Zum besseren Verstehen der Geschichte lesen sie zuerst bitte die vorherigen Folgen. Auch hier muss ich darauf aufmerksam machen, dass auf Grund der Gesetze, dieses Maerchen nur fuer Erwachsene bestimmt ist. Ohne die Zustimmung des Autors darf die Geschichte nicht an anderen Stellen veroeffentlicht werden. Ich hoffe, dass Sie erleben moechten, wie es im Greygton weitergeht und auch diese Kapitel lesen, auch wenn sie nicht mehr so viel Spank- und _s_e_x_scenen enthalten. Ich wuerde mich ueber Meinungen dazu sehr freuen.< I>
21 Die letzte Lektion< B>
Das einzige Positive, was Garroff an seinem "Entlassungstag" empfand, war, dass endlich die Demuetigungen und die Pruegel aufhoerten. Er war in den letzten Tagen noch "sehr aufmerksam" behandelt worden. Er sollte doch wenigstens einige Erinnerungen in sein neues Leben mitnehmen. Diese Andenken behandelte er an diesem Morgen mit der verdammt, brennenden Tinktur von Doktor Coldek. Er wusste gar nicht wo er anfangen sollte, denn er meinte, auf seinen Oberschenkeln und seinem Arsch, gar keine Haut mehr zu haben. Matthews hatte im grosszuegig, lachend erklaert, dass er den Rest in der Flasche auch mitnehmen duerfe.
Gerade den letzten Abend hatten ihn die Fagmeister brutal behandelt. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass das, was sie ihm in den Arsch gerammt hatten, ihre Schwaenze gewesen waren. Als er seine Klamotten angezogen hatte, watschelte er immer noch so breitbeinig, wie eine Ente. Er musste jetzt nur noch einen der Fagmeister darum bitten, ihm die Tuer in die Freiheit zu oeffnen. Er konnte sich dann von Kardik, wie abgesprochen, das Geld abholen und dann war er endlich raus hier.
Im Buero von Direktor Kardik waren auch die Vorbereitungen fuer Garroffs Abschied beendet. Kardik sagte: "Asterby, sie haben aber auch an alles gedacht, ihr Wagen ist auch nicht zu sehen." Der Richter sagte: "Ich ueberlasse nichts dem Zufall und habe mich hierher bringen lassen. Garroff koennte meinen Wagen schon mal gesehen haben, und dann wuerde er vielleicht etwas ahnen. Obwohl ich nicht glaube, dass er gleich Zeit hat, um auf Autos auf dem Parkplatz zu achten."
Alle lachten laut, bis Richter Asterby die Regie uebernahm, und sagte: "Sie, Awens und Crafton, sollten am besten schon Mal an die frische Luft gehen. Sie kennen ja die Positionen, es kommt nur darauf an, dass Garroff in den Wald 'flieht'. Ich denke das wuerde er auch sonst machen, aber wenn er sie dann an den anderen Seiten bei ihrer Frischluftpause sieht, wird er ganz bestimmt in das schoene, grosse Waldgebiet laufen. Ab dann uebernimmt ihn Matthews von nebenan, und wird meine Jagdgesellschaft ueber Funk so steuern, dass Garroff genau dahin 'flieht', wohin wir es wollen."
Lingston strich jetzt Toni ueber das Haar und sagte: "Du siehst gut aus, dann mal auf deine Position. Angst brauchst du wirklich nicht zu haben. Du weisst ja, ich bin hier und kann jederzeit eingreifen. Hoffentlich flieht Garroff schnell, denn lange, halte ich es in dem Schrank nicht aus. Also, Herr Direktor, fuer solche Aktionen, und dann ich als Beteiligter im Schrank, da muessen sie sich aber kuenftig breitere Schraenke anschaffen." Beide lachten, auch Direktor Kardik stimmte mit ein, und beschaeftigte sich dann intensiv mit irgendwelchen Plaenen.
Garroff hatte sein "Gefaengnis" ohne etwas zu sagen verlassen. Die Bewacher, die anwesend waren, legten auch keinen Wert darauf, dass er sich von ihnen verabschiedete. Als sich die Kellertuer hinter ihm schloss, atmete er tief durch und dachte nur: >Endlich!< Er ging dann weiter zu Direktor Kardiks Buero, und nach dem "Herein!" betrat er das Buero. "Ach, Garroff", wurde er von Direktor Kardik begruesst, wobei dieser sehr beschaeftigt tat.
"Ich muss oben im Flur, den Jungen noch ganz schnell etwas mitteilen, sonst laeuft da was falsch. Einen Moment Geduld, ich bin sofort wieder da. Aber auf zwei Minuten, kommt es jetzt ja auch nicht mehr an." Mit diesen Worten ging der Direktor auch schon zur Tuer und war verschwunden. Garroff war in dem Buero seit der Neugestaltung noch nicht gewesen, und sah sich um. Er wollte sich gerade auf einen Stuhl setzen um zu warten, als er aus der Ecke des Zimmers ein Stoehnen?, nein, es war mehr ein Roecheln, hoerte. Was war das denn, dachte Garroff und ging hin, um nachzuschauen. Das Roecheln hatte jetzt aufgehoert, aber Garroff war doch neugierig geworden. Er musste um einen Tisch herum gehen, um in die Ecke sehen zu koennen.
Garroff erstarrte und war einige Sekunden bewegungsunfaehig. Sein Gehirn konnte das, was er sah, gar nicht als Tatsache verarbeiten. Ein Junge lag dort auf dem Bauch in einer riesigen Blutlache, das T-Shirt war hochgeschoben und die Hosen heruntergezogen. Garroff geriet in Panik, drehte sich hilfesuchend nach allen Seiten um und wagte einen zweiten Blick, auf dass was er nicht begreifen konnte. Das helle Gesaess des Jungen strahlte ihm entgegen, und das Gesicht war nicht ganz zu erkennen. Eine lange Wunde am Hals war offensichtlich die Ursache fuer das viele Blut. Den Jungen kannte er, dass war doch Toni. Er wollte aufschreien, aber seine Stimme versagte.
Allmaehlich hatte sein Gehirn alles verarbeitet, aber die Gedanken, die ihm jetzt kamen, erfasste er nur in Bruchstuecken: >Tod, Mord, wer?, ich?, Neeeiiiin, sonst ist hier niemand; wenn jemand kommt? Jeder denkt ich haette, aber ich hab doch ...,< Seine Gedanken wurden kurz abgelenkt, denn er hoerte Stimmen auf dem Korridor, die lauter wurden. >Da kommen welche, verdammt, ich stehe hier vor einer Leiche, keiner wird mir glauben, dass ich es nicht gewesen bin, Abhauen, was anderes geht nicht, am Besten durch das Fenster, weg hier, bloss weg!< Er lief zum naechsten Fenster, schwang sich hinaus und rannte um sein Leben. Er hatte gluecklicherweise schon seine Jacke angezogen, denn es war recht kalt, es lag aber kein Schnee.
Im Buero des Direktors kam Lingston aus dem Schrank und die "Leiche" stand auf. Lingston lief zur Tuer und rief so laut er konnte: "Alles in Ordnung"!
So allmaehlich versammelten sich alle Beteiligten am "Tatort", auch der Regisseur des Ganzen, Richter Asterby. Lingston erzaehlte: "Genau wie sie gesagt haben, Richter Asterby. Er war viel zu geschockt, um sich Toni naeher anzusehen."
Direktor Kardik wandte sich an Richter Asterby: "Wenn sie kein Richter geworden waeren, haetten sie auch Filmregisseur werden koennen. Ich denke, jetzt wollen sie ihren Beruf aber doch wohl nicht mehr wechseln?" Alle lachten, nur Toni war noch ein bisschen blass. Er wurde aber auch bald munter, als alle ihm zu seiner schauspielerischen Glanzleistung gratulierten. "Das war auch eine Menge Arbeit, und ohne ihren Maskenbildner, Herr Richter, haette das nicht geklappt," sagte Toni, und wischte sich das "Blut" ab.
Richter Asterby sagte: Dann wollen wir mal nach nebenan gehen, der Einsatzzentrale 'Garroff'. So, dass war der erste Akt. Matthews, was macht denn unser ausgeflogener Vogel?" Matthews sah auf einen kleinen Bildschirm und sagte: "Der Sender, den er in seinen Klammotten hat, funktioniert hundertprozentig. Wir haben ja auch oft genug getestet. Er ist direkt in das Waldgebiet gelaufen. Wie man hier sogar erkennen kann, hat er es anscheinend sehr eilig. Jetzt wird ihm der morgendliche Fruehsport zu Gute kommen." Matthews setzte sich jetzt eine Mikrofon- Kopfhoererkombination auf und sprach irgendwelche Buchstaben in das Mikro.
Herr Kardik meinte jetzt: "Wenn also nichts Besonderes geschieht, koennen wir erst Mal in Ruhe einen Kaffee trinken. Die anderen vier haben es wohl nicht so eilig, wie Garroff. Sie Matthews haben ja alles im Griff." Dieser nickte und konzentrierte sich wieder auf den Monitor.
Garroff stuetzte sich zu dieser Zeit an einen Baum und keuchte. Er wusste gar nicht, wie lange er schon gelaufen war. Sein einziger Gedanke war: >Weg, bloss weg.< Garroff musste kurze Zeit ausruhen, er bekam einfach keine Luft mehr. Er liess sich auf die Erde sinken und versuchte seine Gedanken zu ordnen.
Die Gedanken, die er sortieren konnte, waren mehr als schrecklich. Er konnte seine Traenen nicht zurueckhalten, er heulte jetzt wie ein Kleinkind. Immer wieder hob er den Kopf, um zu horchen, ob er vielleicht die Hunde seiner Verfolger hoerte. Nein, das Bellen war leiser geworden, sie suchten zum Glueck in der falschen Richtung.
Ruhig, ich habe doch dem Toni nichts getan, aber er lag doch da, verdammt. Und das viele Blut, und geruehrt hat er sich auch nicht mehr. Ich hab, verdammt noch mal vor Tonis Leiche gestanden und bin abgehauen. Vielleicht haette ich doch nicht abhauen sollen, dann haette sich vielleicht alles aufgeklaert. Aber was gab es zu klaeren. Jeder weiss, dass ich die Baelger hasse. Und dann findet man mich vor Tonis Leiche, da ist doch sofort alles klar. Da bin ich doch sofort der Taeter. Verflixt, wie lange sitze ich denn schon hier?<
Garroff schaute auf die Uhr. Die Zeit war aber jetzt egal, denn er hoerte das Bellen der Hunde wieder lauter. Er rappelte sich auf und lief weiter.
Im Buero von Direktor Kardik erschien jetzt Watt. Es war vorher schon alles genau abgesprochen, so dass sie sich nur noch das Startgeld abholen mussten. Sie nahmen auch alle das Angebot ihrer bisherigen Aufpasser an, die sie zu ihren neuen Wohnungen bringen wollten. Direktor Kardik sagte jetzt zu Watt: "Dort in dem grossen Karton, sind noch Sachen von ihnen, aus ihrem damaligen Aufenthaltsraum. Vielleicht sollten sie damit im Flur warten, bis die anderen drei kommen, um die Dinge aufzuteilen." Watt stimmte zu und nahm das Startgeld von Direktor Kardik entgegen. Er nahm dann den Karton und ihm fiel nichts besseres ein, als nur "Auf Wiedersehen" zu sagen, als er das Buero verliess.
