Es Liegt in Der Familie I Und II


by Thomas <THOMAS_HM2001@yahoo.de>

Teil 1

Unser Opa lebte bei einem kleinen Ort in Niedersachsen. Das war ganz schoen weit von unserem zu Hause entfernt.

Ich war sieben Jahre alt, als meine Brueder und ich zum ersten Mal die Ferien bei ihm verbrachten. Wir kannten ihn bis dahin gar nicht richtig. Er besuchte uns zwar jedes Jahr ein oder zweimal fuer ein paar Tage, aber bei ein paar kleinen Besuchen kann sich ein richtig enges Verhaeltnis natuerlich nicht aufbauen. Im Wesentlichen wusste ich bis zu jenem ersten Ferienaufenthalt eigentlich nur, dass alljaehrlich zu Weihnachten und zu unseren Geburtstagen grosse Pakete ins Haus trudelten, und in denen war immer etwas, das wir uns wirklich sehnlichst gewuenscht hatten.

Paps hatte uns in den Zug gesetzt (der Schaffner hatte versprochen ein Auge auf uns zu haben), nicht ohne uns zu Hause einzuschaerfen dem Grossvater zu gehorchen. „Das ist besser fuer euch. Euer Opa ist liebevoll und gerecht. Er laesst sich aber nicht auf der Nase rumturnen. Aber das wird er euch noch selbst erklaeren. Jetzt nur soviel: er wird mich in allen Belangen vertreten, solange ihr bei ihm seid. Das heisst auch, dass er euch noetigenfalls bestrafen wird - so wie er es fuer richtig und angemessen haelt."

Die Zugfahrt verlief voellig ereignislos. Meine Brueder lasen, waehrend ich mir die meiste Zeit die Nase an der Scheibe platt drueckte und die Landschaft beobachtete. Als wir ankamen, wartete am Bahnsteig nicht Opa auf uns, sondern unser Onkel Fred.

Fred war (und ist) eigentlich nicht unser richtiger Onkel, also kein Verwandter, sondern ein guter Freund unseres Vaters. Er begruesste uns mit grossem Hallo, verfrachtete unser Gepaeck in sein Auto, und dann fuhren wir zu Grossvaters Haus, das etwas ausserhalb des Ortes lag.

Unser Opa lebte in einen alten Bauernhaus mit einer grossen Scheune. Das Beste war, dass das Haus es keine fuenfhundert Meter von einem See entfernt lag.

Es war schon spaet als Fred uns ablieferte. Er und Opa umarmten sich als er uns absetzte.

"Es tut mir leid, dass ich heute nicht laenger bleiben kann, aber ich habe morgen frueh einen wichtigen Termin. Ich werde aber bald wieder reinschauen, und nach der Rasselbande sehen" sagte Fred.

Er klatschte jeden von uns ab, dann brauste er in einer Staubwolke davon.

"Euer Opa ist ein toller Mann" hatte Fred unterwegs gesagt. "Er ist wie ein zweiter Vater fuer mich. Ich habe in meiner Kindheit fast so viel Zeit bei eurem Paps und ihm, wie bei mir zu Hause verbracht. Er war fuer uns Jungs immer zur Stelle. Aber denkt dran, er verlangt gutes Benehmen und Disziplin. Verhaltet euch entsprechend, und ihr werdet eine tolle Zeit haben."

Grossvater schuettelte jedem von uns foermlich die Hand.

Er war ein grosser, drahtiger Mann, bestimmt ueber einsfuenfundachtzig, und strahlte eine enorme Autoritaet aus. In der Kueche hatte er einige Brote und Limonade vorbereitet, die wir mit Heisshunger wegputzten.

Wir kaempften alle mit der Muedigkeit. Ich konnte ein Gaehnen nicht unterdruecken.

"Es wird wohl langsam Zeit fuer euch ins Bett zu kommen. Es war ja eine lange Reise. Kommt mit, ich zeig euch wo ihr schlafen werdet."

Wir verfrachteten unsere Taschen nach oben. Es war ein grosses Haus, und es drei Zimmer fuer uns, und so erhielt jeder ein Zimmer fuer sich alleine.

