Nicht Nur Getraeumt


by Hans Jorgens

Immer wieder verschwamm das Mathematikbuch vor meinen Augen. Ich sass in T-Shirt und Turnhose an meinem Schreibtisch, versuchte meine Hausaufgaben zu erledigen und starrte dabei auf das bloede Buch, dessen Inhalt mir so fremd war wie die Sonne einem fensterlosen Keller. Auf meinem Plattenspieler drehte sich derweil zum fuenften Mal hintereinander jene Single, die ich mir gerade bei 'HiFi Mueller' gekauft hatte.

"Ich hab' heute nichts versaeumt denn ich hab' nur von dir getraeumt", traellerte eine junge Frau, deren Lied ich seit wenigen Tagen, genauer gesagt seit Nenas erstem Fernsehauftritt im 'Musikladen', verfallen war.

"Mir ist schon ganz heiss Ich geh' auf dich zu Deine Blicke aergern mich Denken immer nur an mich".

Blicke, die denken koennen? Ich war fasziniert. Was fuer einmalig grossartige Lyrik - zumindest fuer den zwoelfjaehrigen Gymnasiasten, der ich damals, im Sommer 1982, war.

Vor allem der Anfang des Liedes aber beruehrte mich: "Ich bin so allein Ich will bei dir sein Ich seh' deine Hand Hab' sie gleich erkannt".

Genau so erging es mir doch auch! Ich war SEHR allein, und ich wollte am liebsten immer bei ihm sein. Und seine Hand erkannte ich doch auch sofort, und zwar an diesem winzigen Leberfleck oberhalb der Zeigefingerwurzel!

Wessen Hand ich sofort erkannte? Na, die meines besten Freundes Patrick natuerlich! Da ich noch nicht wusste, was 'verliebt sein' ist, konnte ich meine Gefuehle ihm gegenueber nur schwer in die Reihe kriegen. Ich wusste aber zweierlei: erstens, dass ich ihn sehr, sehr gerne ansah. Und zweitens, dass ich mir jeden Abend im Bett vorstellte, wie er, nur in Unterhose oder gar mit nacktem Hintern, ueber den Knien seines Vaters lag und kraeftig den Hintern versohlt bekam. Diese Vorstellung fuehrte prompt zu wunderbaren Gefuehlen im unteren Koerperbereich und - in der Folge - zu anfangs hoechst amateurhaften Rubbelbewegungen auf dem leicht angerauten Bettlaken, spaeter dann zu manuellen Manipulationen meines steif gewordenen Pimmels. Abgesehen von diesen wunderbaren Gefuehlen brachten mich meine 'abartigen' Phantasien jedoch ziemlich durcheinander.

Aber schliesslich behauptete Nena ja auch, dass sie total verwirrt war:

"Alles was ich an dir mag Ich mein' das so wie ich es sag' Ich bin total verwirrt Ich werd' verrueckt wenn's heut passiert".

Wenn WAS passiert? Ich ahnte dunkel, dass es dabei um etwas _s_e_x_uelles gehen musste. Oder vielleicht doch nicht?

"Mein Kopf tut weh, mach die Augen zu Ich lieg im gruenen Gras und erzaehl' mir was".

Auch das kannte doch ich in aehnlicher Form! Seit einiger Zeit war ich naemlich ein Meister des Selbstgespraechs, was zu langen Dialogen fuehren konnte, bei denen mir vieles klarer wurde, was zuvor so undurchdringlich wie Herbstnebel gewesen war.

"Andreas, komm' mal in die Kueche!"

Das war meine Mutter gewesen. Die hatte nun so gar keine Ähnlichkeit mit Nena, weder aeusserlich noch ihre lyrischen Faehigkeiten betreffend. Ich reagierte erst mal gar nicht. Abwarten und Tee trinken.

"Andreas!!"

"Jaha!!"

"Komm' mal bitte in die Kueche!"

"Ja, gleich!"

"Nein jetzt sofort!"

Was wollte die denn schon wieder? Wahrscheinlich sollte ich den Muelleimer runter bringen.

"Ich mach' aber gerade Schularbeiten!"