Toni sass zu der Zeit nebenan bei Matthews, da er wegen der "Belastungen" am heutigen Tag, vom Unterricht befreit war. Er verstand nicht so richtig was Matthews dort machte, wollte diesen aber auch nicht stoeren. Deshalb fragte er Lingston, der gerade hineinkam.
Dieser erklaerte ihm: "Du weisst ja, dass wir Garroff mit einem Minisender ausgestattet haben. Matthews sieht jetzt auf dem Monitor ganz genau, in welche Richtung er laeuft. Da draussen ist aber auch die Jagdgesellschaft vom Richter, die mit ihren Hunden einen Spaziergang machen. Diese stehen mit Matthews in Funkverbindung. Wenn also Garroff nicht mehr dahin laeuft, wohin wir wollen, gibt Matthews Anweisungen an diese Freunde vom Richter. Die gehen dann naeher an Garroff heran, oder auch mal wieder etwas weiter weg, Garroff braucht ja auch mal eine Pause."
Matthews der jetzt die Mikrofon- Kopfhoererkombination an Lingston weitergab, erklaerte weiter: "Du weisst ja, wir trainieren auch sehr viel, und seitdem wir den Plan kennen, haben wir nur noch im Wald trainiert. Dadurch kennen wir also fast jeden Baum, und wir haben dann das ganze Gebiet in Quadrate aufgeteilt. Diese haben wir auch mit den Jaegern abgesprochen. Daher brauchen wir auch nur Buchstaben zu nennen, die du eben gehoert hast. Eine ganz interessante Hasenjagd."
Garroff musste unterdessen wieder anhalten und er schaute auf die Uhr. Es war inzwischen schon 14,30h. Er horchte wieder in den stillen Wald, aber nur sehr weit entfernt hoerte er leise die Hunde bellen. Er versuchte sich irgendwie zu orientieren, und schaute in den klaren Winterhimmel. >Irgendetwas dreht sich da doch, wie war das denn nochmal? Die Erde um die Sonne oder dreht diese sich um die Erde? Irgendwie so was.< Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Immer wieder hatte er das Bild der Leiche vor Augen. Gerade, dass er sich etwas erholt hatte, hoerte er auch schon wieder seine Verfolger. Wieder stand er auf und lief weiter.
Kardik hatte inzwischen auch die anderen drei Suender verabschiedet. Worrad hatte sich dazu durchgerungen, ihm zum Abschied die Hand zu geben. Baxter ebenso, und undeutlich hatte er genuschelt: "Es tut mir alles sehr leid, und vielen Dank, dass sie alles so geregelt haben. Auf Wiedersehen, Herr Direktor." Shaver hatte sogar glasige Augen bekommen, als er sagte: "Herr Direktor, ich habe sehr viel nachgedacht. Ich habe mich wie ein Schwein benommen und Schlimmes mit den Kindern gemacht. Mir tut es jetzt alles sehr leid, was ich getan habe. Bitte verzeihen sie mir, irgendwann. Wiedersehen Herr Direktor." Er hatte Kardik noch schnell die Hand gereicht, war dann aber fast geflohen.
Im Flur mischte er auch noch schnell mit, bei der Aufteilung ihrer Sachen. Shaver war sehr froh, dass er noch 2 Paeckchen seiner Zigaretten fand, und auch fuer ihn noch etwas Alkoholisches uebrig blieb. Damit hatte keiner von ihnen gerechnet, diese Sachen jemals wiederzusehen. Sie fanden es ausserordentlich grosszuegig von Herrn Kardik. Anschliessend gingen sie zum Parkplatz, aber keiner schaute sich noch einmal um. "Greygton" war jetzt erledigt und jeder wollte, mit mehr oder weniger Ehrgeiz, sein Leben jetzt selbst gestalten. Alle nahmen auch Schuldgefuehle in den neuen Abschnitt ihres Lebens mit, der Eine mehr, der Andere weniger.
Im "Greygton" lief alles weiter nach Plan. Ab und zu schauten Doktor Coldek und Herr Markey mal in das Buero von Direktor Kardik, und erkundigten sich nach dem neuesten Stand. Nachdem die Expraefekten entlassen waren, konnte Lingston mit den Geraeten in dieses geraeumigere Buero wechseln. Erstaunt stellten sie fest, dass niemand der vier, sich nach Garroff erkundigt hatte. Aber einige Dinge in dem Karton hatten sie fuer ihren damaligen "Chef" uebrig gelassen.
Herr Kardik kuemmerte sich jetzt weiter um den Ablauf im Internat. Ab dem Zeitpunkt wo die ersten Eltern kamen, stand er nur noch im Eingangsbereich. Er verabschiedete seine Schuetzlinge und auch mit einigen Eltern wechselte er ein paar freundliche Worte. Nur Toni und Stephan waren noch im Haus, da Toni erst nach Beendigung der Aktion "Garroff" mit seinem Vater nach Hause fuhr. Stephan wurde auch erst morgen abgeholt, da er ja Lingston mit nach Hause in die Ferien nahm.
Herr Asterby verfolgte mit Lingston zusammen jede Bewegung von Garroff am Monitor. Matthews kam jetzt und loeste Lingston wieder ab. Der Richter sagte: "Ich denke, wir koennen jetzt auch in die naechste Phase gehen, warum sollen denn meine Freunde bei Dunkelheit durch den Wald laufen. Garroff wird sich vermutlich auch freuen, wenn er seine mueden Knochen ausruhen kann." Alle im Buero lachten, denn sie kannten die naechste Phase. Jetzt war nochmal hoechste Konzentration erforderlich, damit alles genau stimmte. Lingston kam auch nach kurzer Pause wieder und setzte sich neben Matthews. Diese schwierige Phase des Unternehmens, wollten sie gemeinsam machen.
Garroff merkte ueberhaupt nicht, dass ihn seine Verfolger ganz genau in eine Richtung trieben. Er war total fertig und stolperte schon fast vorwaerts. Jetzt hoerte er auch noch laute Stimmen von vorn. Wo sollte er denn noch hin? Er ging vorsichtig in Richtung der Stimmen, die er schon in Bruchstuecken verstehen konnte. "dunkel, Nacht, was machen," Er schlich sich naeher heran und sah zwei Maenner vor einer Huette stehen, die sich unterhielten. Der eine war in einer Polizeiuniform und der andere war in Zivil.
Der Mann in Zivil sagte jetzt: "Jetzt, wo es dunkel wird, hat es wohl keinen grossen Sinn mehr, weiter zu suchen. Wir haben aber einen Ring um das ganze Gebiet gelegt, wodurch es fast unmoeglich ist, hier rauszukommen. Morgen koennen wir dann bei Tagesanbruch die Suche fortsetzen." Der uniformierte Beamte sagte: "Ja, ich glaube sie haben recht. Wir nehmen dann wieder diese Huette hier als Einsatzzentrale."
Der Beamte hakte sein Funkgeraet vom Guertel und gab Anweisung die Suche einzustellen. Anschliessend gingen beide, zum Glueck nicht in Garroffs Richtung, in den Wald. Garroff atmete auf und stellte zu seiner Beruhigung fest, dass auch das Hundegebell immer leiser wurde. Er wollte sich gerade auf den Boden setzen, da dachte er: >Warum denn nicht in die Huette gehen, die kommen vor morgen frueh nicht wieder.<
Garroff konnte nicht ahnen, dass Richter Asterby genau das von ihm erwartete. Lingston, der diesen schwierigsten Teil der Koordinierung uebernommen hatte, wischte sich den Schweiss von der Stirn, als der Punkt auf dem Monitor in der Huette war. Gleichzeitig ertoente aus einem kleinen Lautsprecher das Geraeusch einer sich oeffnenden und schliessenden Tuer. Der Richter klopfte Lingston auf die Schulter und sagte: "Einfach perfekt, bei diesem Punkt der Aktion hatte ich kleine Bedenken."
Lingston sagte: "Das ist auch nur durch diese hervorragende Technik moeglich, und dadurch, dass wir das Ganze geprobt haben. Sie koennen hier genau die Entfernung sehen, und dadurch wissen sie, ob Garroff, so wie eben, auf Hoerweite an unsere zwei 'Beamten' herangekommen ist. Genau dann gebe ich denen das Einsatzzeichen fuer den Dialog. Dazu noch ihre Einschaetzung, dass Garroff unser 'Angebot' annimmt."
Garroff sah sich in der Huette um. Es war wenigstens schoen warm. Trotz seiner Anstrengungen hatte er doch die zunehmende Kaelte gespuert. Die Huette wurde aber auch sonst wohl regelmaessig genutzt, denn er fand noch relativ frisches Brot und sogar noch eine Dose Wurst. Jetzt merkte er erst wie hungrig er war. Sogar Wasser fand er und in einer Ecke des Schrankes sogar noch Teebeutel. Er beschloss trotz seiner deprimierenden Situation etwas zu essen. Er legte noch ein paar Holzscheite in den kleinen Ofen und setzte sich Wasser auf. >Ich habe jetzt erstmal bis morgen frueh Zeit, und wenn ich gegessen habe, werde ich in Ruhe ueberlegen.< dachte er.
Zu dieser Zeit fuellte sich auch wieder das Buero von Direktor Kardik. Der Direktor sagte: "Asterby, wollen sie die Aktion denn tatsaechlich bis zum Ende ausfuehren? Um ehrlich zu sein, Garroff tut mir jetzt ein bisschen leid."
Damit hatte Kardik aber beim Richter einen empfindlichen Punkt beruehrt, denn dieser sagte sofort, lauter wie gewoehnlich: "Mitleid, mit der Bestie, Kardik? Erinnern sie sich, was er mit unseren Kindern gemacht hat. Denken sie daran, was hier, Doktor Coldek von dem Abend mit Toni erzaehlt hat. Das Toni schon selbst dachte, er waere ein Dieb. Wie er durchgedreht ist und seinem Vater das Glas aus der Hand geschlagen hat, und immer wieder geschrieen hat: 'Ich bin ein Dieb'. Glauben sie, Toni wird das irgendwann mal vergessen koennen?"
Der Richter hatte sich in Rage geredet und sagte jetzt leiser: "Entschuldigen sie, wenn ich etwas laut und wuetend geworden bin, aber Garroff wird auch diesen Tag nie in seinem ganzen Leben vergessen." Kardik sagte auch sofort: "Sie haben ja recht, ich weiss auch ganz genau, dass er das Alles verdient hat." Lingston sagte jetzt: "So, dann darf ich sie herzlich einladen zu unserem heutigen Fernsehprogramm. Auch diese Sache funktioniert einwandfrei."