"Auspacken koennt ihr morgen frueh noch. Heute Abend holt ihr nur noch das noetigste aus den Taschen. Dort ist das Badezimmer. Wascht euch und putzt euch die Zaehne. Handtuecher findet ihr im Bad. Troedelt nicht rum. In einer viertel Stunde will ich euch bettfertig in meinem Arbeitszimmer sehen, denn wir sollten heute noch eine Kleinigkeit bereden."

Er blieb mit hinter dem Ruecken verschraenkten Haenden auf dem Flur stehen, bis wir im Bad verschwunden waren.

Wir redeten wenig waehrend wir uns fertig machten. Ich weiss nicht wie das bei Bernd und Frank war, aber ich war auch ein klein wenig eingeschuechtert. Wir beeilten uns so gut es ging.

"Gehen wir" sagte Bernd als wir fertig waren.

Er ging voraus. Vor der Arbeitszimmertuer blieben wir einen kurzen Moment stehen. Bernd fuhr mir mit der Hand durchs Haar um die Frisur etwas zu richten. Dann klopfte er an.

"Herein."

Wir betraten das Arbeitszimmer zoegerlich. Es war ein komisches Gefuehl fuer uns alle. Wir kannten nur das Arbeitszimmer unseres Vaters, und das betraten wir nur sehr selten, und wenn doch, dann stand oft Ärger in Form einer Tracht Pruegel an.

"Kommt her zum Schreibtisch, Jungs", sagte Grossvater.

Wir blieben etwa zwei Meter vorm Schreibtisch stehen, stellten uns in einer Reihe auf. Unwillkuerlich standen wir stramm. Wie drei Orgelpfeifen. Drei Brueder, sieben, neun und zehn Jahre alt. Wie zu Hause, trugen wir nur unsere Pyjamahosen.

Grossvater musterte uns von oben bis unten. Er schien nicht unzufrieden zu sein mit dem was er sah.

Eine Weile war es voellig still, dann fing Grossvater an zu sprechen. "Ich freue mich sehr, dass ihr hier seid. Ihr seid zum ersten Mal laengere Zeit von zu Hause weg, aber ich will versuchen euren Vater so gut als moeglich zu vertreten. Ich werde jederzeit fuer euch da sein. Ihr koennt immer zu mir kommen. Egal ob es Probleme oder Heimweh gibt. Und wenn ich immer sage, dann meine ich das auch."

Er machte eine lange Pause.

"Ihr habt Ferien und die sollt ihr geniessen. Im Grossen und Ganzen duerft ihr die naechsten Wochen hier tun und lassen was ihr wollt. Damit aber unser zusammenleben problemlos klappt sind natuerlich ein paar Regeln noetig, auf deren Einhaltung ich bestehen muss. Und damit erst gar keine Missverstaendnisse aufkommen gehen wir sie gleich heute Abend noch durch."

"Fragen soweit?"

Wir schuettelten stumm die Koepfe.

"Ich bin waehrend eures Aufenthaltes hier fuer euch verantwortlich. Ich weiss, ihr seid praechtige Jungs und euer Vater ist maechtig stolz auf euch. Aber es liegt nun mal leider in der Natur der Sache, dass Jungs manchmal ueber die Strenge schlagen. Es wird hier fuer euch nur wenige Regeln geben, aber ich verlange, dass diese von euch allen befolgt werden. Die Regeln sind klar und fair, und ich werde ihre Einhaltung durchzusetzen wissen."

Er schaute uns drei eindringlich an. Dann ging er zu seinem Sekretaer, oeffnete ihn und holte einen Rohrstock heraus. Mit dem Strafwerkzeug in der Hand kam er zu uns herueber.

"Schon in der Bibel heisst es: Torheit steckt dem Knaben im Herzen, aber die Rute der Zucht wird sie von ihm treiben. Das ist die Rute mit der in diesem Haus Jungs auf den rechten Weg zurueckgefuehrt werden. Dieser Rohrstock hier hat schon dabei geholfen aus meinen Soehnen Maenner zu formen. Er hat zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, aber er hat noch immer einen ordentlichen Zug."