"Du hoerst Musik, und zwar viel zu laut. Also kommst du jetzt, oder brauchst du eine Extra-Einladung?"

Diesen Tonfall mochte ich nun ueberhaupt nicht. Was bildete sich die Zicke eigentlich ein? Schliesslich war ich schon fast dreizehn und damit so gut wie erwachsen. Ich nahm den Tonarm von der Platte und liess ihn in die Ausgangsstellung zurueck klicken. Dann bewegte ich mich lustlos in Richtung Kueche.

"Was ist denn?", fragte ich leicht patzig.

Meine Mutter sah mich an. Ich kannte diesen seltenen, aber hoechst wirkungsvollen Blick, und er verhiess nichts Gutes.

"Wenn ich dich rufe, dann kommst du, und zwar sofort. Ist das klar?"

Ich sagte nichts.

"Ob das klar ist, habe ich gefragt!"

"Ja doch!"

"Freundchen, in dem Ton sprichst du nicht mit mir. Sonst muessen wir uns mal ernsthaft miteinander unterhalten!"

Was sollte das denn nun wieder? Ernsthaft unterhalten? Taten wir das denn nicht gerade?

Fest stand, meine Mutter war gereizt, und warum das so war, sollte ich gleich erfahren.

"Sag' mal, hast du gestern oder heute Geld aus meiner Tasse genommen?"

Ein, zwei Sekunden panische Leere. Dann die in den Kopf steigende Hitze. Ich spuerte, wie meine Ohren rot wurden.

"Wieso??"

Was fuer eine bescheuerte Frage! Ich haette mich ohrfeigen koennen.

"Weil da jetzt fuenf Mark weniger drin sind, als Sonntag. Papa hat sie nicht rausgenommen und ich auch nicht."

Meine Mutter hatte seit vielen Jahren die Angewohnheit, stets ein paar Scheine und diverse Muenzen in einer grossen alten Kaffeetasse aufzubewahren. Mit diesem Geld bestritt sie allerlei anfallende Ausgaben, zum Beispiel das Zeitungsabonnement, fuer das damals noch an der Wohnungstuer kassiert wurde.

Ich war stets davon ueberzeugt gewesen, dass meine Mutter nie genau wusste, wie viel Geld gerade aktuell in dieser Hausfrauenkasse lag. Und da ich mein Taschengeld diesmal ausnahmsweise bereits fast ausgegeben hatte, aber unbedingt sofort die Nena-Single besitzen wollte, hatte ich mich am Abend zuvor zum aller ersten Mal aus jener beruehmten Tasse bedient.

"Also?!?"

Ich stammelte etwas Unverstaendliches.

"Wie bitte?"

Warum war sie denn nur so verdammt hartnaeckig? Scheiss doch auf die bloeden fuenf Mark!

"Ich ... ich hab' mir das Geld geliehen."

"Geliehen, aha."

Sie sagte das irgendwie unglaeubig, ja fast sarkastisch. Warum eigentlich? Schliesslich hatte ich noch niemals etwas gestohlen!

"Und wofuer, wenn man fragen darf?"

Was, wofuer? In meinem Kopf herrschte ein fast vollkommenes Vakuum.

"Wie?"

Der Gesichtsausdruck meiner Mutter verfinsterte sich um mindestens zwei weitere Stufen.

"WOFÜR du dir das Geld geliehen hast, Andreas Pahlke!"

Ach so! Mir fiel auf Anhieb nichts paedagogisch Wertvolles ein, also heraus mit der Wahrheit.

"Ich musste mir 'ne Single kaufen."

Schweigen.

"Du MUSSTEST dir also eine Schallplatte kaufen?".

"Ja."

War sie etwa schwerhoerig?

"Und was ist mit deinem Taschengeld?"

"Das war fast alle. Aber naechsten Sonntag krieg' ich ja neues. Dann geb' ich dir das Geld zurueck."

"Ob hier jemand Sonntag Taschengeld bekommt, werden wir noch sehen, mein lieber Freund. Und jetzt gehen wir erst mal zusammen ins Wohnzimmer!"

Dort musste um diese Zeit mein Vater sitzen. In meinem Kopf schrillte eine kleine Alarmglocke.