Die anderen Maenner kamen zu ihm und sahen gestochen scharfe Bilder aus der Huette, in der Garroff jetzt am Tisch sass und gierig seinen Hunger stillte. Doktor Coldek fragte: "Meinen sie, dass er die Kameras und Mikrofone nicht bemerkt?" Lingston schuettelte den Kopf: "Sie haben noch die Lautsprecher vergessen, Herr Coldek, durch die wir unseren Freund heute Nacht unterhalten koennen. Das Ganze ist von Freunden von mir installiert worden. Es sind Speziallisten auf diesem Gebiet, die sonst fuer andere wichtige Dinge diese Technik benoetigen." Lingston schmunzelte, "mehr kann ich aber nicht verraten. Ich schlage vor, wir lassen ihn in Ruhe essen, was ich jetzt auch machen werde. Crafton uebernimmst du jetzt, bis Matthews dann das 'Nachtprogramm' gestaltet."
Garroff fuehlte sich nach dem Essen etwas wohler und bereitete sich noch einen Tee zu. Jetzt begann er mit seinen Überlegungen ganz von vorn. Aber er konnte hin und her ueberlegen, er kam immer wieder zu den "Tatsachen": Er hatte vor Tonis Leiche gestanden, dem offensichtlich mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten worden war.
Er war geflohen, wurde jetzt gejagt und es gab offensichtlich keinen Ausweg um zu entkommen. >Wie denn auch, ohne einen Pfennig Geld. Und wohin soll ich denn ueberhaupt; meine Eltern wollen nichts mehr von mir hoeren und sehen; andere Verwandte werden genauso reagieren; Freunde?, wenn schon mein bester Freund nichts von mir wissen will.<
Traenen rannen ihm uebers Gesicht und kurz sah er vor seinem geistigen Auge: >Er war acht Jahre alt, und beim Spielen hingefallen. Er hatte auch so geweint und war zu seinem Vater gelaufen. Dieser hatte ihn in seine Arme genommen und ganz fest an sich gedrueckt. Und da war schon alles nicht mehr schlimm. Er hatte so eine wohltuende Waerme empfunden und fuehlte sich so gut beschuetzt und geborgen.< Garroff schrie jetzt auf: "Vater hilf mir doch bitte. Bitteee Vatiii, Hiieelfe."
Sogar Crafton, der am Monitor alles beobachtete und durch die empfindlichen Mikrofone alles hoerte, bekam etwas Mitleid mit Garroff. Er sah jetzt wie Garroff seinen Kopf auf den Tisch legte, und lautes Schluchzen hoerte er im Lautsprecher. Erst nach 15 Minuten wurde das Schluchzen leiser und Garroff hob seinen Kopf. Garroff zitterte und drehte seinen Kopf nach allen Seiten.
Er hatte jetzt offensichtlich etwas gefunden, was er suchte. Er stand auf und torkelte fast wie ein Betrunkener zu einer Matratze, die in einer Ecke des Raumes lag. Er liess sich hinunter sinken, legte sich auf die Seite und zog seine Knie nach oben. In dieser Embryo-Lage griff er mit einer Hand eine Decke und zog diese fast bis ueber den Kopf.
Richter Asterby war der erste, der vom Abendessen wiederkam und fragte nach dem Stand der Dinge. Crafton sagte: "Er ist total fertig, hat eben schon nach seinem Vater geschrieen und fast nur geweint. Jetzt hat er sich hingelegt und ich denke, dass er jetzt, durch die heutige hohe physische und psychische Belastung, einschlaeft." Richter Asterby sagte: "Den Kindern, die er missbraucht und misshandelt hat, wird es auch oft so ergangen sein. Also, bloss kein Mitleid mit ihm haben, Crafton."
Nachdem auch die anderen Vaeter des Quartetts gekommen waren, besprachen sie das weitere Vorgehen. Richter Asterby liess sich dazu ueberreden, Garroff erst einmal schlafen zu lassen. Geplant war gewesen, dass Garroff die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen sollte, aber auch der Richter konnte seine menschlichen Gefuehle nicht ganz unterdruecken. Er stellte dann abschliessend fest: "Also gut, geben wir ihm bis 3,00h Zeit, und dann geben wir ihm den Rest." Crafton nickte auch zustimmend, und somit gingen die Vaeter auch ins Bett und wollten sich um 3.00h wieder im Buero einfinden.
Gegen 3,00h in der Nacht waren dann neben dem "Vaeterquartett" auch noch Lingston und Matthews im Buero von Direktor Kardik. Matthews machte die Nachtueberwachung und Lingston wollte sich den Rest der Aktion in keinem Fall entgehen lassen. Matthews erklaerte, dass Garroff offensichtlich stoerungsfrei schlief. Matthews bediente einige Schalter an einem Aufnahmegeraet und stoepselte noch ein Kabel um, bevor er sagte: "Bereit fuer die dritte Phase, soll ich ihn wecken?"
Garroff hatte ein lautes Knacken aus einer Ecke gehoert und war aufgewacht. Er musste sich zuerst mal orientieren, denn er hatte fest geschlafen. Vermutlich durch die Erschoepfung bedingt, hatte er auch nicht getraeumt. Jetzt war ihm wieder alles klar und er sprang auf und schaute sich in der Huette um. Aber er konnte keinen Hinweis fuer das Geraeusch finden. Sein Blick ging zur Uhr. >Kurz nach drei, ich muss sowieso hier weg. Wenn ich mich wieder hinlege, penne ich vielleicht noch, wenn die Polizei wiederkommt. Da hab ich gestern Abend gar nicht dran gedacht. Ich werde was essen, vielleicht noch etwas hier bleiben, und dann..., auf jeden Fall hier weg.<
"Ach, Garroff Tee, dass waere doch auch was fuer uns. Aber ich wuerde lieber einen Kaffee trinken," sagte Herr Kardik, als er das Geschehen auf dem Bildschirm beobachtete. Lingston rief aus einer anderen Ecke des Zimmers: "Ist schon in Vorbereitung." Doktor Coldek fragte in die Runde: "Wollen wir ihn erst noch in Ruhe fruehstuecken lassen?" Es erfolgte allgemeine Zustimmung. "Dann geht es aber weiter," sagte der Richter und setzte sich an den Tisch neben Matthews.
Garroff fuehlte sich gut gestaerkt und bereitete sich zum Abschluss noch einen Tee zu. Beinahe haette er die Kanne mit Wasser fallengelassen. Da hatte doch jemand gesprochen. Er geriet in Panik und stuerzte zur Tuer. Aber gar nichts war in dem dunklen Wald zu hoeren, somit ging er wieder hinein. Er setzte sich, und wieder, diesmal noch deutlicher, aber es kam nicht von draussen. 'Hallo Garroff', hoerte er deutlich. Er presste seine Faeuste gegen den Kopf und dachte: >Geht das schon wieder los, dass ich Stimmen hoere, die nicht da sind?< Dann wie ein Fluestern: 'Ich bin es, Toni.'
Richter Asterby sah auf dem Monitor wie Garroff die Haende vor das Gesicht schlug und laut schrie: "Neiiiin, Neiiiiin, lass mich in Ruhe." Der Richter kommentierte: "Die Aufnahmen, die sie mit Toni gemacht haben, sind ja bestens geworden, und scheinen auch ihren Zweck zu erfuellen. Einfach Klasse, Matthews. Lassen sie ihm ruhig immer Pausen." Der Richter gab nach kurzer Zeit ein Zeichen und Matthews sandte die naechste Nachricht.
'Da habt ihr also einen Moerder unter euch', hoerte Garroff aus einer anderen Ecke der Huette. 'Garroff, du wirst das genau erklaeren muessen,' hoerte er sofort danach. Er haemmerte mit den Faeusten auf den Tisch. Dann sprang er auf und ging in die Ecke, aus der er die Stimme das letzte Mal gehoert hatte, und dachte. >Ich bin nicht wahnsinnig, nein, ich bin nicht verrueckt.< Um sich das klarzumachen, sprach er jetzt die Saetze laut. Er untersuchte die ganze Ecke, kroch auf der Erde herum, stieg auf einen Stuhl um auch besser zur Decke sehen zu koennen. Aber er konnte nichts, aber auch gar nichts entdecken, was darauf hindeutete, woher die Stimmen kamen.
Nach was suche ich ueberhaupt, nach Toni, der sich hier versteckt hat? Bloedsinn, Scheisse. Der ist doch tot, oder?< war sein Gedanke. Dann hoerte er aus einer anderen Ecke recht leise. 'Das haette ich doch nicht von dir gedacht, Garroff. Also, das du schlecht erzogen und frech bist, dass habe ich ja festgestellt, aber das du ein Moerder bist, dass haette ich nicht von dir gedacht!'
Richter Asterby hob die Hand, zum Zeichen dafuer, anzuhalten. Er sah jetzt wie Garroff seinen Kopf vor die Wand stiess. Der Richter lachte amuesiert: "Das arme Holz." Garroff drehte jetzt seinen Kopf nach allen Seiten, und die Versammlung in Kardiks Buero hoerte, wie er, "Vorbei", schrie. Sie sahen jetzt wie Garroff zum Tisch zurueck ging und sich setzte. Als er die Tasse mit dem jetzt abgekuehltem Tee anhob, nickte der Richter.
'Moerder, Moerder', erklang es jetzt wieder in der Huette. Und dann ein Klopfen, und eine laute, klare Stimme eines Mannes sagte: 'Herr Michael Garroff; Das Gericht befindet sie fuer schuldig, den Schueler Toni Coldek ermordet zu haben. Das sie die Tat immer noch leugnen, und keine Reue zeigen, wertet das Gericht als strafverschaerfend. Sie werden deshalb zu zwanzig Jahren Freiheitsentzug verurteilt, die in einem Straflager in Australien zu verbuessen sind.' Garroff sprang auf, lief wie wild in der Huette herum und schrie: "Nein, Nein, ich bin kein Moerder; Nein, ich bin kein Moerder."
Die Versammelten vor dem Bildschirm verfolgten, mit einer Mischung aus Genugtuung und Entsetzen, wie Garroff bestimmt zwanzig Mal den Satz schrie, sich dann auf die Matratze warf und die Decke ueber seinen Kopf zog. Trotzdem hoerten sie noch das laute Schluchzen von Garroff. Erst nach dreissig Minuten wurde das Schluchzen leiser und Garroff schob vorsichtig die Decke weg. Sie sahen deutlich, dass Garroff dicke Schweissperlen auf der Stirn hatte. Als er muehsam aufstand, zitterte er am ganzen Koerper. Er atmete tief durch und schleppte sich zum naechsten Stuhl. Der Richter nickte zufrieden und sagte: "Ich denke, jetzt hat er genug, troesten wir ihn doch ein bisschen."
Garroff wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiss von der Stirn, dann hoerte er Tonis Stimme, als ob dieser neben ihm stehen wuerde: 'Jetzt weisst du wie das ist. Du bist zwar ein grosses Schwein, aber genau so wenig ein Moerder, wie ich damals ein Dieb war'. Garroff ueberkam ein nicht zu beschreibendes Gefuehl. Eine Mischung aus totaler Erleichterung und grosser Wut, auf alle, die ihm diese Lektion erteilt hatten. Die groesste Wut richtet sich gegen ihn selbst, weil er sich so hatte hereinlegen lassen. Er machte sich zuerst gar keine Gedanken darueber wie man das alles gemacht hatte.