Zum Beweis liess er den Stock zweimal durch die Luft sausen.

"Meine beiden Soehne bemuehten sich redlich nicht allzu oft seine Wirkung zu spueren, aber er hat die zwei doch die ein oder andere schmerzhafte Lektion gelehrt."

Ich starte den Stock ehrfurchtsvoll an. Die Vorstellung dass Paps damit Pruegel bezogen hatte war durchaus beeindruckend.

Grossvater bemerkte meinen Blick.

"Willst du ihn mal in die Hand nehmen?"

Ich musste schlucken, aber ich nickte. Grossvater reichte mir das Strafinstrument. Er war kerzengerade, verjuengte sich etwas zur Spitze hin.

"Gib ihn weiter an deine Brueder wenn du fertig bist."

Ich gab das spanische Rohr schnell an Frank weiter. Auch behielt den Stock nur kurz. Bernd liess sich mehr Zeit. Er liess ihn einmal durch die Luft sausen.

"Fest und doch biegsam" sagte er.

Grossvater grinste.

"Wir haben einen Experten unter uns."

Mein Bruder wurde knallrot. Er reichte Grossvater den Rohrstock.

"Was ich jetzt sage gilt fuer euch alle: Sollte es notwendig sein euch zu disziplinieren wird dieser Stock diese Aufgabe uebernehmen. Das ist auch mit eurem Vater so abgesprochen. Ich weiss, dass ihr zu Hause schon alle einen Rohrstock zu spueren bekommen habt. Ihr solltet also ausreichend gewarnt sein."

Wir drei nickten stumm.

"Dann bleibt nur noch eine kleine Formalitaet zu erledigen" sagte Grossvater. Er ging zu seinem Schreibtisch, legte den Stock ab, setzte sich und schlug ein kleines, schwarz gebundenes Buch auf ehe er sich wieder direkt an uns wandte.

"Vor vielen Jahren, als meine Soehne noch Kinder waren, wurde dieses Strafregister begonnen. Seither wurde jede formelle Koerperstrafe die sich ein Junge in diesem Haus verdient hat, hier eingetragen. Sollte es noetig sein einen von euch zu bestrafen werde ich den Namen des Übeltaeters, sein Alter, die Art seines Vergehens, das Strafinstrument und die Anzahl der erteilten Schlaege hier eingetragen. Da ihr alle schon aelter als sechs Jahre seid wird euer Strafinstrument in jedem Fall dieser Rohrstock sein. Um euch nicht unnoetig Angst zu machen: Ich erwarte nichts Unmoegliches von Euch. Ich verlange lediglich ordentliches und vernuenftiges Benehmen, Disziplin und Ruecksichtnahme. Wenn ihr diese Grundregeln befolgt werden wir sehr gut miteinander auskommen und der Stock wird seinen Platz in meinem Sekretaer nicht wieder verlassen. Ich moechte, dass ihr hier in diesem Buch unterschreibt. Ihr dokumentiert mit eurer Unterschrift, dass ihr ueber die Konsequenzen von Fehlverhalten aufgeklaert wurdet, und bereit seid die faellige Strafe bei einem Regelverstoss zu akzeptieren. Falls ihr mit den Bedingungen einverstanden seid kommt bitte einzeln nach vorne und unterschreibt."

Bernd trat als erster vor und unterschrieb ohne zu zoegern. Frank und tat es ihm gleich.

Auch ich trat nach vorne und nahm den Fuellfederhalter in die Hand. Mir fiel auf, dass Bernd und Frank nicht die ersten waren die das Dokument unterschrieben hatten.

Grossvater schien meine Gedanken zu lesen. "Meine Soehne, also eure Onkel Hans, euer Vater und sein bester Freund Fred, sagte er, „haben genauso unterzeichnet wie euer Cousin Markus. Der hat letztes Jahr zu Ostern zwei Wochen hier verbracht. Alle diese Jungs haben in diesem Haus nach unseren Regeln gelebt, und alle haben erforderlichenfalls die Konsequenzen ihrer Misstaten getragen, so wie echte Maenner das eben tun."