"Wieso denn?!?"

"Weil ich es sage."

Mit diesen Worten schnappte sie mich am Oberarm, befoerderte mich ueber den Flur, oeffnete die Tuer zum Wohnzimmer und zog mich mit hinein. Mein Vater sass auf dem Sofa und blickte von seiner Zeitungslektuere auf.

"Das Raetsel ist geloest. Unser Herr Sohn hat die fuenf Mark aus der Tasse genommen, weil er sich eine Schallplatte kaufen MUSSTE."

Wieder dieser sarkastische Unterton.

Mein Vater legte die Zeitung beiseite und sah mich eine Weile mit undurchdringlicher Miene an.

"Soll das heissen, dass du dir das Geld einfach ohne zu fragen genommen hast, um dir davon eine Schallplatte zu kaufen?".

Das einzige, was er der Äusserung meiner Mutter hinzugefuegt hatte, war der Zusatz "ohne zu fragen". Und der war natuerlich nicht ganz unwichtig.

"Ich habe mir eine Single gekauft, und das Geld wollte ich vom naechsten Taschengeld wieder in die Tasse zuruecklegen."

"Was fuer eine Single?"

Diese Frage hatte ich nun nicht unbedingt erwartet.

"Die heisst ", murmelte ich nach ein paar Sekunden Denkpause erroetend.

"Nur getraeumt?"

"Ja. Von Nena. Die war vor'n paar Tagen im Fernsehen."

"Wer?"

"Nena."

"Aha."

Was fuer ein Dialog. Diese totale Verstaendnislosigkeit. Dabei hatte mein Vater die Sendung doch auch gesehen! Ich wuenschte mich auf einen anderen Planeten.

"Und warum hast du dafuer heimlich Geld aus der Tasse genommen?"

Ja, warum eigentlich?

"Weil ich fast kein Taschengeld mehr hatte."

Damit war die Frage natuerlich nur teilweise beantwortet.

"Aber du kriegst doch Sonntag wieder welches!"

Er verstand mich einfach nicht. Ich hatte diese Platte doch SOFORT haben muessen und nicht erst naechste Woche!

"Und warum hast du dann Mama nicht gefragt, ob du dir das Geld nehmen darfst?"

Weil ich es ihr haette begruenden muessen. Und die Begruendung haette sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht akzeptiert. Und ausserdem haette sie gefragt, warum mein Taschengeld denn schon fast alle ist. Und ueberhaupt.

"Weiss ich nicht."

"Das weisst du nicht?!?"

Obwohl ich mir meiner Schuld durchaus bewusst war, kam jetzt langsam der Trotz in mir hoch.

"Nee, das weiss ich nicht!"

Bis dahin hatte mein Vater noch einigermassen ruhig mit mir gesprochen. Wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt reumuetig entschuldigt und hoch und heilig versprochen haette, nie wieder ungefragt in Mutters Kasse zu greifen, waere ich vielleicht glimpflich davongekommen. Aber nun war eine Schwelle ueberschritten, hinter die es kein Zurueck mehr gab.

"Sag' mal, dir geht es wohl zu gut? Erst lange Finger machen und dann auch noch in diesem patzigen Ton antworten. Ich glaube fast, du brauchst mal wieder eine Abreibung, oder wie soll ich das hier verstehen?"

Abreibung? Hatte ich mich etwa verhoert? Ich war doch schliesslich kein kleines Kind mehr, und ausserdem war diese Form der Bestrafung doch wohl laengst aus der Mode gekommen! An meinen letzten Hinternvoll erinnerte ich mich zwar noch schemenhaft, aber damals war ich vielleicht zehn Jahre alt gewesen.

"Ich habe ueberhaupt keine langen Finger gemacht!", rief ich empoert. Traenen der Wut stiegen in mir hoch.

"Nicht in dieser Lautstaerke, mein lieber Freund!", sagte mein Vater.

"Ich bin so laut, wie ICH will!"

"Nun ist es aber genug!", sagte meine Mutter.

Ohne zu ueberlegen, schrie ich: "Und du haeltst dich da raus!"