Es dachte jetzt: >Ich hab das mit der Uhr doch gar nicht...<. Der Gedanke stockte, denn er musste sich eingestehen, >doch ich habe es damals total ernst gemeint, und wenn nicht alles anders gekommen waere, haette ich lange Zeit mit dir, Toni, mein Vergnuegen gehabt.<
Jetzt war alles egal, er setzte Wasser auf fuer einen neuen Tee. Er fand noch eine angebrochene Packung Zigaretten und steckte sich eine zwischen die Lippen. Er rauchte nur sehr selten, aber vielleicht wuerde ihn das jetzt etwas beruhigen. Allmaehlich kamen ihm doch Gedanken darueber, wie man es gemacht hatte ihn so zu verarschen. Er inspizierte noch ein Mal die Huette, aber zum Schluss dachte er: >Ach Scheisse, ist doch alles egal.<
Er ueberlegte jetzt wie es weitergehen sollte. Aber auch nach einer Stunde des Überlegens, kam er immer wieder zu dem gleichen Ergebnis: >Ich muss ins Greygton zurueck, um mir wenigstens die paar Mark zu holen, und dann weiter, wie die das geplant hatten.< Er fuehlte sich zwar hundeelend bei dem Gedanken, dass sich jetzt wohl alle ueber ihn kranklachen wuerden. Aber etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Er schaute kurz durch die Tuer und als er sah, dass es schon hell wurde, schnappte er sich wuetend seine Jacke und machte sich auf den Weg.
Doktor Coldek sagte: "Ich glaube zwar nicht, dass er jetzt eine andere Einstellung zu seinen Taten bekommt, aber vielleicht erinnert er sich spaeter mal daran." Richter Asterby meinte: "Auf jeden Fall hat er mal diese Verzweifelung gespuert, die Toni vor eineinhalb Jahren empfunden hat. Er wird dadurch bestimmt kein besserer Mensch werden." Auch die anderen Anwesenden waren dieser Meinung.
Direktor Kardik sagte: "Ich schaetze es wird ungefaehr zwei Stunden dauern, bis er hier ist. Ich denke wir sollten dann auch unsere letzten Vorbereitungen treffen, um in die wohlverdienten Weihnachtsferien zu gehen." Er wandte sich dann an Matthews und Lingston, und sagte: "Sie sind aber bitte sehr vorsichtig bei unserem letzten, kleinem Experiment." Die Beiden nickten zustimmend.
Es dauerte doch zweieinhalbe Stunden, bis Garroff endlich das "Greygton" sah. Er versuchte sein Aussehen etwas zu verbessern, und wartete ausser Sichtweite, bis sich auch sein Atem beruhigt hatte. Es waren ihm unterwegs so viele Gedanken durch den Kopf gegangen und er hatte versucht, sich einige Saetze zurechtzulegen, was er gleich sagen wollte. Aber nichts war mehr da, sein Gehirn war wie leergeblasen. Trotzdem schritt er entschlossen auf das Internat zu, und betrat dieses zum letzten Mal.
Er ging direkt zu Direktor Kardiks Buero. Als er den Flur betrat blieb er wie angewurzelt stehen. Fast direkt vor Kardiks Buero stand Toni und war offensichtlich damit beschaeftigt etwas auszumessen.
Toni drehte sich zu ihm herum und sagte: "Hallo Garroff, musstest du gestern so schnell weg, und hast was vergessen? Oder gefaellt es dir hier so gut?" Toni wandte sich wieder seiner "Arbeit" zu.
Garroff wusste nicht was er antworten sollte. Viele Gedanken kamen ihm im Moment, einer davon. >Vielleicht sollte ich doch sagen, dass es mir leid tut? Nein, nein dann wuerde ich mich selbst beluegen, es tut mir doch gar nichts leid.< Er beschloss gar nichts zu sagen, setzte zu einem Spurt an, um schnell an Toni vorbei in das Buero zu kommen. Hastig klopfte er und ohne abzuwarten, bis er hineingebeten wurde riss er die Tuer auf.
Direktor Kardik ruegte dieses auch, war aber sonst sehr freundlich, als er sagte: "Das konnten wir ihnen offensichtlich noch nicht beibringen, dass man erst in ein Zimmer geht, wenn man hineingebeten wird. Aber egal; Sie konnten gestern Morgen doch wohl nicht abwarten, bis ich zurueckkam, es hat auch etwas laenger gedauert. Aber was ich nicht verstehe, dass sie durch das Fenster steigen mussten. Es war hier ganz schoen kalt, als ich wiederkam." Garroff ballte die Faeuste und fast waeren ihm Traenen der Wut gekommen.
Antworten konnte er nicht, und er war somit froh, als ihm Kardik das Geld uebergab und sagte: "So, alles wie besprochen, und was ihre 'Freunde' ihnen dort uebergelassen haben, koennen sie mitnehmen." Damit deutete der Direktor auf den Karton, der aber doch schon reichlich ausgepluendert war. Wortlos nahm Garroff das Geld und die Reste aus dem Karton, drehte sich aber an der Tuer doch noch mal um, und kraechzte heiser: "Auf Wiedersehen." Er verliess das Buero und war froh, dass Toni nicht mehr zu sehen war. Das groesste Gepaeck hatte Matthews mit ihm schon vorher in seine Wohnung gebracht, denn heute wollte er allein sein.
Einsam und verlassen stand der fruehere Herrscher des Hauses auf dem Parkplatz. Er drehte sich noch ein Mal um, und Traenen rannen ihm uebers Gesicht. Es war aber kein Abschiedsschmerz, sondern er dachte an seine Herrscherzeiten zurueck. Und daran, dass man ihn in dem Haus "entmachtet", gedemuetigt, gefoltert, _s_e_x_uell missbraucht und vergewaltigt hatte. Er weinte noch sehr lange Zeit, aber er liess keine Gedanken zu, die ihm mitteilen wollten, dass er im Unrecht war. Und das er schlimme Verbrechen begangen hatte um seinen Machtwahn und seine _s_e_x_uelle Lust zu befriedigen.
Inzwischen waren die letzten Menschen im Haus zusammengekommen. Kurz berichtete Lingston, dass Garroff gar nichts gesagt habe, als er an Toni vorbeigegangen sei. Alle waren sich einig, dass eine positive Reaktion, die sie erhofft hatten, auch ein Wunder gewesen waere.
Richter Asterby fragte Toni: "Und Toni, wie hast du dich dabei gefuehlt, als du ihn angesprochen hast?" Toni sagte: "Angst brauchte ich ja keine zu haben, bei den tollen Aufpassern." Er wies mit dem Finger auf Matthews und Lingston. "Aber es war ein schoenes Gefuehl, als ich ihn da so bloed stehen sah, als wenn er nicht bis fuenf zaehlen koennte. Und er ist dann ja fast geflohen."
Somit war also alles klar und man konnte sich bereit machen, fuer den Start in die Ferien. Bei den sechs "Fagmeistern" hatte man sich schon vor einigen Tagen bei einer kleinen Party bedankt und verabschiedet. Lingston, dass stand schon laengere Zeit fest, wuerde weiter Hausmeister im Haus bleiben. Er hatte sehr viel Freude an der Arbeit gefunden und die Kinder waren ihm richtig ans Herz gewachsen. Als Herr Kardik ihm, vor einigen Monaten schon, den Vorschlag machte, brauchte er gar nicht zu ueberlegen und hatte freudig zugestimmt. Er wuerde auch dauernd im Greygton wohnen, und war somit immer der gute Geist des Hauses.
Drei der Vaeter wuerden sich ja in jedem Fall nach den Ferien wiedersehen, und Richter Asterby versprach, auch weiterhin Kontakt zu ihnen zu halten. Alles in allem waren alle froh, dass die "Abrechnung" mit den Verbrechern vorueber war. Jetzt brauchte man sich nur noch um das Wohl der Kinder kuemmern. Vorrang hatten natuerlich die, durch die Verbrechen geschaedigten Kinder, die weiterhin ganz besonders betreut werden mussten.
Aber sie hatten auch noch viele Ideen, die sie verwirklichen wollten, damit Kinder vor Schulen und Internaten keine Furcht mehr zu haben brauchten. Es waren erst die ersten Schritte getan, aber diese Vaeter waren bereit, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken, um dieses Ziel zu erreichen.
Alle waren inzwischen zum Parkplatz gegangen und verabschiedeten sich voneinander. Lingston war doch etwas unsicher, als er mit einem kleinen Koffer in der Hand, zum Auto von Stephans Eltern ging. Aber Stephan sauste schon auf ihn zu, klammerte sich an seinen Arm und stellte voller Stolz seinem Vati, seinen grossen Freund vor. Lingston wurde auch von ihm herzlich begruesst. Alle schauten noch einmal, sogar etwas wehmuetig, zum Greygton zurueck.
Als Toni jetzt im Auto mit seinem Vati sass, dachte er: >Es ist doch verrueckt, frueher konnten wir nicht schnell genug von hier weg kommen, und heute wuerden wir sogar noch gerne bleiben. Aber ich habe ja jetzt meinen lieben Vati... . Ohne ihn waere es alles gar nicht so prima geworden. Aaach, mein liiiieber Vatiiii.<
Toni war eingeschlafen, bei diesen vielen, schoenen Gedanken, an Liebe, Waerme und Geborgenheit.
Nach zwanzig Jahren< I>
Eine Krankenstation in einem afrikanischem Land in der Sahelzone. Schwester Shela sieht aus dem Fenster einen Mann im weissen Kittel mit schnellen Schritten auf das Gebaeude zukommen, in dem die bettlaegerigen Kranken, meist Kinder, waren. Sie schuettelt den Kopf. >Kann der denn nie Feierabend machen.< Wie so oft sagt sie, als der Mann zur Tuer hereinkommt: "Herr Doktor, sie wissen doch, hier ist alles in Ordnung. Wenn Probleme auftauchen, weiss ich doch wo sie sind. Sie arbeiten viel zu viel, ruhen sie sich doch auch mal etwas aus."
Der Doktor lacht sie an und sagt: "Sie wissen doch Shela, wenigstens nach unseren kleinen Patienten muss ich doch noch mal schauen. Es geht ja auch schnell, dann mache ich Feierabend." Bevor die Schwester weitere Einwaende aeussern kann, ist der Arzt auch schon in dem Krankensaal verschwunden, wo die Kinder untergebracht sind. Hier geht er von Bett zu Bett, und fragt, noch etwas umstaendlich, in der Heimatsprache der Kinder, ob alles in Ordnung ist. Er prueft noch dieses und jenes, streichelt ihnen ueber den Kopf und troestet sie. Erst als er auch ganz sicher ist, dass alle gut versorgt sind, verlaesst er den Raum.
An Schwester Shela drueckt er sich schnell vorbei, und sagt: "Bevor sie wieder anfangen mit mir zu schimpfen, werde ich schnell machen, dass ich hier raus komme. Also Gute Nacht, und sie wissen ja, sie koennen mich zu jeder Zeit aus dem Bett holen." Schwester Shela lacht: "Ich werde ja wohl nie etwas aendern koennen, Doktor Darton, also schlafen sie gut." In seiner ambulanten Praxis und Wohnung zugleich, setzte sich Darton vor seinen Computer. Den einzigen Luxus, den er sich goennte, war eine kabellose Verbindung ins Internet, obwohl er sie auch beruflich gut nutzen konnte.