Ich unterschrieb.

Grossvater nickte zufrieden, er war offensichtlich, dass er genau das erwartet hatte.

"Ich bin stolz auf euch Jungs", sagte er. "Ich werde fuer jeden von euch eine neue Seite anlegen. Hoffen wir, dass sie nicht zu schnell voll wird."

Er machte eine kleine Pause ehe er fort fuhr. "Kommen wir zu den Regeln des Strafvollzugs. Bestrafungen finden um 20.00 Uhr in diesem Arbeitszimmer statt. Ich glaube das ist bei euch zu Hause genauso. Kurz vor 20.00 Uhr tretet ihr alle drei im Flur an und klopft an die Tuer. Eingetreten wird erst nach Aufforderung. Wir werden dann die das Vergehen und die erforderliche Strafe kurz besprechen. Der Übeltaeter holt dann den Rohrstock. Er liegt offen auf diesem Sekretaer." Opa zeigte auf das Moebelstueck.

"Der Missetaeter uebergibt ihn mir und bittet um eine angemessene Zuechtigung. Der oder die nicht betroffenen werden danach vor die Tuer geschickt. Dort warten sie den Vollzug der Strafe ab. Die Strafe empfangt ihr gebeugt ueber diesen Sessel."

"Fragen?"

Wir schuettelten den Kopf.

Grossvater nahm den Rohrstock wieder in die Hand. "Gut. Dann bleibt nur noch eines klarzustellen: Jungs treten in diesem Haus seit jeher ihren Strafwerkzeugen nur unbekleidet gegenueber."

Bernd schaltete als erster.

Er loeste den Knoten in der Kordel seiner Pyjamahose. Ehe ich ueberhaupt realisiert hatte was Grossvater gemeint hatte war er schon aus der Hose heraus gestiegen und war dabei sie ordentlich zu falten.

Opa nickte ihm anerkennend zu.

"Du kannst mir die Hose reichen" sagte er.

Bernd hatte schon wieder Haltung angenommen, als Frank und ich erst begannen uns mit unseren Schlafanzughosen zu beschaeftigen. Nach kurzer Zeit waren auch wir nackt und standen wieder stramm vor unseren Grossvater. Opa legte unsere Pyjamahosen auf den Strafstuhl.

Grossvater lies den Rohrstock eindrucksvoll durch die Luft sausen. „Sehr gut, sagte er. "So tretet ihr gegebenenfalls in Zukunft schon im Flur an. Beim Antreten seid ihr gewaschen und die Zaehne sind geputzt."

Er ging zum Sekretaer. "Mein Gehilfe wird jetzt wieder seinen traditionellen Platz einnehmen. Hoffen wir, dass er in den naechsten Wochen seinen Platz nicht wieder verlassen muss."

Es folgte eine lange Pause. "Genug jetzt vom Ernst des Lebens. Ihr seid sicherlich hundemuede."

Wir nickten.

Grossvater reichte uns die Pyjamahosen. "Ich werde euch morgen zum Fruehstueck wecken. Geht jetzt zu Bett und schlaft gut. Es ist schoen, dass ihr da seid."

Ende Teil 1

Es liegt in der Familie – Teil 2

Die Fensterscheibe zerbrach mit einem lauten Klirren.

"Verdammt" entfuhr es mir.

Ich stand fassungslos im Wohnzimmer. Langsam senkte ich die Schleuder.

Erst den zweiten Tag hier, und dann so was.

Frank stand erstarrt neben mir. "Scheisse noch mal, das gibt Ärger."

"Der Stein ist mir aus der Hand gerutscht. Was soll ich denn jetzt machen?" fragte ich, verzweifelt.

"Keine Ahnung. Grossvater und Bernd werden in spaetestens einer halben Stunde zurueck sein. Bis dahin kriegen wir das nicht wieder hin."

"Was glaubst du wird er mit mir machen, wenn er das sieht?"

