hosenbund. Im Winter trug ich meistens eine lange Stoffhose, im Sommer stets die kurze Lederne. Ich liess die Hose ueber die Knie rutschen und zog danach auch meinen Slip herunter. Schliesslich beugte ich mich ueber den freien Teil der Tischplatte und hielt mich mit den Haenden an der gegenueber liegenden Kante fest. Meistens dauerte es noch etliche Sekunden, bis mein Vater mit der Zuechtigung begann. Dann kam der erste schreckliche, sengende Hieb, und ich schrie laut auf, doch niemand wuerde mich hier hoeren koennen. In regelmaessigen Abstaenden von etwa zehn Sekunden erhielt ich, je nach Vaters Gesamtstimmung und der Schwere meines Vergehens, zwischen sechs und achtzehn Schlaege auf mein entbloesstes Hinterteil.

Wenn es vorbei war, brachte Vater den Rohrstock eigenhaendig in den Abstellraum zurueck, schloss die Laubentuer auf und ging nach draussen, um im Garten zu arbeiten oder einen Schwatz mit dem Parzellennachbarn zu halten. Ich zog meine Hosen ueber die misshandelten Pobacken und legte mich heulend auf ein altes braunes Sofa, bis ich mich etwas gefangen hatte. Erst, wenn keine Spuren meiner Traenen mehr zu sehen waren, fuhren wir nach Hause. Den Schmerz meiner Sitzflaeche auf dem harten Fahrradsattel und das hartnaeckige Schweigen meines Vaters werde ich nie vergessen.

Meine Grossmutter hat all die Jahre nichts von den Geschehnissen bemerkt. Sie starb, als ich vierzehn war, und von jenem Zeitpunkt an war der Platz des Rohrstocks nicht mehr in der Gartenlaube, sondern in meinem Zimmer auf dem Kleiderschrank. Meine letzte Tracht bekam ich mit siebzehn Jahren nach einem etwas lauteren Wortwechsel am mittaeglichen Essenstisch. Vater haute mich in meinem Zimmer kraeftig durch und sagte dann: "Glaub' ja nicht, dass du zu alt dafuer bist, mein Freundchen. Und wenn du jemals wieder frech wirst, kriegst du deine Dresche, verlass' dich drauf!". Bis ich mit zweiundzwanzig Jahren das elterliche Haus verliess, wagte ich es nie mehr wieder, aufzumucken. Und wenn ich heutzutage an irgendeiner Kleingartenkolonie vorbei komme, stellt sich unweigerlich ein seltsames Gefuehl in der Magengegend ein.


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