Er stellte die Verbindung her, und seine ausgesuchte Startseite erschien auf dem Bildschirm. "Greygton" strahlte ihm in grossen Buchstaben entgegen. Schon seit einigen Jahren praesentierten die Schueler und Schuelerinnen, ihr Internat im Internet. Er hatte die grossen Veraenderungen die ganzen Jahre verfolgt. Drei neue grosse Gebaeude waren errichtet worden, damit noch mehr Jungen und, dass war vor einigen Jahren sensationell, auch Maedchen aufgenommen werden konnten.
Er klickte die "News" an und las, dass 2 Tage vor den Sommerferien der alte Direktor, Herr Kardik, im Rahmen einer grossen Feier, in den Ruhestand verabschiedet wurde. Der neue Direktor, Herr Toni Coldek, wuerde an diesem Tag die Leitung des Internates uebernehmen. Der juengste Minister, fuer Bildung und Erziehung, den es jemals im Land gegeben hatte, Herr Jimmy Markey, wuerde die Verabschiedung und Neueinfuehrung vornehmen. >Das gibt es doch nicht, der Jimmy ist jetzt Minister und der Toni wird Internatsleiter. Einfach toll. Den Termin muss ich sofort notieren, damit ich dem Toni mit einer E-Mail gratulieren kann.<
Darton notierte den Termin und nahm eine Stahlkassette aus seiner Schublade. Er nahm einen Stapel Briefe heraus, und wie so oft, las er einige und weinte. Es waren die Briefe, von allen fuenfundzwanzig Jungen, bei denen er sich vor 20 Jahren fuer seine Verbrechen entschuldigt hatte. Jeder hatte im Laufe der Jahre geantwortet. Viele schon in den ersten Jahren, nur wenige spaeter, als sie Erwachsene waren. Keiner der Briefe war voller Hass, sondern alle hatten ihm seine Verbrechen verziehen. Aber er selbst wuerde sich diese Taten nie verzeihen. Zu vielen hatte er auch weiteren Kontakt behalten.
Er legte die Briefe wieder in die Kassette, verschloss sie und stellte sie wieder an ihren Platz. Diese Briefe waren das Wichtigste, dass er besass, und fuer ihn viel mehr wert, als alle Reichtuemer. Darton beschloss noch zu duschen und dann ins Bett zu gehen. Es war wieder ein anstrengender Tag gewesen und Darton hoffte, dass es nie anders werden wuerde. Er wollte in seinem Leben noch vielen Menschen helfen, aber nie wuerden es genug sein, dass er sich seine Verbrechen verzeihen konnte.
Auch seine frueheren Kumpel lasen, hoerten oder, sahen wie Darton im Internet, von dem bevorstehendem Ereignis. Aber keiner wollte mehr an das "Greygton" zurueckdenken.
Shaver legte schnell die Zeitung zur Seite, als sei sie zu heiss geworden. Er hatte nach seiner Ausbildung eine recht gute Stelle im Grosshandel bekommen. Auch mit seinen Eltern war es zu einer Aussoehnung gekommen, aber ein richtiges gutes Verhaeltnis entwickelte sich nicht mehr, genau wie bei Watt, Baxter und Worrad.
Watt schlug sich gerade so als Hilfsarbeiter durch, da er ja keine Ausbildung machen wollte. Baxters Interesse fuer Gartenarbeiten war sehr schnell verflogen und auch er jobbte mal hier und mal da. Worrad hatte sein Leben am besten in den Griff bekommen. Er hatte sein Studium beendet und hatte eine recht gute Position in der Computerbranche.
Alle wurden noch oft durch Alptraeume an ihre Verbrechen erinnert. Aber Garroff hatte die groessten Problem damit. Er versuchte immer wieder Schlafmittel zu bekommen, damit er ruhiger schlafen konnte. Nach einer gewissen Zeit nuetzten diese aber auch nichts mehr. Hilfe von Psychologen und Psychiatern wollte er nicht, denn in keinem Fall wollte er ueber die Zeit im "Greygton" etwas erzaehlen.
Seine Eltern hatten weiterhin, strikt jeden Kontakt abgelehnt. Neue Freunde hatte er auch nicht gefunden, und somit sass er meist einsam und allein in seiner kleinen Wohnung. Jobs fand er nur selten und die staatliche Unterstuetzung reichte gerade soweit, dass er nicht verhungerte. Sehr oft dachte er daran, endlich mit dem Leben Schluss zu machen, aber er war und blieb ein Feigling.
Im "Greygton" liefen die Vorbereitungen fuer die grosse Feier auf Hochtouren. Auf Anregung von Direktor Kardik begannen die Schuljahre seit einigen Jahren im Sommer.
Er war der Meinung, dass es fuer neue Schueler und Schuelerinnen, gerade in Internaten, viel schoener war, im Sommer anzufangen. Im Winter war sowieso alles etwas dunkler und kaelter, und es war, seiner Meinung nach, viel einfacher fuer die Kinder, im Sommer diesen Lebensabschnitt zu beginnen.
Den Termin fuer die Feier hatte man extra 2 Tage vor die Ferien gelegt, damit die jetzigen Schueler den neuen Direktor schon einmal sahen. Toni konnte dann auch, direkt nach den Ferien, die neuen Schueler begruessen. Und es war auch noch viel mehr Zeit gewesen um diese grosse Feier vorzubereiten. Direktor Kardik wollte zwar gar nicht so viel Rummel, aber wenn der neue Minister es anordnete, konnte er wohl nichts dagegen machen. Aber es gab auch noch einen weiteren Grund zum Feiern.
Die 25 Jungen, die hier so Schreckliches erlebt hatten, waren die ganze Zeit auf irgendeine Weise in Kontakt geblieben. Und jetzt nach 20 Jahren, nahm man seine Verabschiedung und Tonis Einfuehrung zum Anlass, um hier wieder zusammen zu kommen. Da Teile des neuen Gebaeudes noch nicht fertig waren, wuerde man dieses erst im naechsten Jahr nutzen. Aber in den fertigen Bereichen, konnten die 25 von damals, wenigstens uebernachten.
Offiziell waren alle Dinge aus der Zeit, nie und nirgends erwaehnt worden. Jedes der Kinder, dass jetzt hier war, wusste aber, dass sowohl der Minister als auch der kuenftige Direktor, dieses Internat besucht hatten. Und auch, dass die damalige Altersgruppe der Beiden, aus diesem Anlass hier zusammen kam.
Direktor Kardik lehnte sich an diesem Nachmittag endlich entspannt in seinen Sessel zurueck. Die Vorbereitungen fuer den heutigen Abend und morgigen Tag waren endlich abgeschlossen. Es war schon phantastisch, was sich die Kinder alles ausgedacht, und, mit grossem Ehrgeiz und vielen Anstrengungen, vorbereitet hatten. Direktor Kardik schloss einen Moment die Augen und seine Erinnerungen gingen zurueck, zu der Zeit, wo alles fuer ihn begonnen hatte.
Somit sah er nicht, dass einer der Gaeste schon auf den Parkplatz gefahren war. Der Mann stieg aus und schaute den Kindern zu, die auf der Wiese spielten. Er war ganz in Gedanken versunken und wurde aufgeschreckt, als er "Vorsicht" hoerte. Aber es war zu spaet, denn ein Ball hatte ihn getroffen und sofort einen gruenlichen Fleck auf dem hellen Sommeranzug hinterlassen.
Ein ca. 10-jaehriger Junge kam angelaufen und sagte: "Entschuldigen sie bitte, ich habe das nicht absichtlich gemacht. Es tut mir sehr leid." Der Mann beugte sich hinunter und lachte: "Dafuer brauchst du dich aber nicht entschuldigen und es muss dir auch nicht leid tun. Das ist ja eine Spielwiese, und wenn man dann zu nah kommt und nicht aufpasst, muss man mit so Etwas rechnen. Was spielt ihr denn gerade?"
Der Junge war erleichtert und erklaerte: "Im Moment spielen wir Fussball, aber wir koennen nicht genau zwei Mannschaften bilden, denn wir sind 11 und somit ist die eine Mannschaft um einen Mann staerker." Der Mann sagte: "Wenn deine Kameraden einverstanden sind, dann kann ich ja den fehlenden Mann ersetzen." Die Kinder staunten nicht schlecht, als der Mann sein Jackett auszog, und ohne Ruecksicht auf die Sauberkeit seiner Hose, mitspielte. Es ging eine ganze Weile so, bis sogar die Kinder erschoepft waren.
Einer der Jungen stellte jetzt mutig fest: "Sie sind von der Gruppe, die auch frueher hier war, und uns besucht?" Der Mann keuchte und liess sich einfach ins Grass sinken: "Ja, du hast recht, aber zu der Zeit konnten wir noch nicht auf so einer Wiese spielen. Da wo Rasen war, durften wir nicht spielen, es durfte doch der schoene Zierrasen nicht beschaedigt werden. Bis zu der Zeit wo Direktor Kardik kam. Dann bin ich zu ihm hingegangen und habe ihm den Vorschlag fuer diese Spielwiese gemacht. Und wenn die Wiese jetzt schon 20 Jahre lang hier ist, dann war mein Vorschlag, glaube ich, gar nicht schlecht."
Stephan unterhielt sich noch eine ganze Zeit mit den Kindern. Diese konnten sich gar nicht vorstellen, wie steif, kalt und streng alles zu der Zeit war. Dann wollte Stephan aber auch endlich Direktor Kardik begruessen. Als er ueber den Parkplatz ging, kam aus dem anderen Gebaeude jemand. Fuer diesen Spurt den er jetzt einlegte, haette er nach dem laengsten Fussballspiel noch Luft gehabt.
Er rief schon von weitem: "Lingston", und jetzt kam dieser ihm auch entgegengelaufen. Wortlos, da keiner sprechen konnte, umarmten sich die beiden Maenner. Beiden liefen die Traenen in Stroemen ueber die Gesichter, es konnte ruhig jeder sehen, dass war alles egal. Es dauerte eine ganze Zeit, bis sie sich auch verbal begruessen konnten.
So ging es jetzt den ganzen Nachmittag weiter. Auch wenn vor 20 Jahren, an einem Tag ihre Peiniger sie besonders gequaelt hatten, so viele Traenen, wie an diesem Tag, waren wohl nicht geflossen. Nur es waren heute keine Traenen vor Schmerz, Wut und Verzweifelung, sondern Freudentraenen.
Die jetzige Kindergeneration hier im "Greygton" hatte sowieso gelernt, dass es keine "Schande" war, wenn man seine Gefuehle zeigte. Es war schon etwas seltsam, wenn sich hier jetzt, lange Zeit erwachsene Maenner weinend in den Armen lagen. Aber es wurde von den Kindern nicht als eine Schwaeche der Maenner angesehen. Und schon gar nicht, wurden irgendwelche Witze darueber gemacht oder spoettische Bemerkungen geaeussert.