Mein Bruder zuckte mit den Schultern. "Ich glaube wir sollten auf jeden Fall erstmal die Scherben beseitigen." Franks pragmatische Seite gewann mal wieder die Oberhand.

Zum Glueck war im Haus nichts Weiteres zerbrochen. Wir beseitigten die Scherben. Im Keller fanden wir ein halbwegs passendes Stueck Karton. Damit deckten wir das Loch im Fenster provisorisch ab.

Schon hoerten wir Opa alten Wagen. Es war uns noch nicht einmal Zeit geblieben ein paar taktische Varianten durchzuspielen.

Bernd und Grossvater kamen zur Tuer herein.

"Hallo, Jungs."

Er musste an unserem Gesichtsausdruck gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte.

"Was ist los? Ist jemand gestorben?"

Ich entschied mich fuer volle Offenheit. Aber das war leichter gedacht als gesagt.

"Ähh, nein...." sagte ich.

Opa sah uns fragend an.

"Habt ihr etwas ausgefressen?"

Frank wollte gerade zu einer Erklaerung ansetzen, da fiel ich ihm ins Wort.

"Ich habe im Wohnzimmer eine Scheibe zerbrochen" sprudelte ich hektisch hervor.

"Wie ist denn das passiert?"

Wortlos holte ich die Schleuder, die noch immer in meiner Gesaesstasche meiner Hose steckte hervor.

"Und du hast kein besseres Ziel als unsere Scheibe gefunden?"

"Es war ein Versehen. Ich wollte gar nicht wirklich schiessen."

"Man sollte meinen, dass um unser Haus herum genuegend Baeume stehen die du anvisieren koenntest."

Mit einemmal begriff ich, dass Grossvater glaubte ich haette draussen mit der Schleuder gespielt. Das bot mir eine Chance. Noch an unserem ersten Morgen hatte uns Grossvater eindringlich gebeten im Haus nicht wild herumzutoben, sondern solche Spiele draussen oder in der Scheune zu machen. Wir hatten das fest zugesagt. Wenn ich es so darstellte, dass ich draussen gespielt haette bestand die reelle Moeglichkeit mit einer strengen Ermahnung davonzukommen.

Ich sah Frank an. Der hatte die Situation auch erfasst, vermied es aber mich anzusehen. Verpetzen wuerde er mich nicht, soviel war klar, aber wuerde er mich respektieren wenn ich das Missverstaendnis nicht aufdecken sollte? Was erwarteten meine Brueder, Grossvater und Vater von mir? Maenner sind die Soehne ihrer Taten sagte Paps immer, und zu seinen Taten muss man(n) stehen, egal wie schmerzlich die Folgen sind. Das hat er uns beigebracht.

Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen: "Ich.....ich habe nicht draussen mit der Schleuder gespielt, sondern ihm Haus."

Bernd schluckte hoerbar. Er sah mich mit grossen Augen an. Grossvater sagte eine Weile gar nichts.

"Du weisst was ich euch ueber das herumtoben im Haus gesagt habe?" sagte er dann sehr ernst.

"Ja." Ich war jetzt recht Kleinlaut.

"Habe ich mich unklar ausgedrueckt bezueglich der Folgen von Ungehorsam?"

"Nein."

Grossvater sah mich lange schweigend an. "Geh bitte auf dein Zimmer, Thomas."

Ich ging langsam nach oben. Ich fuehlte mich ganz schoen mies in meiner Haut.

Es dauerte gut eine halbe Stunde, dann hoerte ich Grossvater rufen:

"Bernd, Frank, Thomas - kommt bitte alle ins Wohnzimmer. Ich moechte mit euch reden."

Wir kamen aus unseren Loechern gekrochen und trafen uns bei Opa. Der blickte sehr ernst drein.