Fassungslos starrte sie mich an. Im gleichen Augenblick schnellte mein Vater hoch, kam auf mich zu, haute mir eine runter, packte mich am Arm, zog mich mit sich zurueck zu seinem Sofa, setzte sich wieder hin, legte mich ueber und begann, meinen Turnhosenhintern mit seiner rechten Hand auszuhauen. Das Ganze war so schnell gegangen, dass ich zu keiner Reaktion in der Lage gewesen war. Erst jetzt, als ich den beige-braunen Teppichboden aus unmittelbarer Naehe betrachten musste, begriff ich, was da gerade mit mir passierte.

"Du bist wohl verrueckt geworden, so mit deiner Mutter zu sprechen", sagte mein Vater, "was glaubst du eigentlich, wer du bist!"

Zwanzig, fuenfundzwanzig Mal klatschte seine Hand auf meinen duennen Hosenboden. Ich versuchte, zu entkommen, hatte aber keine Chance. Mein Vater schien mit der bisher erzielten Wirkung seiner Hiebe gleichwohl nicht zufrieden zu sein, denn ploetzlich wurde mein schmaler Koerper etwas angehoben, und ich spuerte, wie mir Turnhose und Slip mit einer schnellen Bewegung gleichzeitig vom Podex bis hinunter zu den Knien gezogen wurden. Dann sah ich, wie mein Erzeuger seinen rechten Pantoffel vom Fuss zog. Das kannte ich doch noch von frueher! Es waren graue Cordlatschen mit einer harten, geriffelten Gummisohle.

"Neeeeiiiiin!!!", schrie ich in schmerzvoller Vorahnung.

KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!!

O verdammt, tat das auf einmal weh! Wie verrueckt brannten die Schlaege auf meinem nackten Hinterteil.

"Dir wird' ich helfen, deine Mutter zu bestehlen!"

KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!!

Es war unglaublich, welche Wirkung dieser verdammte Pantoffel entfachte, und auf einmal wurde mir der Ursprung des Begriffes 'Versohlen' klar. Ich zappelte und wand mich hin und her, aber mein Vater hielt mich ganz fest in seinem eisernen Griff.

"PAPPPPAAAA!!! AUUUUAAAAAA!!! AUUUUUUUUUHAAAAAAAAAAA!!!"

KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!!

"AUUUUAAAAAA!!! AUUUUAAAAAAAAAAA!!! PAPPPAAAAA!!!"

KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!! KLATSCH!!

Als es endlich vorbei war, lag ich einfach da und heulte. Mein Vater zog mich am T-Shirt hoch und stellte mich vor sich hin. Meine Haende flogen automatisch nach hinten und rieben heftig ueber die fuerchterlich brennenden Hinterbacken.

"Jetzt hoer' mir gut zu, Andreas. Erstens: Du wirst nie wieder heimlich an Mamas Kasse gehen. Und unsere Portemonnaies sind sowieso fuer dich tabu. Hast du mich verstanden?"

Geschluchztes "Jaahaaahaaaa!!"

"Zwotens: Dein Umgangston uns gegenueber wird ein anderer werden, und zwar von jetzt auf sofort. Der laesst in letzter Zeit doch sehr zu wuenschen uebrig. Ich will nie wieder solche Toene von dir hoeren wie vorhin. Hast du mich verstanden?"

"Jaahahaaa!!"

"Gut. Dann kannst du jetzt auf dein Zimmer gehen und Schularbeiten machen. Und wenn du dabei Musik hoeren willst, dann bitte so, dass nicht das ganze Haus zusammenfaellt. Ende der Durchsage!"

Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich unten herum nackt war. Ich zog meine Hosen vorsichtig ueber die verdroschenen Backen, drehte mich um, schlich an meiner Mutter vorbei, ohne sie eines Blickes zu wuerdigen, und ging zurueck in mein Zimmer. Dort angekommen, liess ich mich baeuchlings auf mein Bett fallen und heulte mich noch mal so richtig aus. Wie ungerecht war doch die Welt, wie kalt und gnadenlos! Ich schwamm in Selbstmitleid und Hass auf meinen Vater. Wie hatte er mir das nur antun koennen, mir, einem intellektuell so bedeutenden und seelisch bereits ueberaus reifen jungen Mann von zwoelf Jahren und fast acht Monaten?