Als die "Gaesteflut" eintraf, organisierten die Kinder, ohne das dieses vorher geplant war, so eine Art "Einweisungsservice". Sie wussten ja schon wo die Gaeste uebernachten sollten, zeigten dieses den Ankoemmlingen, und halfen mit das Gepaeck zu tragen.
Lingston waere auch etwas ueberfordert gewesen, neben den vielen Begruessungen, auch noch, wie frueher das Gepaeck zu tragen.
Meist klappte es so, dass jeweils ein juengerer und ein aelterer Schueler zusammen waren. Aber einige aeltere Schueler mussten noch irgendwelche Dinge vorbereiten, und so waren es jetzt die beiden 11-jaehrigen Achim und Rainer, die zum naechsten Wagen flitzten. Nachdem der Fahrer ausgestiegen war, sagte Rainer: "Guten Tag, ich bin der Rainer und das ist Achim, sollen wir ihnen zeigen, wo sie uebernachten koennen und ihr Gepaeck hinbringen?"
Der Mann drehte sich um und Achim zuckte etwas zusammen. Der Mann sagte dann: "Das ist aber ein toller Service, den sich Direktor Kardik ausgedacht hat. Den Weg duerft ihr Beiden mir gerne zeigen, aber das Gepaeck, dass nehme ich schon." Der Mann nahm eine Reisetasche aus dem Kofferraum und sagte: "Na, dann geht mal voraus."
Achim drehte sich nochmal kurz um, damit er sehen konnte, ob der Abstand auch gross genug war. Dann fluesterte er Rainer zu: "Du, dass ist der neue Direktor. Die haben doch gesagt, Coldek, der Sohn von unserem Doc. Als ich vorgestern bei ihm war, habe ich naemlich ein Bild von dem Mann auf seinem Schreibtisch gesehen."
"Tatsaechlich?" fragte Rainer, und Achim bekraeftigte nochmal: "Ja, ganz bestimmt, dass ist unser neuer Direktor." Rainer stellte jetzt fest: "Und wir lassen ihn sein Gepaeck selbst tragen?"
Sie hoerten jetzt ein Raeuspern, drehten sich um und wurden doch etwas rot im Gesicht. Sie hatten gar nicht festgestellt, dass sie bei ihrer Unterhaltung langsamer gegangen waren und der Mann direkt hinter ihnen war. Dieser setzte jetzt die Tasche ab, lachte die Beiden an und sagte: "Ihr habt vollkommen recht, ich bin euer kuenftiger Direktor. Es war aber von mir sehr ungehoerig, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich weiss schon wer ihr beide seid, und ihr wusstet nicht, wer ich bin."
Er streckte seine Haende aus und strich den beiden Jungen ueber den Kopf, indem er sagte: "Und wegen des Gepaecks, dass ist doch wohl ganz richtig, dass ich das selbst mache. Ihr seht zwar auch schon ganz schoen stark aus und wuerdet das bestimmt schaffen. Aber warum sollt ihr euch denn damit abmuehen, wenn es fuer mich doch ueberhaupt keine Anstrengung ist."
Toni hatte die Tasche schon wieder aufgenommen und folgte den Jungen bis zu seiner Schlafstaette. Dort setzte er sich auf das Bett, winkte die Beiden heran, nahm einen rechts und den anderen links in den Arm und sagte: "Und jetzt haben wir uns ja schon mal kennengelernt, da kann ich euch sofort noch etwas sagen: Ihr braucht vor mir auch keine Angst haben, nur weil ich euer Direktor bin. Ich denke, dass ihr doch vor Direktor Kardik auch keine Angst habt, und mit ihm auch ueber alles sprechen koennt?"
Die Beiden nickten nur. "Seht ihr, und genauso ist es bei mir auch. So, jetzt koennt ihr noch so nett sein, wenn ihr jetzt Zeit habt, und mir noch das andere neue Gebaeude zeigen. Was waere ich denn fuer ein Direktor, wenn ich mich hier noch niemals auskenne?"
Fast antworteten beide zusammen: "Ja, dass machen wir gerne." Die zwei Jungen waren sogar stolz darauf, dass sie dem neuen Direktor alles zeigen durften. Nachdem Toni staunend alles bewundert hatte, "entliess" er die zwei, und sagte: "Das war sehr nett von euch, dass ihr mir alles gezeigt habt. Jetzt denke ich, solltet ihr aber noch bis zum Abendessen spielen gehen, es ist doch eure freie Zeit. Den Direktor Kardik finde ich schon selbst."
Die beiden Jungen duesten los und beide hatten etwas Besonderes gespuert. Als ihnen der neue Direktor durch die Haare gefahren war und er sie in den Arm genommen hatte, war das so sanft und zaertlich, dass sie so etwas wohlig, Warmes empfunden hatten. Schnell sprach sich herum, dass der "Neue" offensichtlich auch so nett war, wie Direktor Kardik.
Es war einfach ein ganz tolles Wiedersehen. Einige der Ehemaligen hatten sich in den Jahren zwar geschrieben und gemailt, aber doch nicht persoenlich gesehen. Jetzt kam auch Jimmy vom "Unterkunftshaus" ueber den Parkplatz. Nachdem er, erst vor einigen Wochen Minister geworden war, hatten ihn Herr Kardik und sein Nachfolger nicht mehr gesehen. Als er das Buero betrat, knallten die Direktoren die Hacken zusammen und standen stramm. Sie machten eine grosse Verneigung und gemeinsam sagten sie: "Guten Tag, Herr Minister, es freut uns sehr, dass wir sie hier begruessen duerfen." Alle lachten herzlich und es war schon eine fast ausgelassene Stimmung.
Einige aeltere Schueler und Schuelerinnen, die draussen vorbeigingen, waren schon etwas verwundert, wie sich Erwachsene so gut amuesieren konnten. So etwas kannten sie bisher nur von ihren Feten. Die Ehemaligen hatten zwar sehr viele Neuigkeiten auszutauschen, aber sonderten sich keinesfalls von den jetzigen Internatsbewohnern ab. Auch immer dann wenn sie angesprochen wurden, erzaehlten die Ehemaligen den Kindern von "Frueher".
Alle hatten sich vorher schon abgesprochen, wie sie die damaligen Zeiten darstellen wollten. Sie erzaehlten zwar auch von der Strenge, und auch vom Rohrstock, aber nicht in der wahrheitsgemaessen Form. Und schon gar nicht erwaehnten sie die anderen Scheusslichkeiten. Aber schon das, was sie erzaehlten, liess bei einigen ihrer Zuhoerer den Mund offenstehen.
Von den fuenf Freunden, kamen jetzt auch Mark und Peter. Mark erzaehlte, dass er gerne schon eher gekommen waere, aber wegen eines Fluglotsenstreiks in Suedamerika, haette er noch so viel zu tun gehabt. Ihm gehoerte naemlich eine landesweite Reisebuerokette und er hatte noch fuer seine Kunden Übernachtungsplaetze beschaffen muessen, und eine Menge mehr.
Wegen dieses Streiks kam auch Peter jetzt erst. Er war fuer den diplomatischen Dienst des Landes in Brasilien gewesen. Fehlte also nur noch Joerg, aber dieser war auch schon da. Nur er hatte den Lieferanteneingang genommen, da er noch einiges im Speisesaal zu tun hatte. Unterstuetzt wurde er von Stephan, der sich nach dem "harten" Fussballspiel schnell geduscht und umgezogen hatte. Was sie hier machten, war nur Direktor Kardik bekannt. Joerg und Stephan sprachen sich ab, und gaben dann ihre Anweisungen an ihr jeweiliges Personal weiter.
Joerg hatte seine Lust zum Essen beruflich umgesetzt. Dazu hatte er mehrere Ausbildungen gemacht, einmal zum Koch und einmal zum Restaurantkaufmann. Beide Ausbildungen nutzte er, und heute war er Besitzer der groessten Menueservice-Kette in ganz England. In unzaehligen Kuechen wurden Essen zubereitet, die warm oder gefroren, einzeln an den Endverbraucher geliefert wurden. Dazu kamen noch Kantinen, die nicht selbst das Essen zubereiteten, Krankenhaeuser, Altenheime oder wie hier Internate. In vielen Staedten konnte er auch schon den Service bieten, kleine und gr0sse Feiern mit Buefetts zu versorgen, wie jetzt gerade.
Stephan konnte, nachdem er Gartenbau studiert hatte, durch einen traurigen Anlass, naemlich den Tod seines Onkels, dessen Betrieb uebernehmen. Die Kinder des Onkels hatten kein Interesse, und so kaufte er den damals noch recht kleinen Betrieb. In sehr kurzer Zeit hatte er es auch geschafft, immer weiter zu expandieren und Filialen im ganzen Land zu gruenden.
Sehr geholfen hatte ihm dabei, dass er, wie vor 20 Jahren schon hier am Greygton, von der starren, strengen Anordnung bei der Gestaltung mit Gewaechsen und Blumen abgewichen war. Dazu kam noch seine besondere Feinfuehligkeit fuer die Sache oder den Anlass, um deren Gestaltung er gebeten wurde. Er vermisste etwas, dass er nur noch selten selbst kreativ gestalten konnte. Immer war er unterwegs, um auch in seinen Filialen dafuer zu sorgen, dass man seine "Handschrift" erkannte.
Somit arbeiteten die beiden Unternehmen von Stephan und Joerg sehr gut zusammen. Genau wie heute, wo die Mitarbeiter von Joerg ein kalt, warmes Buefett aufbauten, und Stephans Mitarbeiter die Dekoration des ganzen Raumes uebernahmen. Bald war es aber geschafft, und sie konnten auch zu ihren Freunden und Kameraden zurueckkehren.
Inzwischen war auch Joergs Vater eingetroffen, und somit war das Vaeterquartett auch wieder zusammen. Der Richter war vor einem halben Jahr in Pension gegangen. Herr Markey und Doktor Coldek wuerden noch ein Jahr im Greygton bleiben, bevor sie dann auch in den Ruhestand gingen.
Und dann war es soweit. Kurz vor der normalen Zeit fuer das Abendessen nahm Direktor Kardik den Schluessel und ging zum grossen Speisesaal. Lingston war mit ihm gekommen, um das Buefett bis zur "Freigabe" zu "bewachen".
Einige hungrige Kinder standen schon vor der Tuer und sahen ihren Direktor erstaunt an. Das war noch nie gewesen, dass die Tuer verschlossen war. Kardik wedelte mit dem Schluessel, und sagte: "Na, ihr scheint ja sehr hungrig zu sein, soll ich euch denn rein lassen?" Einer der Jungen sagte: "Sonst klappen wir, glaube ich, vor Hunger zusammen, dass war naemlich ganz schoen anstrengend heute." Kardik lachte: "Das kann ich ja nicht verantworten."
Er schloss die Tuer auf und liess die Kinder hinein. Es war eine ganze Zeit nur ein "Ah und Oh, toll, Klasse," zu hoeren. Schnell war dann auch der ganze Raum gefuellt. Eine Sitzordnung gab es schon lange nicht mehr, jeder setzte sich dahin, wo er wollte. Heute mischten sich die Erwachsenen auch einfach mit unter die Kinder.