"Ich habe euch etwas mitzuteilen" sagte er. "Ich hatte gehofft dass eine solche Situation wie sie sich heute ergeben hat, nicht eintritt, oder zumindest erst dann, wenn wir uns noch besser kennen. Aber Jungs sind nun mal Jungs, da kann man nichts machen. Ich war mir im ersten Moment nicht ganz sicher wie ich auf Thomas Ungehorsam reagieren soll. Aber da ich euch drei Liebe, genauso wie ich meine eigenen Soehne Liebe, da ihr bei mir lebt, genauso wie frueher meine Soehne bei mir gelebt haben, und da ihr zugestimmt habt, dass fuer euch die gleichen Regeln gelten sollen, nach denen auch schon meine Soehne hier gelebt haben, werde ich euch wie Soehne behandeln. Und das heisst auch, dass ich euch genauso bestrafen werde, wie ich meine Soehne bestraft haette. Denn das hat sich bei ihnen bewaehrt, und wird auch fuer euch nicht falsch sein."

Er sah mich eindringlich an.

"Thomas, dir ist klar, dass du Strafe verdienst."

"Ja, Opa" antwortete ich klaeglich.

"Wenn ich dich oder einen deiner Brueder bestrafen muss, dann faellt mir das nicht leicht. Aber ich tue dennoch. Ich tue es, weil ich euch Liebe. Meine Liebe ist aber keine weichliche Liebe. Sie sieht nicht alles nach. Sie ist stark und fest, Thomas. Es ist meine Aufgabe, ja sogar meine Pflicht euch zu erziehen und zu formen. Und meine Liebe zu euch zwingt mich, diese Pflicht anzunehmen. Denn Liebe bedeutet nicht falsche Ruecksichtnahme. Und die Sprache der Liebe kann streng und hart sein. Schliesslich muesst ihr lernen was richtig und was falsch ist im Leben, und das Leben straft auch hart und streng."

Wir nickten, und nicht nur weil wir gut Wetter machen wollten. Es war offensichtlich, dass der Mann vor uns nicht nur so dahinredete. Er meinte was er sagte. Grossvater war ein beeindruckender Mann. Am ersten Abend hatte er etwas unnahbar gewirkt, aber bereits die zwei Tage Aufenthalt hatten ausgereicht um ihm einen festen Platz in unseren Herzen zu sichern. Und wir wussten, dass es umgekehrt genauso war. Deshalb war ich bereit mich in mein Schicksal zu fuegen.

"Thomas, jedem meiner Soehne waere klar gewesen, dass er fuer eine solche Aktion eine gehoerige Tracht Pruegel bezieht. Dir wird es nicht anders gehen. Wir sehen uns heute Abend um 20.00 Uhr."

Damit war mein Schicksal besiegelt.

Seltsamerweise kann ich mich an die restlichen Ereignisse dieses Tages nicht mehr so detailliert erinnern, wie an das vorherige Geschehen. Deshalb nur soviel: Ich habe an jenem Abend eine ordentliche Abreibung bezogen. Acht Hiebe mit dem Rohrstock. Das klingt enorm, und ich kann euch versichern, es ist nicht ohne – besonders wenn man erst sieben ist.

Aber: die Strafe war mir angemessen. Denn Opa mich damals nicht voll rangenommen. Nicht dass ihr denkt, die ganze Sache sei ein Kinderspiel gewesen. Die Tracht Pruegel hat verdammt weh getan. Das weiss ich noch ganz genau. So weh, dass ich fuer eine ausserordentlich lange Zeit vom groebsten Unsinn kuriert war. Der naechste Eintrag in einem meiner Strafbuecher (Vater fuehrte ja auch Buch ueber unsere Vergehen) datiert deutlich ueber ein Jahr spaeter, und das ist schon ganz ordentliche Frist fuer einen Knaben im Alter von sieben, acht Jahren.

In der Nachschau weiss ich aber auch, dass Grossvater damals alles andere als voll durchgezogen hat, sondern die Schlaege an jenem Abend moderat ausfuehrte. Zumindest wenn man als Massstab die Strafe nimmt, die ich, Frank und mein Freund Christian (ihr wisst schon: mein Kumpel aus "Schulsport") einige Jahre spaeter durchzustehen hatten. Aber davon berichte ich euch ein anderes Mal.

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