Irgendwann stand ich wieder auf und setzte mich an meinen Schreibtisch. Mein versohlter Hintern machte sich deutlich bemerkbar. Es war ein eigenartiges Gefuehl beim Sitzen; fast so, als seien die Pobacken ein wenig feucht. Ich versuchte erneut, mich auf mein Mathematikbuch zu konzentrieren. Als mein Blick nebenbei auf meine Armbanduhr fiel, jagte ein Schreck durch meine Glieder: achtzehn Uhr. In einer Viertelstunde wuerde Patrick auftauchen! Wir hatten uns bei mir verabredet, um zusammen Musik zu hoeren. Ich sah doch bestimmt noch total verheult aus! Sofort sprang ich auf, lief ins Bad und stellte mich vor den Spiegel. Scheisse – das war ja noch schlimmer als erwartet! Ich drehte den Kaltwasserhahn auf, nahm einen Waschlappen zur Hand, hielt ihn unter das fliessende Wasser und drueckte ihn mir ein paar Mal auf die Augenpartie. Wurde es besser? Ich war mir nicht sicher.

Ploetzlich fiel mir ein, dass ich ja meine kurze Adidas-Turnhose trug. Wuerde Patrick die Spuren, die der Arschvoll ganz sicher hinterlassen hatte, erkennen koennen? Hektisch stieg ich auf die Toilette, um meinen Hintern im Spiegel zu betrachten, was mir mit einiger Muehe schliesslich auch gelang. Als ich den Saum der Turnhose nur ein Stueckchen nach oben schob, waren in der Tat bereits deutlich die roten Abdruecke zu sehen, die der Pantoffel meines Vaters hinterlassen hatte. Ich sprang vom Klodeckel herunter, kam auf dem gekachelten Fussboden ins Rutschen, konnte gerade noch einen Sturz vermeiden und rannte zurueck in mein Zimmer. Dort zog ich die Turnhose aus und eine lange Jeans an. Gerettet! Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch und starrte das Mathebuch an.

Um zehn nach sechs klingelte es. Patrick war wie immer zu frueh. Als ich zur Wohnungstuer kam, hatte meine Mutter sie schon geoeffnet und liess meinen Freund herein.

"Guten Tag, Frau Pahlke", gruesste Patrick hoeflich.

"Hallo Patrick. Na, wollt ihr mal wieder was zusammen aushecken?"

"Klar!", antwortete er strahlend.

"Sag' mal, Andi, hast du deine Schularbeiten denn schon fertig?", wollte meine Mutter wissen.

Ach, auf einmal war ich wieder ihr Andi!

"Noch nicht ganz", sagte ich und blieb damit zumindest halb bei der Wahrheit.

"Und wann gedenkst du, sie noch zu machen, wenn man fragen darf?"

Keine Ahnung.

"Wir haben morgen eine Freistunde, weil Herr Schindel krank ist", half Patrick aus, "dann mache ich noch Mathe zu Ende."

Meine Mutter sah mich durchdringend an.

"Ich gehe davon aus, dass du deine Hausaufgaben noch machen wirst. Klaro?"

Ich nickte.

In meinem Zimmer angekommen, liess sich Patrick wie immer auf mein Bett fallen und machte es sich dort bequem. Ich gab mir viel Muehe, nicht auf seine herrlichen nackten Beine zu starren, die in einer schwarzen Turnhose mit gelben Streifen steckten.

Er sah mich pruefend an: "Sag' mal, hast du gerade geheult, oder was?"

"Nee, ich hatte 'ne Fliege im Auge. Das war ganz schoen unangenehm."

"Aha. Guck doch mal in die Tuete", sagte er froehlich, "ich hab' zwei neue Singles dabei."

Ich nahm die Plastiktuete zur Hand.

"Wow, die Neue von Duran Duran!", rief ich aus. ". Ist die gut?"

"Die ist super klasse."

"Und von Yazoo. Spitze!"