Toni hatte schon lange Zeit bemerkt, dass er von fast allen kritisch betrachtet wurde. Bald wusste jeder wohl schon, dass er der Nachfolger von Kardik war. Aber bald sollten es auch die letzten erfahren. Nachdem offensichtlich alle versammelt waren, stand Direktor Kardik auf. Wenn Herr Kardik aufstand, war es wohl immer das Zeichen, dass er etwas sagen wollte. Die Kinder, die es zuerst sahen, stiessen ihre Nachbarn an und nach kurzer Zeit war es vollkommen ruhig. Direktor Kardik sagte: "Der Anlass fuer unsere Feiern, ist ja allen bekannt. Damit wir jetzt nicht verhungern, werden wir den offiziellen Teil morgen frueh machen. Jetzt moechte ich euch nur kurz, einige ehemalige Schueler des Internates vorstellen, damit es darueber kein weiteres Raetselraten gibt. Sie waren vor 20 Jahren alle zwischen 10 und 12 Jahre alt. Einige von euch werden sicherlich in der Presse schon erfahren, dass der fuer uns zustaendige Minister fuer Bildung und Erziehung, der juengste unseres Landes ist. Er ist einer dieser Ehemaligen." Da einfach alle durcheinander sassen, musste Herr Kardik zuerst in die Runde schauen.
Jimmy war schon aufgestanden. "Ah, Jimmy, da bist du, dass ist also Minister Jimmy Markey." Jimmy nickte kurz zu allen Seiten und nahm den Applaus entgegen. Einigen der Kinder, die mit ihm am Tisch sassen, blieb der Mund offen stehen. Sie sassen mit einem richtigen Minister an einem Tisch, dass war ja toll. Herr Kardik sagte dann: "Kommen wir dann zu meinem Nachfolger, ah da drueben, es ist Toni Coldek." Auch Toni war aufgestanden nickte in die Runde und setzte sich wieder.
Nachdem der Beifall verklungen war, sagte Herr Kardik: "Und jetzt kommen wir zu demjenigen, der hier fuer diese wunderbare Dekoration gesorgt hat. Aber nicht nur das, sondern vor 20 Jahren hat er mir auch den Vorschlag fuer unsere Spielwiese gemacht. Dann hat er alles was draussen so herrlich gruent und blueht angeordnet, und betreut es heute noch. Es ist Stephan Baley." Fuer Stephan waren Bewunderung und Beifall ganz normal geworden, aber hier freute er sich ganz besonders. Genauso war es bei Joerg, der als letztes vorgestellt wurde.
Direktor Kardik sagte: "Und fuer dieses ganz tolle Buefett hat Joerg Asterby gesorgt." Auch Joerg stand auf und genoss den Beifall. Dann sagte Direktor Kardik: "Und damit erklaere ich dann auch das Buefett fuer eroeffnet." Nach kurzer Zeit hatte sich jeder bedient und alle assen mit grossem Appetit. Toni sass zufaellig am Tisch, an dem auch Achim und Rainer sassen, die er ja schon vom Nachmittag kannte.
Er sagte zu den Beiden: "Ihr haettet mich aber heute Nachmittag ruhig berichtigen koennen. Ich war doch davon ausgegangen, dass Direktor Kardik euren ausserordentlichen Service organisiert hatte. Das stimmte aber gar nicht, wie ich gehoert habe. Das habt ihr euch ja selbst ausgedacht. Dann ist die Sache sogar noch toller. Also auch wenn ich mal unrecht habe koennt ihr das ruhig sagen."
Wegen des Lobes erroeteten die Beiden und Achim winkte ab: "Das ist doch ganz egal, hauptsache ist doch, dass wir ihnen etwas helfen konnten." Durch diese Unterhaltung wurde es auch an diesem Tisch jetzt etwas munterer. Bisher hatten sich die Kinder alle etwas zurueckgehalten.
Nachdem man die erste Runde hinter sich hatte, man konnte sich ja noch den ganzen Abend bedienen, wurden die Ehemaligen mit vielen Dingen ueberrascht. Die Schueler und Schuelerinnen hatten einige Projekte extra bis zum heutigen Tag fertiggestellt. Unter anderem zeigten sie einen selbst erstellten Videofilm und auch die Praesentatur im Internet wurde mit vielen technischen Neuigkeiten veraendert.
Es war auch fuer die Kinder ein ganz toller Tag, der aber auch mal zu Ende gehen musste. Herr Kardik hatte zwar die Schlafenszeiten um 2 Stunden nach oben gesetzt, aber dann sollte es auch genug sein. Die Erwachsenen sassen weiter zusammen, einige suchten auch den Kuschelraum auf, an dem grundsaetzlich nichts veraendert worden war. Toni war zwar noch nicht offiziell der Direktor, aber man kannte ihn ja schon. Deshalb ging er zu seinem "alten" Schlafraum und klopfte. Nachdem von innen "Herein" gerufen wurde betrat er das Zimmer.
Hier waren immer noch die 10-12jaehrigen Jungen. Einer von diesen kam aus dem Waschraum gelaufen und blieb doch etwas erschrocken stehen, als sein neuer Direktor im Zimmer stand. Er stammelte: "Entschuldigen sie, Herr Direktor, aber ich..., ich hab mich wohl etwas verspaetet."
Toni sagte: "Ich denke mein Junge, dass das nicht so schlimm ist. Diese Zeiten geben wir euch doch nur vor, zum einen, weil ihr in eurem Alter auch eine bestimmte Zeit Schlaf braucht. Zum anderen deshalb, wenn der eine schon schlaeft, und durch andere, die spaeter ins Bett gehen, wieder geweckt wird, waere das doch nicht so schoen. Dann leg du dich auch mal schnell ins Bett, und dann ist alles klar. Hat jemand von euch noch etwas auf dem Herzen, oder moechte noch etwas fragen?"
Alle Jungen schuettelten den Kopf und Toni sagte: "Na dann, wuensche ich euch eine gute Nacht, schlaft schoen und traeumt etwas Schoenes."
Er drehte das Licht aus und schloss die Tuer. In Gedanken versunken ging er ueber den Korridor und stand mit einem Male vor dem Fenster, was ihn an seine schlimmsten Stunden im Leben vor 20 Jahren erinnerte. Traenen liefen ihm ueber das Gesicht und es erschien ihm so, als wuerde er sogar die Hand von Joerg auf seiner Schulter spueren und hoeren: ‚Toni, dass ist auch keine Loesung, dass wollten wir alle schon mal.' Er dachte jetzt: >Nein, dass waere auch keine Loesung gewesen. Hoffentlich wird nie mehr ein Kind ueber solch eine Loesung nachdenken muessen.<
Er ging wieder zu den anderen, und es wurde eine lange Nacht. Die meiste Zeit ging es auch sehr froehlich zu, aber immer mal wieder drangen auch schlimme Erinnerungen durch.
Genau wie vor zwanzig Jahren troesteten sie sich dann gegenseitig. Über ihre alten Peiniger sprachen sie kaum, ausser ueber Darton, zu dem noch viele, staendigen Kontakt hatten. Von den anderen hatten sie auch nie mehr etwas gehoert.
Der naechste Vormittag war dann ausgefuellt mit den offiziellen Dingen. Sie hatten schon besprochen, dieses nicht sehr lange auszudehnen. Somit verabschiedete Jimmy dann Direktor Kardik, wobei er besonders hervorhob, dass durch seine unermuedliche Arbeit ein totaler Wandel im gesamten Erziehungssystem des Landes vollzogen worden war. Wie beliebt der scheidende Direktor war, zeigte der tosende, lange anhaltende Beifall, wozu die Kinder sogar aufstanden.
Herr Kardik konnte es nicht vermeiden, dass ihm Traenen ueber das Gesicht liefen. Als dann endlich der Applaus aufgehoert hatte, sagte er noch kurz ein paar Worte, mit denen er den Schuelern und Schuelerinnen fuer die gute Zusammenarbeit dankte. Das war fuer ihn auch keine Floskel, denn er hatte immer wieder betont, dass er und das Kollegium Partner der Kinder seien.
Dann uebergab Jimmy als Symbol einen Schluessel an Toni und erklaerte ihn zum neuen Direktor des Internates "Greygton". Toni fasste sich auch kurz und erklaerte, dass er die Arbeit so fortsetzen wolle, wie es Herr Kardik bisher gemacht habe. Nur in einer Atmosphaere des Vertrauens koenne gut zusammen gearbeitet werden, und wuerde das Leben im Internat auch Freude bringen.
Weiter sagte er: "Ihr koennt mich jederzeit ansprechen, ganz egal, ob ihr etwas kritisieren wollt oder Vorschlaege unterbreiten und Anregungen geben wollt. Aber auch mit kleinen und grossen Sorgen die ihr habt, koennt ihr jederzeit zu mir kommen. Egal ob es das Zusammenleben hier, Dinge aus dem schulischen Bereich oder ganz persoenliche und intime Dinge betrifft. Ihr koennt sicher sein, dass alles natuerlich unter uns bleibt.
Ich denke jetzt werde ich, wie heisst das so schoen, meine erste Amtshandlung vornehmen. Ich erklaere also das Schuljahr fuer beendet und wuensche euch schoene Ferien."
Die kleine Rede schien recht gut angekommen zu sein, denn auch der folgende Applaus war kraeftig und langanhaltend. Jetzt begann der grosse Aufbruch mit herzlichen Verabschiedungen und dem Versprechen, weiter in Kontakt zu bleiben. Zum Schluss blieben nur noch Herr Kardik und Toni im Haus zurueck, um noch einige Dinge abzusprechen. Sie sassen im Buero und Herr Kardik sagte: "Das ist aber eine Überraschung. Ich habe gerade noch nach E-Mails gesehen. Toni schau mal wer dir hier gratuliert."
Toni freute sich riesig ueber die herzlichen Glueckwuensche, von Darton, zu seinem neuen Amt und sagte: "Ich denke Darton verfolgt im Internet alles was hier geschieht. Ich werde mich kurz dransetzen und mich bedanken."
Als dann endlich alles erledigt war, verabschiedeten sich auch diese beiden Maenner voneinander, wobei Herr Kardik zum Schluss, schon auf dem Weg zum Auto, sagte: "Und du weisst ja wie du mich erreichen kannst." Einen Tag vor Ende der Sommerferien faehrt ein Wagen auf den Parkplatz vor das "Greygton". Direktor Coldek greift zum Telefon: "Lingston, wir bekommen unseren ersten neuen Gast, sagst du den Kindern bitte Bescheid." Direktor Coldek hatte von seinem Vorgaenger die Vorgehensweise bei Neuankoemmlingen uebernommen. Auch er war der Meinung, dass man es ihnen so leicht wie moeglich machen sollte. Deshalb kamen diese auch einen Tag vor dem offiziellen Beginn des neuen Schuljahres.
Auf jeden Fall waren aber auch einige Jungen schon da, die im letzten Jahr angekommen waren. Einer von diesen war Jens, der jetzt die Treppe heruntergesaust kam, als Direktor Coldek zum Haupteingang ging.
Jens plapperte sofort froehlich drauflos: "Herr Coldek ich komme direkt von der chinesischen Mauer. Da ist aber nicht so ein gutes Wetter heute." Jens war jetzt neben seinem Direktor, der ihm ueber das Haar strich und seine Hand um seine Schulter legte. Herr Coldek musste erst kurz ueberlegen, was Jens gemeint hatte. >Natuerlich<, dachte er >im Internet war er<, und sagte dann: "Das tut mir aber leid, dass ich dich da weggeholt habe." Jens sagte: "Ist doch gar nicht schlimm, gleich, wenn ich Zeit habe, bin ich Schwuppdiwupp wieder da. Aber erstmal ruft die Pflicht." Jens lachte.
Niemand der die Beiden so sah, waere auf die Idee gekommen, dass hier der Direktor eines Internates mit einem seiner Schuetzlinge war. Eher ein Vater, der seinen Sohn sehr gern hatte und mit ihm spazieren ging. So eine Art Vater wuerde er hoffentlich auch fuer die Kinder werden, dachte der junge Leiter des Internates. Mit ihm sollten die Kinder ueber alle ihre kleinen und grossen Sorgen sprechen koennen. Egal ob es Heimweh, Lernschwierigkeiten oder sonst irgendetwas war.
Die Beiden hatten jetzt die Eingangstuer erreicht und Jens lief sofort weiter. Der Vater des "Neuen" hatte gerade alle Koffer und Taschen ausgeladen. "Hallo", rief Jens jetzt schon von weitem. Die beiden Ankoemmlinge drehten sich herum, und jetzt hatte Jens sie erreicht. Er streckte dem Vater des Jungen die Hand entgegen und sagte: "Ich bin der Jens, schoenen guten Tag." Der Vater war etwas verwirrt, ergriff dann aber die Hand von Jens und begruesste ihn: "Ja, guten Tag, Elevson."
Jens drehte sich dann zu dem Jungen hin, und sagte: "Und du glaube ich, hast schon einen Preis gewonnen. Nur dazu musst du mir schon deinen Namen sagen." Die doch recht traurige Mine des Jungen erhellte sich, und er sagte: "Ich heisse, Sven." Jens sah an den glasigen Augen von Sven, dass dieser bald haette zu weinen angefangen, und sagte: "Ich bin also der Jens, hast du ja schon gehoert. Willkommen im Greygton-Team."
Der Vater von Sven wollte gerade zwei Koffer in die Hand nehmen, da sagte Jens: "Das brauchen sie nicht Herr Elevson, unser Hausmeister moechte sowieso etwas trainieren. Da kommt er schon, gehen sie ruhig zu unserem Direktor, der wartet vor der Tuer auf sie." Herr Elevson war wieder verwirrt, dieser junge Mann im Eingang konnte doch nicht der Leiter dieses Internates sein.
Aus seiner Zeit kannte er diese nur als aeltere, streng aussehende Maenner. Dazu noch im dunklen Anzug mit Krawatte. Jens zeigte aber jetzt noch einmal dorthin und sagte: "Den Eingang vom Haupthaus meinte ich." Wenn das hier mal das richtige fuer Sven war. Er hatte alles nur telefonisch regeln koennen. Er hatte das "Greygton" ausgesucht, da ihm Freunde erzaehlt hatten, dass es wohl das Beste im ganzen Land sei, und auch ihre Kinder begeistert waren. Na mal schauen, dachte er, als er auf den Eingang zuging.
Als Sven jetzt den Hausmeister sah, wich er doch einen Schritt zurueck. Lingston hatte sich in den vergangenen 20 Jahren topfit gehalten, und beeindruckte noch immer, durch einen Berg Muskeln am ganzen Koerper.
Als Jens sah, dass Sven zurueckgewichen war, sagte er: "Vor unserem Lingston brauchst du keine Angst haben. Der ist so nett, und erzaehlt uns manchmal abends Geschichten. Das ist ganz toll, wenn wir alle schon Pyjamas anhaben, dann duesen wir alle in das eine Zimmer, wo Lingston ist, um ‚Gute Nacht' zu sagen. Und dann betteln wir so lange, bis er erzaehlt. Manchmal hat er auch keine Zeit, dann machen wir auch Mal ne tolle Pyjama-Party, mit Kissenschlacht."
Das Gesicht von Sven hellte sich immer mehr auf, dass war ja toll, was der Jens erzaehlte. Lingston hatte die Beiden jetzt erreicht, beugte sich zu Sven hinunter und streckte ihm seine Hand entgegen, indem er sagte: "Ich bin euer Hausmeister, Lingston, so rufen mich auch alle, und wen darf ich begruessen?" Sven hatte zwar keine richtige Angst mehr, aber er wusste gar nicht, wo er seine kleine Hand auf diesen grossen Teller hinlegen sollte.
Er meinte jetzt den richtigen Platz gefunden zu haben, und sagte: "Ich bin der Sven." Jens sagte dann: "Los, Sven komm mit, ich zeige dir erstmal unser Reich."
Herr Elevson sagte gerade zu Herrn Coldek: "Ich muss gestehen, dass ich ueber die Hoeflichkeit von dem Jens doch sehr ueberrascht war. Sind ihre Jungen alle so hoeflich, und erreichen sie das mit Disziplin und Strenge?"
Herr Coldek winkte ab, und sagte: "Die Hoeflichkeit vom Jens, ist noch das Ergebnis meines Vorgaengers. Aber ich werde genauso weiter arbeiten. Es ist nicht Disziplin und Strenge. Damit wuerden sie vielleicht erreichen, dass die Jungen vor ihnen stramm stehen. Aber sie wuerden das nur machen, weil sie Angst haben vor Bestrafung.
Wir, mein Vorgaenger, mein Kollegium und ich, versuchen unseren Schuetzlingen zu vermitteln, dass wir ihre Partner sind." Toni Coldek merkte, dass Herr Elevson noch sehr skeptisch war, und erklaerte weiter: "Die Kinder merken, dass wir durch unsere Lebenserfahrung und Fachwissen, mehr in diese Partnerschaft einbringen koennen. Wenn wir dann noch, an den richtigen und wichtigen Stellen helfen, werden wir fuer die Kinder partnerschaftliche Autoritaeten.
Wenn dann das ganze Zusammenleben hier noch stimmt, dann begegnen ihnen hier im Haus nur solche Kinder wie Jens. Aber es sind keine Kinder, die sie aus Angst vor Strafe aengstlich anblicken, und nur mit trauriger Mine herumlaufen. Sondern es sind froehliche Kinder, die toben, schreien und lachen. Einige Grenzen erklaeren wir den Kindern ausfuehrlich. Denn Kinder werden nie eine Regel einhalten oder ein Verbot beachten, wenn sie den Sinn nicht verstehen. Andere Regeln bestimmen sich die Kinder selbst, und dadurch haben sie eine soziale Kontrolle, wo eine Autoritaet im bisherigem Sinne nicht gebraucht wird."
Unterdessen hatte der "Gepaecktraeger" seine Liste zu Rate gezogen, und schon alle Sachen in das richtige Zimmer gebracht. Jens und Sven geisterten immer noch irgendwo im Haus rum. Sven kam aus dem Staunen gar nicht heraus, dass war ja ganz anders als er sich das vorgestellt hatte. Und diese vielen Moeglichkeiten zum Spielen, und freiwillig konnte man auch etwas lernen, wo man Spass zu hatte.
Sven gluehte foermlich vor Begeisterung, und von Trauermine war nichts mehr zu sehen. Er war jetzt aber doch neugierig und fragte: "Du hast eben gesagt, dass ich schon einen Preis gewonnen haette, was hab ich denn gewonnen?" Jens lachte: "Bei uns gewinnt jeder, der neu ankommt, einen Preis. Du wirst es ja gleich sowieso sehen. Auf deinem Bett ist ein Paeckchen, mit allerlei suessen Sachen. Unser Direktor nannte das immer, zum Versuessen des ersten Tages. Und unser Herr Coldek macht das auch so weiter."
Sie wurden unterbrochen, als sie ihre Namen hoerten. Sven schaute sich um aber konnte nicht ausmachen, woher jemand gerufen hatte.
Jens sagte lachend: "Das war Lingston, durch ihn spart das Internat eine Lautsprecheranlage. Wenn der loslegt, hoert man ihn im ganzen Haus. Ich denke, er sucht uns, weil dein Vater wohl nach Hause fahren moechte, also gehen wir mal zum Buero von unserem Herrn Coldek."
Als die Beiden auf dem Weg waren, fragte Sven doch ein bisschen vorsichtig: "Der Herr Coldek..., ist das der Direktor?" Jens sagte: "Ja, das ist der neue Chef vom ganzen. Wir haben ihn auch erst 2 Tage vor den Ferien kennengelernt, da hatten wir hier eine riesige Feier. Aber ich glaube, der ist genauso in Ordnung, wie davor der Herr Kardik. Er hat uns vor den Ferien gesagt, dass wir immer, wenn mal irgendetwas ist, ganz egal was, zu ihm kommen koennen. Ach guck, da ist er ja."
Herr Coldek stand in der offenen Eingangstuer und winkte den beiden zu. Er streckte Sven die Hand entgegen und sagte: "Sven, herzlich willkommen im Greygton. Mein Name ist Coldek, und ich bin der Leiter des Ganzen hier. Wir koennen uns aber gleich noch unterhalten, denn ich denke, du moechtest erst deinen Vater zum Auto bringen." Jens und Herr Coldek liessen die Beiden jetzt allein.
Herr Elevson war zwar recht erstaunt ueber die neuen Methoden, die ihm der Direktor erlaeutert hatte. Er dachte: >Mal abwarten, meine Freunde waren ja so begeistert<.
Er hatte mit einigen Schwierigkeiten beim Abschied gerechnet, war aber froh, dass er sich verrechnet hatte. Sven konnte gar nicht so schnell plappern um seinem Vater all das Tolle, was er schon gesehen hatte, zu erzaehlen. Es floss nicht einmal eine Traene beim Abschied. Nachdem Sven seinem Vater noch hinterher gewunken hatte, bis der Wagen um die Ecke bog, lief Sven schnell in das Haus zurueck.
Fuer Toni wurde es ein harter Tag, aber am Abend waren alle Neuankoemmlinge versorgt. Er hatte auch immer Gelegenheit gehabt mit den Eltern zu sprechen. Wenn es Mal zum "Stau" kam, wurde den Eltern von einem der Jungen das Haus gezeigt. Er war recht zufrieden mit seinem ersten richtigen Arbeitstag, der aber auch noch nicht zu Ende war.
Zu der Zeit als die Jungen ins Bett mussten, ging er noch einmal durch die Schlafraeume. Er sprach mit den neuen Jungen, beantwortete auch noch Fragen und erklaerte noch dieses und jenes. Erst als er der Meinung war, dass die Jungen nichts mehr auf dem Herzen hatten und beruhigt schlafen konnten, ging er wieder hinunter in sein Buero. Viel, viel Arbeit kam auf ihn zu, aber er freute sich darauf. Er wollte hier nur in froehliche Kinderaugen blicken.
Ende - Ich hoffe,
dass es Ihnen gefallen hat. In Kuerze erscheint hier das fiktive Tagebuch
von Rolf. "TARO". Lassen Sie sich ueberraschen.< I>
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