"Und du hast dir tatsaechlich Nena gekauft", stellte Patrick mit einem Blick auf den Plattenspieler fest, der am Kopfende des Bettes auf einem Sideboard stand. "Magst du wirklich nur das Lied oder auch die Frau?"

Ich spuerte, dass ich rot wurde.

"Quatsch", fauchte ich, "natuerlich nur das Lied!"

"Der Andi liebt die Nena! Der Andi liebt die Nena!", kraehte Patrick. "Ich hab' heute nix versaeumt, denn ich hab' nur von dir getraeumt!", sang er mit sich ueberschlagender Pubertaetsstimme und lachte sich halb tot.

Ich stuerzte mich auf ihn. Er lachte noch lauter. Ich versuchte, seine Arme auf dem Ruecken festzuhalten und haute ihm zwei-, drei Mal kraeftig auf den Hintern. Er lachte immer noch.

"Patrick kriegt den Popo voll, Patrick kriegt den Popo voll!", bruellte er begeistert.

Nun knallte ich ihm welche auf den nackten Oberschenkel. Sofort wurden die roten Abdruecke meiner Hand sichtbar.

"Au, au, au!", jaulte er herzerweichend.

Mein Schwanz war hart wie ein Betonpfeiler und drueckte schmerzhaft gegen die enge Hose. Obwohl es mir mehr als schwer fiel, liess ich deshalb von meinem Freund ab, denn er sollte auf keinen Fall merken, wie erregt ich war.

"Hu-huuu", jammerte Patrick, "mein Papa hat mich verhauen!"

Ich lachte nervoes und nahm mit leicht zitternden Fingern die Nena-Single vom Plattenteller. Dann legte ich Duran Duran auf. Eine huebsche Einleitung, ein magisches Synthesizer-Thema, untermalt von gleichfoermig-reizvollen Rhythmen. Simon Le Bon begann zu singen: "You saw me standing by the wall Corner of a main street...".

Waehrend wir dem Song lauschten, legte sich meine Erregung etwas, und mein Pimmel schrumpfte fast zur Normalgroesse zusammen. Schon bald aber begannen meine Gedanken wieder um das Thema zu kreisen, mit dem ich so haeufig beschaeftigt war, naemlich der alles entscheidenden Frage, ob Patricks Eltern genau so autoritaer und altmodisch waren wie meine. Oder, um exakt zu sein, ob auch er zu Hause schon mal einen Arschvoll bekommen hatte. Was haette ich alles hergegeben, um eine Antwort darauf zu bekommen! Doch da ich nicht wusste, wie ich die Frage anbringen sollte, liess ich die Gelegenheit verstreichen.

Um kurz vor sieben klopfte es an meiner Zimmertuer. Meine Mutter fragte, ob Patrick mit uns zu Abend essen wolle.

"Ja, gerne!", antwortete er, und damit war die Sache klar, ehe ich etwas einwenden konnte.

Bei Tisch herrschte eine eigenartige Atmosphaere. Schliesslich lag mein Hinternvoll gerade mal eine anderthalb Stunden zurueck, und entsprechend zurueckhaltend und verlegen verhielt ich mich meinen Eltern gegenueber. Diese wiederum gaben sich in Gegenwart meines Freundes besonders witzig und locker. Ich wand mich wie ein Wurm, doch Patrick schien zum Glueck nichts von der mit Haenden greifbaren Spannung zu bemerken, die ueber der Szenerie lag. Mein ahnungsloser Engel! Ich betete lautlos vor mich hin, dass das Gespraech nicht irgendwie auf das Thema Erziehung zusteuern moege, und wurde erhoert. Als das Essen endlich beendet war, fuehlte ich mich masslos erleichtert, aber gleichzeitig auch wie durch eine Mangel gedreht.

Patrick ging um acht nach Hause, und ich startete einen weiteren vergeblichen Versuch, die Mathematikaufgaben anzugehen. Um kurz vor neun schickte mich meine Mutter ins Bett. Dort schaffte ich es nicht einmal mehr, meine uebliche Wichsphantasie ablaufen zu lassen, und fiel erschoepft in einen traumlosen Schlaf. Am naechsten Morgen verkaufte ich meine Nena-Single fuer drei Mark an einen Schulkameraden.


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